Groko und Klimapolitik: CDU bleibt vage
Die SPD will beim Klimaschutz jetzt aufs Tempo drücken. Die Union dagegen vertagt erst einmal die wichtigen Entscheidungen.
Diesmal, nach der Klausur von Bundesvorstand und Präsidium, sollte das alles offensichtlich anders, vor allem besser laufen. Kramp-Karrenbauer hielt sich eisern an ihr Redemanuskript. Ihre Sprecherin begrenzte die Anzahl der Fragen von vornherein. Und schließlich fielen die Antworten der Vorsitzenden deutlich kürzer aus als am Montag zuvor. Die alles bestimmenden Themen waren natürlich der Plan der CDU, aus der eigenen Krise herauszukommen, verbunden mit der Frage, wie eine Zusammenarbeit mit den strauchelnden Sozialdemokraten inhaltlich überhaupt aussehen könnte.
Zum Thema Grundrente, bei der die SPD darauf besteht, diese ohne Bedürftigkeitsprüfung zuzugestehen, zeigte die CDU-Vorsitzende schon mal keine Bereitschaft, die Parteilinie zu verlassen. „Wir stehen zu dem, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist“, sagte sie. Auf dieser Grundlage, nämlich einer Grundrente mit Bedürftigkeitsprüfung, könne man weiterverhandeln. Wenig später einigten sich bei einem Treffen im 220 Kilometer entfernten Weimar die Unionsfraktionsvorsitzenden von Bund und Ländern auf eine gemeinsame Erklärung. Dort ist von einer „vereinfachten Anspruchs- und Bedürftigkeitsprüfung“ bei der Grundrente die Rede. Es bewegt sich also was, die Union bewegt sich auf die SPD zu. Schließlich werden die Sozialdemokraten noch gebraucht.
In Berlin lag die öffentliche Aufmerksamkeit vor allem auf den Konzepten der CDU für die Klimapolitik innerhalb der Großen Koalition. Die Erwartungen waren durchaus hoch – denn dass bei der Union beim Klima große Defizite bestehen, hat sich inzwischen auch parteiintern herumgesprochen. „Da hat die CDU keine zufriedenstellenden Antworten“, hatte der ehemalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen am Sonntagabend bei Anne Will eingeräumt. „Wir sind da nicht auf der Höhe der Zeit.“
Klimaschutz mit Flugtaxis
Wie groß der Nachholbedarf ist, bewies die Partei auch auf Twitter, wo sie am Sonntag als Beispiele für erfolgreichen Klimaschutz den Kampf gegen den sauren Regen, das Ozonloch und verschmutzte Gewässer aufgeführt hatte – allesamt Themen, die mit dem Klima nicht viel zu tun haben. Das soll sich nun offenbar ändern. Auch die Parteivorsitzende Kramp-Karrenbauer begann ihre Pressekonferenz am Montag mit der Behauptung, die Union habe beim Klimathema „die Botschaft der Wähler verstanden“. Den Beweis dafür blieb sie anschließend allerdings schuldig.
Was Kramp-Karrenbauer verkündete, waren pure Selbstverständlichkeiten: Sie betonte, „dass die CDU zum Klimaschutzabkommen von Paris steht“ – angesichts der Tatsache, dass Deutschland sich dazu völkerrechtsmäßig verpflichtet hat, kein sonderlich großes Zugeständnis. Und sie erklärte, der Parteivorstand habe beschlossen, „dass wir den Kompromiss zum Kohleausstieg unterstützen, wie ihn die Kommission vorgelegt hat“. Weil dieser unter wesentlicher Mitwirkung von CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier und mehrerer CDU-Ministerpräsidenten entstanden ist, ist auch das wenig überraschend – auch wenn einzelne Unionsabgeordnete den Konsens zuletzt öffentlich in Frage gestellt hatten.
Norbert Röttgen (CDU) zum Thema Klimaschutz
Alle weitergehenden Fragen zum Klimaschutz wurden bei der Vorstandsklausur vertagt. Ein Konzept zur „Zukunft der Mobilität“ soll nun erst am 24. Juni beschlossen werden. Zum Thema CO2-Bepreisung sollen „bis zum Herbst“ Vorschläge vorgelegt werden, kündigte Kramp-Karrenbauer an. Ein Entwurf einer Beschlussvorlage, der von den Vorstandsmitgliedern Thomas Strobl und Bernd Althusmann erarbeitet worden war und aus dem das Handelsblatt zitiert hatte, hatte im Vorfeld der Klausurtagung für viel Spott gesorgt. Denn während Vorschläge wie eine CO2-Steuer oder kostenloser Nahverkehr darin abgelehnt werden, soll die Einführung von „Flugtaxis bis spätestens 2025“ ermöglicht werden. Wie diese energieaufwendige Fortbewegungsform dem Klima nützen soll, bleibt dabei das Geheimnis der CDU.
