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Großbritannien und der BrexitDer clevere Schachzug des Boris J.

Das britische Unterhaus wird lahmgelegt. Ein Austritt des britischen Königreichs aus der EU ohne Deal scheint unausweichlich. Oder?

Die Abgeordneten sollen nach Boris Johnsons Wunsch erstmal nicht zusammenkommen Foto: ap, Montage: taz

Berlin taz | Das hatte sich die Queen womöglich anders vorgestellt. Am Mittwoch schauten nämlich nicht nur die Klatschgazetten des Königreichs darauf, was aus ihrer Sommerresidenz Balmoral Castle in den schottischen Highlands dringen würde, sondern auch das politische Großbritannien. Der britische Premierminister Boris Johnson hatte bei Staatsoberhaupt Königin Elisabeth eine vorübergehende Schließung des Parlaments beantragt und damit vor allem die Opposition heftigst erzürnt. Nach dem Willen des Konservativen Johnson sollen die Abgeordneten ab Mitte September vier Wochen nicht tagen.

Die Sommerpause des britischen Parlaments dauert bis Dienstag. Danach finden im September traditionell die Jahresparteitage statt. So weit alles ganz normal – doch die regierenden Tories, die ihre Sitzung als letzte Partei abhalten, tagen nur bis zum 2. Oktober. Geht es nach dem Premier, kommen die Abgeordneten aber erst 12 Tage später wieder zusammen.

Dabei ist die Zeit denkbar knapp: Am 31. Oktober verlässt das Vereinigte Königreich dann die Europäische Union – so wie es derzeit aussieht, ohne ein Abkommen. Einen solchen No-Deal-Brexit will die Opposition im britischen Unterhaus verhindern – doch bei einer so langen Pause hätten sie kaum mehr Zeit, den Brexit ohne Scheidungsvertrag per Gesetz abzuwehren. Das, so zürnen vor allem die GegnerInnen eines No-Deal-Brexits, ist die Motivation von Johnsons Vertagungsplan.

Als „Frevel an der Verfassung“ bezeichnete den Vorgang Parlamentspräsident John Bercow. Er wurde offenbar von dem Vorgang im Urlaub überrascht und teilte mit: „Wie auch immer man es verpackt, es ist ganz offensichtlich, dass die Absicht hinter einer Sitzungsunterbrechung zu diesem Zeitpunkt wäre, das Parlament von einer Brexit-Debatte […] abzuhalten.“

Johnsons Rechtfertigung

Der Premier verwehrte sich gegen eine solche Interpretation. Nach Johnsons Dafürhalten ist die Vertagung nötig, um die Präsentation eines neuen Regierungsprogramms vorzubereiten. „Wir warten nicht auf den 31. Oktober, um mit unseren Plänen weiterzumachen, dieses Land voranzubringen“, sagte der Regierungschef am Mittwoch vor JournalistInnen. In einer Thronrede werde die Königin am 14. Oktober das „sehr aufregende Programm“ der Regierung darlegen. Die Queen’s Speech ist die traditionelle Ansprache, mit der die Sitzungsperiode des britischen Parlaments eröffnet wird. Danach hätten die Abgeordneten genug Zeit, vor dem EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober über das Programm der Regierung und die Brexit-Pläne zu debattieren, so Johnson.

Ungewöhnlich ist nicht, dass das Parlament überhaupt auf Anraten des ­Regierungschefs zeitweise geschlossen wird – die Abgeordneten im Unterhaus müssen einer solchen Schließung nicht zustimmen. Außerdem ist sie in Großbritannien auch sonst üblich, bevor ein neues Regierungsprogramm vorgestellt wird. „Prorogation“ heißt dieser Vorgang, der eigentlich eine Formalie ist: Die Regierung empfiehlt die Vertagung, das Staatsoberhaupt willigt in der Regel ein.

Doch die Situation ist heikel – und die Länge der geplanten Pause höchst ungewöhnlich: Seit den 1980ern dauerten solche Vertagungen selten länger als zwei Wochen, sie waren eher kürzer.

