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Grippewelle setzt Kleinkindern zuRichtig rotziges Virus

Eine Grippewelle grassiert, und besonders Kinder erkanken schwer. Bei Charité und Vivantes sind die Kinderkliniken voll.

Gesundheit!, kann man da nur wünschen Foto: picture alliance / Nicolas Armer/dpa | Nicolas Arme

Berlin taz | Die Grundschule des Sohnes schickt eine Art Emergency Call über den großen Elternverteiler: „Wir bitten Sie, die Krankmeldung Ihres Kindes ausschließlich per E-Mail vorzunehmen.“ Man müsse den Überblick bewahren. Bloß nicht mehr anrufen morgens! Vorweihnachtliche Grüße, die Schulleitung.

Eine Grippewelle grassiert in Berlin wie im Rest der Republik. Ex­per­t*in­nen warnten bereits vor etwa vier Wochen, dass die Zahl der Infektionen wieder viel höher als in den vergangenen Jahren ausfallen dürfte – weil Abstandsgebote und Maskenpflicht weitgehend abgeschafft sind.

Im wöchentlichen Lagebericht des Robert-Koch-Instituts heißt es sogar, „die Werte liegen aktuell über dem Niveau der vorpandemischen Jahre“. Insbesondere das RS-Virus, kurz für Respiratorisches Synzytialvirus (Husten, Bronchitis, Mittelohrentzündung), sorge für schwere Verläufe bei Kleinkindern. In der Altersgruppe der 0- bis 4-Jährigen sei das Virus bei 58 Prozent der Kinder nachgewiesen worden, die wegen eines schweren Atemwegsinfekts in eine Klinik mussten.

Die älteren Schulkinder hingegen kämpfen laut RKI vor allem gegen Influenzaviren (Fieber, Kopfschmerzen, Husten). Und bei den stationär aufgenommenen Erwachsenen liegen Corona- und Influenza-Fälle inzwischen fast gleichauf.

Der Berliner Kinderarzt Jakob Maske, der auch Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte ist, sagt: „Das ist der Wahnsinn.“ Normalerweise kämen rund 100 Pa­ti­en­t*in­nen täglich mit Grippesymptomen, jetzt seien es 160. Viele hätten derzeit einige Infekte hintereinander – auch, weil das Immunsystem nach den Maskenjahren nicht mehr so abgehärtet sei.

Verlegung nach Brandenburg

Sorge machen den Kliniken explizit die Kleinkinder: Im Vivantes-Klinikum Neukölln seien die in den vergangenen Tagen stationär aufgenommenen Kinder „fast ausschließlich Säuglinge unter drei Monaten“ gewesen, teilt ein Sprecher mit. Die Kliniken seien „ausgelastet“, die Rettungsstellen „stark frequentiert“. Vereinzelt müsse mangels freier Betten auch nach Brandenburg verlegt werden.

In den Kinderkliniken der Charité ist die Lage laut einer Sprecherin ähnlich – Verlegungen seien zudem „aufgrund der allgemein angespannten Situation oftmals schwierig“. OPs würden bereits verschoben.

Das eigene Kind macht derweil mit 39 Grad Fieber, von unruhigen Träumen geplagt, zum ersten Mal seit seinem ersten Geburtstag einen Vormittagsschlaf. Ich hoffe, es schläft sich ganz alleine gesund.

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10 Kommentare

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  • Sehr geehrte Mitredende,

    da mein Kind das Glück hat, Eltern in sogenannten systemrelevanten Berufen zu haben ( beide Krankenhaus mit täglichem Coronakontakt) durfte es immer zur Kita und mit unmaskierten Erzieher*innen und Kindern spielen.



    Also war es permanent allen Keimen und Viren ausgesetzt,die das Jahr so zu bieten hat.



    Ja wir haben das Kind gegen Corona impfen lassen und es ist glücklicherweise bis jetzt auch ohne diesen Infekt durch die letzten Jahre gekommen.

    Trotz all dieser Fakten ist das Kind nur schon zum 3. Mal seit Mitte Oktober mit Husten, Schnupfen und Fieber Zuhause.

    Ach wir Eltern wechseln uns permanent mit sehr hartnäckigen Symptomen ab( trotz getrennter Haushalte).

    Zudem tragen wir Erwachsenen noch brav unsere FFP 2 Masken wo verlangt und teilweise auch über die Pflicht hinaus.

    Die Keime und Viren sind aggressiver und das Gesundheitssystem desolat.

    Bitter,dass die Entscheider über Maßnahmen und Verteilung monetärer Zuwendungen so fernab der harten Realität in Krankenhaus und Bildungseinrichtungen leben.

    Bitte bilden Sie sich keine Meinung aufgrund von Facebook, Twitter, Telegramm oder sonst einem Medium das nur polarisieren will.

    Fragt doch die Menschen,die tagtäglich hautnah mit all diesen Menschenleben arbeiten.







    Personal bricht nicht nur weg, weil es nicht genug Coronazulage bekommt, sondern weil es tatsächlich auch gewagt hat Kinder in die Welt zu setzen.

    Die Kapizitäten der Krankenhäuser schrumpft das ist Fakt.

    Wo niemand Menschen adäquat betreuen kann gibt's auch ( zum Glück) kein Bett in das man Kranke legen kann.

  • Der Vergleich mit "den letzten Jahren" hinkt dann doch arg. Wie sind denn die Zahlen im Vergleich zu 2018 und früher einzuordnen? Und bei der Verquickung von Maskenpflicht und mangelhaft ausgebildetem Immunsystem darf man nicht vergessen, dass Kleinkinder keine Masken tragen mussten...und die frisch geborenen Säuglinge in den letzten Jahren gar nicht da waren.



