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Großbritannien nach EuropawahlFarage räumt ab

In Großbritannien treibt die Europawahl die Pro-und-Anti-EU-Spaltung weiter voran. Tories und Labour fallen in der Mitte in die Versenkung.

„Die britische Politik ist kaputt“: Nigel Farage (der Mann in Blau) jubelt Foto: ap

Der haushohe Sieg der Brexit Party bei Großbritanniens Europawahl erschüttert die britische Politik. Nach Auszählung aller Stimmen in Großbritannien am Montagnachmittag – Nordirland, wo lokale Parteien um 3 Sitze kämpfen, zählt noch – hat die neue Partei von Nigel Farage aus dem Stand 31,6 Prozent der Stimmen und 29 von 70 Sitzen erreicht.

Die Brexit Party, die mit dem Vorwurf des Verrats der Politik am Brexit-Votum von 2016 durch das Land gezogen war, kam in allen Regionen Englands außer in London auf den ersten Platz, außerdem in Wales. Sogar in Schottland ist sie zweitstärkste Partei.

„Übersetzt das in eine Parlamentswahl, und Nigel Farage ist Premierminister“, schrieb auf Twitter der Analyst James Patrick. Farage selbst triumphierte noch in der Nacht: „Die britische Politik ist kaputt, verfault bis ins Mark.“ Ein Wechsel im Amt des Premierministers ändere daran nichts. Sollte es aber neue Brexit-Verhandlungen mit der EU geben, müsse er daran beteiligt werden, forderte Farage.

Zweiter Gewinner sind die Liberaldemokraten, die mit der Pro-EU-Parole „Bollocks to Brexit“ in den Wahlkampf gezogen waren. Sie landeten mit 20,3 Prozent und 16 Sitzen auf Platz zwei. Sie eroberten die Wahlkreise von Theresa May und von Jeremy Corbyn und sind in London stärkste Partei.

Die Liberalen sind nicht die einzige Pro-EU-Kraft, die zulegt. Die Grünen überrundeten mit 12,1 Prozent sogar die Konservativen. Behauptungen mancher EU-Befürworter, eigentlich hätten die Pro-EU-Parteien die Wahl gewonnen – weil Liberale, Grüne sowie schottische und walisische Nationalisten zusammen mehr Stimmen haben als die Brexit Party plus Ukip –, sind allerdings fragwürdig. Auch die Konservativen waren schließlich angetreten als „einzige Partei, die den Brexit umsetzen kann“.

Das Ergebnis zeigt eher: Nur eine eindeutige Position wird vom Wahlvolk honoriert. Die Konservativen und Labour verkörpern das Gegenteil von eindeutig: Sie versprachen den Brexit und verhinderten ihn im Parlament.

Brexit notfalls ohne Deal mit der EU

Die Konservativen holten jetzt mit 9,1 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit ihrer Gründung 1834. Labour mit 14,1 Prozent steht kaum besser da. Die beiden großen Parteien stellen fünf Sechstel des Parlaments und erreichten bei der Parlamentswahl 2017 zusammengenommen 82 Prozent – jetzt sind es gerade mal 25.

Sollten sie jetzt weitermachen wie bisher, wäre das für sie das Aus, warnte Nigel Farage: „Wenn wir die EU nicht am 31. Oktober verlassen, werden die Zahlen, die wir heute für die Brexit Party gesehen haben, in einer Parlamentswahl wiederholt“, erklärte er.

Nur eine eindeutige Position wird honoriert. Die Konservativen und Labour sind das Gegenteil von eindeutig

So stärkt das Wahlergebnis die Stimmen, die auf einen Brexit Ende Oktober drängen, ohne weitere Verschiebung – also notfalls ohne Deal mit der EU. Am Wochenende hatte Boris Johnson, Favorit im Rennen um die Führung der Konservativen, noch mit einer Bemerkung in diesem Sinne heftige Kritik eingefahren. Viele Kommentatoren warnten, dass ein Premier Johnson, der einen No-Deal-Brexit betreibt, durch ein aus der eigenen Partei heraus unterstütztes Misstrauensvotum im Parlament gestürzt werden könnte. Jetzt sähe eine solche Reaktion eher aus wie politischer Selbstmord.

In seiner Montagskolumne im Daily Telegraph betonte Boris Johnson erneut, der Brexit müsse endlich vollzogen werden – das sei die Bedingung für Glaubwürdigkeit in allen anderen Politikbereichen. Die Europawahl sei eine „letzte Warnung“ der Wähler gewesen. „Wenn wir die Wähler zurückgewinnen wollen, müssen wir jetzt beweisen, dass wir das, was wir sagen, auch umsetzen können und wollen.“

Am bizarrsten reagierte Premierministerin Theresa May. Auf Twitter fühlte sie sich bestätigt: Das Ergebnis „zeigt, wie wichtig es ist, einen Brexit-Deal zu erreichen, und ich hoffe wirklich, dass diese Ergebnisse das Parlament dazu bringen, sich zu konzentrieren.“

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