Die nordirische Unionisten-Partei DUP, ohne die Johnson keine Mehrheit im Parlament hätte, stellte sich am Mittwoch auf die Seite des Premiers. Auch Tory-Generalsekretär James Cleverly verteidigte Johnsons Schritt auf Twitter als Routine. Die Regierung setze eine Thronrede an – „genau wie es alle neuen Regierungen tun“.

„Zutiefst undemokratisch“

Doch das wird Johnsons GegnerInnen nicht beruhigen. Der frühere Schatzkanzler Philip Hammond von Johnsons Tory-Partei twitterte, es sei eine Schande, wenn den Abgeordneten im Unterhaus die Möglichkeit genommen werde, die Regierung in einer nationalen Krise zur Verantwortung zu ziehen: „Zutiefst undemokratisch.“

Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei warf Johnson vor, sein Vorgehen sei eine „Bedrohung für unsere Demokratie“. Labour wolle parteiübergreifend daran arbeiten, „die Regierung zur Verantwortung zu ziehen und einen desaströsen No-Deal zu verhindern“. Erst am Vortag hatten sich die führenden Mitglieder der Oppositionsparteien nach eigenen Angaben auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt, um einen EU-Austritt ohne Abkommen abzuwenden. Medienberichten zufolge hatte Corbyn am Mittwoch selbst mit der Bitte um ein Gespräch an Königin Elisabeth geschrieben. „Die Gefahr besteht, dass das königliche Vorrecht den Wünschen einer Mehrheit im Unterhaus direkt entgegensteht“, zitierte ein BBC-Korrespondent aus dem Brief. War der Vorgang schon vorher äußerst heikel für die Königin, zog sie der Oppositionsführer spätestens damit direkt in die politische Debatte.

Eine Option für die No-Deal-Brexit-GegnerInnen wäre grundsätzlich noch ein Misstrauensvotum – doch dazu bräuchte es die Unterstützung von Rebellen der konservativen Tory-Partei sowie eine geschlossen agierende Opposition

Doch Corbyn kam offenbar zu spät: Nach Medienangaben hatte die Königin sich da bereits mit dem Kronrat beraten. Am späten Nachmittag kam die offizielle Bestätigung: Königin Elisabeth stimmte den Plänen für eine verlängerte Sitzungspause zu.

Eine Option für die No-Deal-Brexit-GegnerInnen wäre grundsätzlich noch ein Misstrauensvotum – doch dazu bräuchte es die Unterstützung von Rebellen der konservativen Tory-Partei sowie eine geschlossen agierende Opposition. Selbst wenn Johnson gestürzt würde, könnte er aber theoretisch einen No-Deal-Brexit Wirklichkeit werden lassen: Den Wahltermin legt der scheidende Premierminister fest, möglich wäre also ein Datum bereits nach dem EU-Austritt am 31. Oktober.

Das wissen auch Johnsons GegnerInnen, wie etwa die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon (SNP). Gerüchte, die Regierung plane mit einem solchen Wahltermin, kommentierte sie auf Twitter mit den Worten: „Leg los. Haben Sie den Mut zu Ihren Überzeugungen, Boris Johnson. Setzen Sie jetzt eine Wahl an – mit Wahltermin vor dem 31. Oktober – und lassen Sie die Menschen abstimmen. Oder sind Sie bange?“

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27 Kommentare

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  • Hier mal ein Vorschlag:

    Der Brexit kommt zum 31.10.2019 entsprechend dem ausgehandelten Vertrag, zeitlich beschränkt bis ende 2020.

    2020 erfolgt eine Volksabstimmung über die Form des Brexit, ohne Deal, mit Deal. Über das ob wurde schon entschieden, jetzt geht es nur noch um das wie.

    Danach wünsche ich den Briten alles Gute und viel Erfolg.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Die EU hat wirklich Schuld am No-Deal-Brexit.""



    ==



    Was für ein unglaublicher Unfug.

    Es gibt außer in der Geschichte Nordkoreas oder in der Geschichte Russlands - auch Trump ist Spitze in der gnadenlosen Vernebelung von Tatsachen - kaum eine größere Lügenkampagne als in UK, in der Wähler mittels platten Lügen als Stimmvieh zu missbraucht werden um die Wünsche einer Minderheit zu befriedigen.