Die SPD nimmt zur Kenntnis, dass es so nicht geht
Im Regierungshandeln schlägt sich der angebliche neue Kurs beim Klima derweil noch nicht nieder. Das Klimaschutzgesetz, mit dem SPD-Umweltministerin Svenja Schulze die Ziele für die einzelnen Sektoren verbindlich festschreiben will, wird von der Union blockiert. Nachdem das Kanzleramt letzte Woche verhindert hatte, dass die Ressortabstimmung darüber beginnt, verbot es dem Umweltministerium später sogar, den fertigen Gesetzentwurf auf der Webseite des Ministeriums zu veröffentlichen.
Streikende SchülerInnen oder unzufriedene YouTuberInnen dürfte die Union auf diese Weise kaum zurückgewinnen. Und auch der Koalitionspartner will eine solche Blockade- und Verzögerungspolitik in Zukunft nicht mehr hinnehmen.
Denn auch die SPD hat zur Kenntnis genommen, dass Umfragen zufolge 85 Prozent der Deutschen meinen, die Regierung tue nicht genug für den Umwelt- und Klimaschutz. Und während bisher Teile der Partei mit Rücksicht etwa auf die Kohlekumpel beim Klimaschutz eher auf der Bremse standen, will die SPD nun offenbar geschlossen den Antreiber in der Koalition geben.
SPD-Vize Olaf Scholz zum Klimaschutzgesetz
Parteivize Olaf Scholz, der bisher nicht zu den größten klimapolitischen Vorkämpfern gehörte, zeigte sich hierzu am Sonntagabend bei Anne Will jedenfalls entschlossen. Alle wichtigen klimapolitischen Entscheidungen würden bis Herbst fallen, sagte er zu. „Ich verspreche es fest.“ Und fügte hinzu: „Ohne diese Beschlüsse wird es auch nicht gehen.“
Faktisch erklärt SPD-Vize Scholz schnelle Fortschritte beim Klimaschutz damit zu einer Bedingung für den Fortbestand der Großen Koalition. Und weil viele in der SPD diese lieber heute als morgen verlassen würden, ist diese Drohung durchaus ernst zu nehmen.
Frohsinnsrhethorik von Merkel
Entsprechend unruhig ist die Unionsspitze in Bezug auf den Fortbestand der Koalition. Die Umfragen sind momentan einfach zu schlecht – und für die Grünen viel zu gut –, um einfach auf Neuwahlen zu setzen und zu hoffen, dass dabei schon etwas Gutes für das Land herauskommen würde.
Im Adenauer-Haus waren aber auch selbstkritische Töne zu vernehmen. Annegret Kramp-Karrenbauer, deren Fähigkeit zur Kanzlerin mittlerweile auch parteiintern in Zweifel gezogen wurde, nannte selbst die Gründe hierfür. Sie sei „mit Mut und Veränderungsbereitschaft“ in ihr Amt als Parteivorsitzende gegangen, sagte sie. Sie habe dann aber in den zurückliegenden Monaten „nicht so konsequent umgesetzt, wie ich es hätte tun sollen“. Vielleicht habe sie „zu viele Rücksichten genommen“. Das werde sie nun ändern. Was dies für die Partei und ihre Organisation konkret bedeuten wird, darauf darf man gespannt sein. Allzu viel Zeit und Geduld wird ihr von ihren Kritikern nicht mehr zugestanden.
In Weimar trat ihr ihre Vorgängerin im Amt zur Seite. Zum Abschluss der Konferenz der Unionsfraktionsvorsitzenden äußerte sich am Montagnachmittag Angela Merkel. „Wir müssen mit ein bisschen Freude die Sache ernst nehmen“, sagte sie in der ihr eigenen Art. Angesichts der Krise der Regierungskoalition, der sie vorsteht, erinnert derlei Frohsinnsrhetorik an alte Zeiten, da Merkel noch stets den Eindruck zu vermitteln verstand, sie habe jede Lage im Griff.
Ihre Fraktionschefs, denen sie die Aufwartung machte, sehen das etwas unentspannter. Im Herbst wird in drei ostdeutschen Bundesländern gewählt. Die AfD ist der CDU dicht auf den Fersen. Themen wie Rente, Soli und Klimapolitik haben in Ostdeutschland – etwa in der Braunkohleregion von Brandenburg und Sachsen – eine deutlich höhere Dringlichkeit. In ihrer Abschlusserklärung schreiben die CDU-Politiker, Glaubwürdigkeit heiße, „dass das erzielte Ergebnis der Kommission, Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung' vollständig umgesetzt wird“. Vertrauen in den Staat wurzele „in der Fähigkeit seiner Institutionen, in geordneten Verfahren Entscheidungen herbeizuführen und umzusetzen.“ Quasi ein Evergreen bürgerlich-konservativer Politik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“