    Ist das eine statistisch relevante Häufung von Fällen über die Jahrzehnte oder ist das im mittleren Bereich der Gauss-Kurve und zeigt nur den schlechten Zustand des Systems, bei dem viel von den wenig COVID-vulnerablen Kindern zu den älteren Umgelagert wurde, z.B. im Bereich Personal und Bettenkapazität.



    Auffällig ist auch, dass die einen von katastrophalen Zuständen sprechen, während andere vermelden, dass keine Kapazitätsprobleme bestehen. Hier wäre Recherche wichtig, wie es denn wirklich aussieht, um ggf. Ausreißermeinungen, die vielleicht eine gewisse Agenda haben, zu enttarnen. Warum war z.B. die Verlegung von Hannover nach Magdeburg so schwierig, haben 21 Kliniken abgelehnt, aber das Kinder-UKE in Hamburg vermeldet viel Platz und alles OK. Hannover-Hamburg hätte sich eher angeboten als Magdeburg.



    Ich glaube, hier fehlen noch viele Informationen. Die Erkrankung selbst hingegen kann für Kleinkinder tatsächlich gefährlich werden, weshalb Warnungen angebracht sind. Panikmache aber nicht. Hier kommen dann Journalisten ins Spiel...im Gegensatz zu solchen, die nur Texte aggregieren, ohne sie zu bewerten.

    • @Hefra1957:

      Natürlich gab es auch vor 2020 schon rsv- Wellen, aber selten so früh im Herbst und so heftig. Lokale Unterschiede sind bei Infektwellen immer zu finden, war ja auch bei corona so. Doch zur Zeit ist es fast in ganz Deutschland hart.



      Und die eigentlich harten Infektmonate stehen uns noch bevor.

  • Und die Kinderheilkunde wird kaputtgespart. Schließung von Kinderkliniken, Abschaffen der Kinderkrankenpflegeausbildung, weil man Altenpflege priorisiert, Verlagerung von sozialen Problemen in die Arztpraxis (Erziehung, Sprache, etc.), Kinderärzte am unteren Ende der ärztlichen Einkommensskala, Bürokratie, dabei immer anspruchsvollere (Flatratementalität) und verunsicherte (("Dr. Google") Eltern..... und da wundert man sich, dass junge Ärzte einen der schönsten Berufe der Welt nicht mehr ausüben wollen.

  • War zu erwarten nachdem das Immunsystem mehr als ein Jahr so gut wie komplett nichts zu tun hatte. Da sind die Abwehrkräfte halt im Keller und müssen erst wieder neu entstehen (durch Erkrankungen und Kontakt mit Krankheitserregern).



    Ohne Covid verhamlosen zu wollen aber so muss ich doch feststellen, dass wir unsere Kinder in dieser Krise echt mies behandelt haben. Bildung und sozialer Kontakt wurden unterbunden, weil es die Erwachsenen nicht geschafft haben sich an einfachste Maßnahmen zu halten. Und als Krönung bekommen die Kinder diesen Winter die im letzten Jahr versäumten Erkrankungen bei einem nur noch rudimentär vorhandenen Immunschutz.

    • @FalscherProphet:

      Die Argumentation ist irreführend, da die stark betroffene Gruppe zur Maskenzeit entweder noch gar nicht geboren war oder keine tragen musste. Der Hinweis im Artikel ist daher wissenschaftlich gar nicht halt- und belegbar.

      • @Hefra1957:

        Sie ziehen leider falsche Schlüsse. Allein die Tatsache, dass Kleinkinder nie Maske tragen mussten ist nicht ausschlaggebend. Die Maske ist nur ein relativ kleiner Faktor.

        Viel ausschlaggebender war die (noch lange nachhaltende) Auswirkung durch die Kontaktbeschränkungen. Die betrifft auch gar nicht nur Personen, die ihre Kontakte tatsächlich beschränkt haben, sondern auch diejenigen die sich nicht beschränkt haben, einfach, weil insgesamt die Zahl der zwischenmenschlichen Kontakte reduziert war, gerade im öffentlichen Raum.

        Hinzu kommt, dass - allen Versprechungen zum Trotz - , keinerlei Anstrengungen unternommen wurden, die Arbeitssituation an den Kliniken zu verbessern. Durch COVID-Überlastung ausgebranntes Personal, was anschließend noch durch (immer noch anhaltende!) Testpflichten konsequent in die Überlastung getrieben wird.



        Es ist also eine Kombination aus COVID-Rebound und kaputtgespartem Gesundheitswesen. Desinteresse an der Arbeitsrealität in deutschen Kliniken.

  • Maßnahmen überflüssig, es sind hauptsächlich nur diese nervigen kleinen äh-Menschen, sogenannte "Kinder" betroffen. Falls es für Rentner noch mal gefährlich werden sollte, dann wird ein Schuh draus, warum jetzt diese irrelevante Meldung?

  • Irgendwie befreiend mal wieder von einer anderen Krankheit ausser Corona etwas zu lesen

    • @PartyChampignons:

      Ihren Kommentar finde ich nicht besonders mitfühlend mit Kindern und Eltern. Wer schon mal einen schwer atmenden, fiebrigen Säugling auf dem Arm hatte, weiß, wie belastend das ist und was man sich für Sorgen macht. Wenn nicht genug Sauerstoff im Blut ist, muss Sauerstoff zugeführt werden und das geht am besten in der Klinik. Da gibts auch spezielle Inhaliergeräte usw.

      Liebe Autorin, Ihrem Kind gute Besserung!