    Sicher verliert UK nach dem Brexshit seine Souveränität - durch Aushebelung des Parlaments durch Boris Johnson und durch den ausdrücklichen Wunsch der britischen no-deal-Apologeten UK in einen Pudel von Donald Trump zu verwandeln.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Souveränität und Stimmvieh

      Zitat @CORIANDER23: „Sicher verliert UK nach dem Brexshit seine Souveränität - durch Aushebung des Parlaments durch Boris Johnson“

      Was für ein unglaublicher Unfug, um Sie zu zitieren. Der Garant für der Souveränität des UK im Sinne des Völkerrechts, aber auch nach innen, ist nicht das Parlament sondern die Königin („Sovereign“). Kern der Souveränität eines Staates ist bekanntlich dessen Unabhängigkeit von fremden Mächten, pikanterweise das Hauptargument der Brexiters und der „Souveränisten“ in anderen Austrittsaspiranten-Ländern, die gerade in der EU-Mitgliedschaft den Ausdruck „begrenzter Souveränität“ sehen.

      Die „Suspendierung“ des Parlaments durch die Exekutive ist zwar für „die älteste Demokratie der Welt“ in der Tat ein bizarrer Vorgang, dessen demokratische Legitimität bezeichnenderweise allerdings von niemandem in Frage gestellt wird. (Montesquieu würde sich im Grabe rumdrehen.) Sie wurde vom „Sovereign“, also der Königin, sogar ausdrücklich genehmigt. Diese Prozedur von königlichen Gnaden ist mithin offensichtlich ein legitimer Teil der innerstaatlichen Gestaltungsfreiheit des UK, folglich seiner „Souveränität nach innen“, was immer man auch davon nach den Maßstäben einer modernen repräsentativen Demokratie und der Volkssouveränität halten mag.

      Zitat @ CORIANDER23: „... in der Wähler mittels platten Lügen als Stimmvieh zu missbraucht werden um die Wünsche einer Minderheit zu befriedigen.“

      Man braucht nicht Rußland, Nord-Korea oder die USA bemühen, um den Mißbrauch der Wählerschaft als Stimmvieh zu beklagen. Auch in der EU selbst gibt es erhellende Beispiele, etwa wenn sich das Volk „verwählt“ hat wie im Falle Irland oder Dänemark in der Euro-Frage, die so lange abstimmen mußten, bis das Ergebnis paßte, oder Frankreich und Niederlande, die die EU-Verfassung ablehnten, die desungeachtet dann aber unter dem Label „Lissabon-Vertrag“ doch noch dem Wahlvolk untergejubelt wurde, „um die Wünsche einer Minderheit zu befriedigen“.

      • 0G
        06438 (Profil gelöscht)
        @Reinhardt Gutsche:

        Mr. Reingardt - eine Runde Verfassungsrecht an einer Grundschule ihrer Wahl - oder noch besser - in einem Integrationskurs für Flüchtlinge würde ihnen sicher gut tun.

        1. Souverän ist das Volk - auch in UK - trotzdem Uk anscheinend dabei ist den Bund demokratischer Staaten zu verlassen.

        Großbritannien ist eine konstitutionelle Monarchie - auch hier steht nicht ein Monarch, sondern das Volk in seiner Gesamtheit einzig und allein über der Verfassung.

        Das Parlament ist die politische Volksvertretung . Im staatsrechtlichen Sinne versteht man unter Parlament die vom Staatsvolk gewählte und legitimierte Vertretungskörperschaft.

        2. Wird das Recht des Parlaments beschnitten sich zu versammeln - ist die Volkssouveränität im Eimer - und ein Land hört auf als Demokratie zu funktionieren.

        3. Brexshitters - also reichlich bräunliche Rechtsradikalextremisten die sie ja anscheinend unterstützen - haben immer insistiert - take back control - und meinten damit das das PARLAMENT die volle Kontrolle zurück bekommen solle.

        Das bedeutet de facto: Schließung des Parlaments - Einschränkung der Souveränität des Volkes - Abschaffung der Demokratie.

        Das ist das Ziel der bräunlichen Rechtsradikalextremisten. - siehe aktuelle Ereignisse in UK.

        4. Sie haben Perogation allgemein - und im Besonderen im aktuellen Fall nicht verstanden.

        Bitte nachlesen.

        Es gibt niemanden in der Diskussion in Europa der meint, das es den Fall der Suspensierung in der ungeschriebenen Verfassung des Königreiches nicht geben würde.

        Um was es geht ist die Nutzung der Perogation um die Rechte des Parlaments auf dem Weg in eine Diktatur abzutöten.

        5. Wenn Sie aus dem Vertrag von Lisabon so wenig, also fast nichts, zum Thema beizusteueren haben - (nicht jeder Vergleich der hinkt, stinkt, knirscht und zischt - und dadurch Verwirrung stüft-(-et))



        eignet sich dazu die EU zu diffamieren - was ja letztendlich der Kern ihrer Motativation sein dürfte .......................

        • @06438 (Profil gelöscht):

          Alles Idioten - außer coriander23

          Zitat @ coriander23: „Mr. Reingardt - eine Runde Verfassungsrecht an einer Grundschule ihrer Wahl - oder noch besser - in einem Integrationskurs für Flüchtlinge würde ihnen sicher gut tun.“

          Eine Runde Deutsch-Unterricht an einer Grundschule ihrer Wahl - oder noch besser - in einem Integrationskurs für Flüchtlinge würde ihnen sicher gut tun.

          Was das Thema selbst angeht, so haben, wie es aussieht, auch die Gerichte in UK keine Ahnung von ihrem eigenen Verfassungsrecht. Sie sollten da mal schleunigst Nachhilfe erteilen...

          • 0G
            06438 (Profil gelöscht)
            @Reinhardt Gutsche:

            Schade und enttäuschend - die ersten Argumente zur Standortbestimmung waren ausgetauscht - nun hätten sie die Chance gehabt mit Substanz zu überzeugen.

            Komisch - an welches typische Argumentations - und Verhaltensmuster erinnert mich ihr befremdliches Vorgehen?

            Ist ihr Verhalten abgesprochen -



            oder ist es ihr Erschrecken über ihren Zustand der Leere und Perspektivlosigkeit - nachdem sie die momentan üblichen Plattitüden verschossen hatten ?

  • Dass die Queen der Parlamentsauszeit zugestimmt hat, verwundert nicht wirklich. Doch dass eines der ältesten Demokratien der Welt sich in einer solch elementaren Frage parlamentarisch einfach ausknipsen und den Mund verbieten lässt, ist erschreckend und ein Raubbau an Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in GB.

  • So sieht das aus, wenn ein Hütchenspieler ohne Hütchen weiterspielt. Ist es denn wirklich so schlimm, wenn erstmal keine Einsätze mehr gemacht werden können?



    Es glaubt doch mittlerweile ohnehin kaum noch jemand, dass das britische Parlament in dieser Angelegenheit irgendwann doch noch eine Mehrheit für einen geregelten Brexit zustandebringen könnte und unter Boris Johnson wird es gewiss auch kein neues Austritts-Referendum geben. Es nervt einfach nur noch.

  • Drei Jahre eines coitus interruptus, kein Wunder, dass die MP's erzürnt sind, denn eine Mehrheit von ihnen will im Gegensatz zu Johnson an einem vernünftigen Austritt basteln bzw. einen Verbleib per zweitem Volksentscheid ermöglichen. Dafür haben einige Tory MP's auch ihre Karriere riskiert.



    "Cleverer Schachzug", das sagen auch die schäumenden Nationalisten auf der Insel. Bin mir da nicht so sicher. Ob die Anglos so mutig und konsequent sind wie ihre früheren Chargen in der Kronkolonie Hongkong? Ich würde es ihnen wünschen.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Was in der Bundesrepublik das Bundesverfassungsgericht ist -- ist vergleichbar mit dem britischem Supreme Court der 2017 die Entscheidung darüber getroffen hat, ob prerogative Macht allein dazu ausgereicht hätte den Artikel 50 auszulösen. (Austrittsklausel aus der EU)

    Das Oberste Gericht entschied mit 8-3 Stimmen dagegen.

    Alle elf Richter waren einig, dass die parlamentarische Souveränität das wichtigste und übergeordnete Prinzip der britischen Verfassung bleibt.

    Es war klar, dass das Ergebnis des Referendums eine Angelegenheit von enormer politischer Bedeutung ist, aber es ändert nichts am Gesetz.

    Das Referendum 2016 fand aufgrund eines Parlamentsgesetzes statt, und nach dem britischen System kann kein Premierminister ohne ausreichende parlamentarische Unterstützung regieren.

    Wenn es also nicht erlaubt war, Artikel 50 ohne Erlaubnis des Parlaments auszulösen, kann es kaum akzeptabel sein, Abgeordnete aus dem Parlament „auszusperren“ damit diese daran gehindert werden, Johnsons Pläne mit den Mitteln einer parlamentarischen Demolratie zu vereiteln.

    Demokratie ist was anderes - und deshalb steht die Entscheidung des Anti-Demokraten Boris Johnson auf



    äußerst tönnernen Füßen.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Wir sprechen hier über zwei verschiedene Aspekte; also wer die Grundsatzentscheidung trifft (das britische Parlament hat mit großer Mehrheit für das "triggering" des Artikel 50 gestimmt) und ob die Sitzungen ausgesetzt werden dürfen.



      Britische Verfassungsrechtler bezweifeln jedoch, dass die Prorogation des Unterhauses verfassungswidrig ist, und sie haben gute (rein formale) Gründe dafür.



      Politisch ist die Situation natürlich eindeutig und läuft auf eine Abschaffung der parlamentarischen Demokratie zu einem wichtigen Zeitpunkt hinaus. Aber die britische Justiz wird an diesem Punkt keine Unterstützung abgeben. So wünschenswert es wäre.

      • 0G
        06438 (Profil gelöscht)
        @Ataraxia:

        ""Britische Verfassungsrechtler bezweifeln jedoch, dass die Prorogation des Unterhauses verfassungswidrig ist, und sie haben gute (rein formale) Gründe dafür.""



        ==



        Nö. Das Verfassungsrecht in UK sagt eindeutig das ein Auslösen des Artikel 50 durch eine Blockade des Parlaments nicht möglich gewesenen wäre - (diese Entscheidung ist getroffen worden, siehe Rechtsstreit Gina Miller aus 2017) - wenn es also Verfassungsrecht in UK ist, das Prorogation kein verfassungsmässig erlaubtes Mittel zur Durchsetzung von Interessen sein kann, und folglich das Parlament nicht ersetzen kann - wäre es erstaunlich wenn das Oberste Gericht nun anders entscheiden würde - was es sich nicht tun wird.

        Ansonsten: Schottland geht gegen die



        Blockade von Westminster durch Boris Johnson gerichtlich vor und in England wird es eine weitere Klage geben.

        Außerdem geht es nicht darum ob Prorogation des Unterhauses verfassungswidrig ist. Es geht darum



        ob dutch Prorogation des Unterhauses, also durch Blockade des Parlaments, Entscheidungen erzwungen werden dürfen.

        • @06438 (Profil gelöscht):

          Ein schottischer Richter hat gerade geurteilt, in einem vorläufigen (temporary) Urteil, dass Boris Johnson das Parlament beurlauben (prorogue) darf (obwohl es sich gerade sechs Wochen im Urlaub befunden und der Speaker viel Pfefferminz gekaut hat).

          "British Justice" war ein Titel der britischen Punk Band



          Charge, früher mal von Trikont verlegt. British Justice fand auch das Massakrieren politischer Gegner in nordirischen Gefängnissen oder die Todesstrafe unschuldiger Iren (Birmingham 6) ganz normal.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Hier ist der Link zur Erlaubnis



      www.legislation.go...a/2017/9/section/1

      • 0G
        06438 (Profil gelöscht)
        @Mikki:

        Nix Erlaubnis.

        Beschrieben wird der formale Weg wer, nachdem das Parlament entschieden hat, die Austrittserklärung an die EU weitergibt.

        Das diese Aufgabe dem PM zufällt hat auch niemand bestritten. Bestritten wird demgegnüber das Prorogation



        ein legitimes verfassungsrechtlich erlaubtes Mittel sein soll das Parlament an Entscheidungen und an der Ausführung seiner Aufgaben zu hindern.

        Auch wenn jemand die Prorogation aus der geschichtlichen Rechtsentwicklung des UK ableitet -



        Prorogation war nie ein Mittel das Parlament in seinen Entscheidungen außer Kraft zu setzen.

  • Die IHK und jeder Unternehmensberater den ich kenne rät allen unseren Kunden, rechnet mit einem harten Exit, sollte es anders kommen ist es schön, aber rechnet mit dem worst case.

    Der ist mit BoJo viel wahrscheinlicher geworden.

    Jetzt bleibt wichtig, voll hinter der Republik als EU Partner zu stehen, aber die Tür nicht mit dem großen Knall schließen, die Briten oder besser die Engländer bleiben Nachbarn mit denen man sich vernünftig weiter beschäftigen muss.

    Ist wie in jeder Beziehung wenn man sich trennt, man muss nicht mehr alles nachen, aber das Geschirr und die Klamotten des Anderen in den Hof zu werfen ist zwar emitional befriedigend, mehr aber auch nicht.

    • @Sven Günther:

      So einfach ist das leider nicht. In allen Ländern der EU gibt es Parteien, die fordern die EU zu verlassen.

      Lässt man die Engländer glimpflich davon kommen, dann denken sich andere: "Oh .... hier kann ich Rechte ohne Pflichten bekommen."

      Der Brexit muss weh tun.



      Im günstigsten Fall reduziert er das UK auf England und Wales und hat wirtschaftlich zu desaströse Folgen, dass die Engländer zurück in die EU wollen - diesmal aber ohne Extrawürste, wie eigene Währung und niedrigere Beiträge.

      • @Michael Garibaldi:

        Ein Gebilde was auf Furcht basiert ist nicht grade etwas wünschenswertes.

        Die Briten haben sich in einer demokratischen Wahl für den Brexit entschieden. Das sollten auch sie endlich akzeptieren.

        Niemand muss in der EU sein.

        Auch Norwegen und die Schwitz haben sich entschieden unabhängige Nationalstaaten zu bleiben. Und wenn sie es wollen dann ist es auch gut so.

      • @Michael Garibaldi:

        Doch das ist so einfach.

        Wir haben nen Deal angeboten, ihr wollt nicht.

        • @Sven Günther:

          Das zieht doch eben nicht.

          Schon jetzt poltert Johnson, dass die EU Schuld sei, dass es zu einem No-Deal-Abkommen kommt.



          Am 1.November - sollte es tatsächlich zu einem No-Deal gekommen sein - geht diese „Schuld ist die Eu-Propaganda-Maschinerie“ dann so richtig los. Mittlerweile kennen wir doch rechte „Politiker“ und ihre Methoden.

          • @RobJ:

            Die EU hat Schuld. Sie hat die Verhandlungen blockiert und wollte nie ein gutes Ergebnis für beide Seiten.



            Es wurde so verhandelt, dass der Brexit unmöglich sein sollte. Daher kam es nie zu einer Lösung sondern nur zu einem Aufschub der Probleme (mit Backstop).



            Insofern ist das Handeln von Boris nur jetzt konsequent. Es setzt nochmal alles auf eine Karte, braucht aber dafür auch den No-Deal Brexit als Realistische Option. Eine Alternative zum Backstop wird ja wohl in den Schubladen liegen, sollte dieser nicht als endgültige Lösung geplant sein.



            Die EU ist Schuld an den wirtschaftlichen Nachteilen (zusätzliche Arbeitslose) für die EU Bürger durch ihr Vorgehen.

            • @Mikki:

              Also wenn Sie sich eine "Alternative zum Backstop ... in den Schubladen" vorstellen können, dann haben Sie vielleicht auch eine Idee, wie diese aussehen könnte? Vielleicht hat ja nur noch niemand dran gedacht, und Sie lösen das ganze Dilemma, indem Sie ihre Ideen hier äußern?

              Alternativen die sichtbar sind: Entweder man hätte sich gleich auf eine Zollunion geeinigt (wollten die Brexit_hardliner nicht), oder man findet sich gleich mit einer harten Grenze innerhalb der irischen Insel ab (wollte die EU aus gutem Grund nicht, wieso sollten sie die Interessen des UK über die von Irland stellen?).



              Oh, noch eine Alternative wäre denkbar: Das UK gibt Nordirland auf und an Irland ab. Naja, dass da die britische Regierung wohl kaum zugestimmt hätte muss ich ja kaum erwähnen.

              Diese Fragen hätte man klären müssen, bevor man darüber eine eilig vom Zaun gebrochene Volksbefragung durchpeitscht.

              Einfach zu sagen die EU ist Schuld daran, dass es kein gutes Ergebnis für beide Seiten gibt, ist etwas billig, da auch von britischer Seite keine gangbaren Vorschläge gemacht wurden, die für beide Seiten gut gewesen wären. Oder hab ich da was verpasst?

            • @Mikki:

              Das ist Unsinn. Es gibt keine "gute" Lösung für beide Seiten.

              Es gab die Wahl zwischen zwei Optionen: Eine gute Lösung für UK - alle Vorteile, keine Verpflichtungen - oder ein faire Lösung, die die Außengrenzen der EU sichert.

              Die Mitgliedschaft von UK in der EU ist die conditio sine qua non für eine offene irische Grenze.

              Es gibt da keine Lösung. Wenn UK geht, machen wir die Grenze zu Nord-Irland zu und sehen was passiert.



              Vielleicht hat Boris ja Glück und die IRA ist in Rente gegangen.

              • @Michael Garibaldi:

                Ich glaube Sie haben etwas missverstanden. Die EU will doch die harte Grenze in Irland verhindern (bzw verwendet das als Vorwand, um GB nicht zu entlassen).

                Der Backstop ist tatsächlich eine Schande. Ein Tiefpunkt europäischer Verfassungsgeschichte.



                Dass die Rückgabe Nordirlands eine interessante Option wäre, ist eine ganz andere Sache.

          • @RobJ:

            @Robj : auch wenn BoJo schon poltert, dass die EU Schuld sei, ich würde die Briten nicht unterschätzen ... der Großteil versteht schon, dass Johnson den harten Brexit forciert und befürworten das.



            Das "Poltern" ist nur eine Nebelkerze um seine Gegner abzulenken, damit diese und die Medien (und Sie) davon abgelenkt sind und sich nicht mit relevanten Themen beschäftigen.



            Machen Trump und in Deutschland die CSU, FDP und AfD auch so ... scheint noch immer gut zu funktionieren :-/

            • 0G
              06438 (Profil gelöscht)
              @Franz Georg:

              .""........................würde die Briten nicht unterschätzen ... der Großteil versteht schon, dass Johnson den harten Brexit forciert und befürworten das.""



              ==



              Wo haben sie das denn gelesen?



              Hört sich nach Klopapier an.

              Es gibt keine ernst zu nehmende Partei in UK die einen harten Brexshit - sprich einen no-deal-Brexit unterstützt.

              Der einzige der no-deal- unterstützt und fordert ist Niqel Fromage mit seinen Brexshittern. (13% der britischen Wähler)

              Tories sind in dieser Frage gespalten - nur ca. 120 Abgeordnete der Ties unterstützen das. (33% der Wähler)

              Labour möchte unter Corbyn den Verbleib in der Zollunion - 80% der Labour Wähler wollen in der EU bleiben - und alle lehnen no deal ab.



              (22% der Wähler)

              17% der Wähler sind Lib-Dems, 8% Grüne, 4% SNP und 1% wählen Plaid Cymru - das bedeutet:

              Die Mehrheit der Wähler - also mindestens 52% ist gegen einen EU Austritt.

              Nur 47% sind momentan noch dafür.

              Was glauben sie denn warum Johnson der momentan mit Rechtsradikalextremismus spielt das Parlament dicht machen will?

            • @Franz Georg:

              Sie haben es nicht ganz verstanden.



              Die EU hat wirklich Schuld am No-Deal-Brexit.



              Sie bietet die 3 Möglichkeiten



              - Verbleib,



              - Aufgabe der Souveränität,



              - no deal.



              Daher hoffe ich (obwohl es natürlich bitter ist) auf no deal und darauf, daß J-Cl Juncker vor Kummer krank wird. Vergleiche Blair, Merkel, Maas und die ganzen neoliberalen Rotznasen, die für Ihren Raubtierkapitalismus keine zwei verschiedenen Käfige gebrauchen können.