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Griechisches Parlament über SparpläneEs ist ein „Ja“

Das Parlament in Athen stimmt für die Sparpläne von Regierungschef Tsipras. Auch die Geldgeber sind positiv gestimmt. Nun muss die Eurogruppe ran.

Hat eine Mehrheit erhalten, aber nicht von allen Abgeordneten der Syriza-Partei: Alexis Tsipras am Freitagabend im Parlament Foto: reuters

Athen/Brüssel dpa/rtr/ap | Das griechische Parlament hat am frühen Samstagmorgen der Regierung die Vollmacht erteilt, über weitere Spar- und Reformmaßnahmen mit den Gläubigern zu verhandeln und eine Einigung zu unterzeichnen. Positive Signale kommen auch aus Brüssel.

EU-Kommission, Internationaler Währungsfonds (IWF) und Europäische Zentralbank (EZB) sind im Grundsatz mit den Plänen zufrieden, wie am frühen Samstagmorgen aus Brüsseler EU-Kreisen verlautete. Die Gruppe der Euro-Finanzminister hat die Einschätzung der Gläubiger-Institutionen EU-Kommission, EZB und IWF zum Hilfsantrag und den Reformvorschlägen Griechenlands erhalten. Das sagt ein Sprecher der Eurogruppe am Samstag.

Wie das Parlamentspräsidium in Athen mitteilte, stimmten 251 Abgeordnete mit „Ja“. 32 Parlamentarier stimmten dagegen. Acht enthielten sich der Stimme. Die meisten Oppositionsparteien hatten ihre Zustimmung schon im Vorfeld angekündigt.

Allerdings standen nicht alle Parlamentarier der Regierungskoalition hinter Alexis Tsipras. Sieben Abgeordnete der Linkspartei Syriza und zwei andere Parlamentarier waren abwesend. Zwei stimmten dagegen und acht enthielten sich der Stimme. Unter ihnen war auch der Anführer des Linksflügels der Syriza-Regierungspartei, der Energieminister Panagiotis Lafazanis. “Ich stütze die Regierung...aber nicht die Sparprogramme, die zur Fortsetzung der Armut führen“, erklärte Lafazanis. Der linke Flügel der Partei Tsipras‘ lehnt die Spar- und Reformvorschläge ab.

Abweichler bei Syriza

Weitere 15 Abgeordnete der Linkspartei ließen am frühen Samstagmorgen an die Presse durchsickern, sie hätten nur „schweren Herzens „Ja“ gestimmt“, weil sie den Ministerpräsidenten angesichts der Verhandlungen in Brüssel mit den Gläubigern nicht schwächen wollten.

Insider und Analysten erklärten, dass Tsipras sich bald mit dem Problem der Abweichler beschäftigen müsse. Entweder werde er versuchen, weitere Koalitionspartner zu finden oder er könnte vorgezogene Neuwahlen ausrufen.

Tsipras warb während der Debatte bei den Abgeordneten eindringlich um eine Vollmacht für den Abschluss einer Vereinbarung mit den Gläubigern. Er habe in den vergangenen sechs Monaten „alles Menschenmögliche getan“, um das Land ohne weitere harte Sparmaßnahmen aus der Krise zu führen, sagte Tsipras. Bei einer Ablehnung des Sparprogrammes drohe „ein Minenfeld“. Das wolle er dem Volk nicht verheimlichen. „Ja, wir haben Fehler gemacht“, fügte Tsipras hinzu. Nun stehe das Land vor dem Abgrund der Pleite.

„Einen Grexit abwenden“

Tsipras sagte weiter, extrem konservative Kreise in Europa wollten, dass Griechenland scheitere. “Wir haben beschlossen, einen „Grexit“ abzuwenden“. Das Sparprogramm sei hart und nicht im Einklang mit den Wahlversprechen seiner Partei. Athen habe aber keine andere Wahl, als es zu akzeptieren. Tsipras forderte seine Partei und alle anderen Abgeordneten auf, ihm und seiner Regierung die nötige Vollmacht zu geben, das Sparprogramm mit den Gläubigern abzuschließen.

Aus Brüssel hieß es am frühen Samstagmorgen, im Gespräch sei ein Rettungspaket mit einem Umfang von rund 74 Milliarden Euro, wobei der IWF eingebunden sei. Griechenland hatte im Schuldenstreit nach einer monatelangen Hängepartie ein Spar- und Reformpaket vorgelegt. Neben einer Heraufsetzung des Rentenalters auf 67 Jahre, umfassende Mehrwertsteuererhöhungen verpflichtet sich Athen darin unter anderem zu einer Abkehr von Steuervergünstigungen auf Touristeninseln.

Die drei Geldgeber-Institutionen hatten die Vorschläge geprüft. Nun muss die Eurogruppe am Nachmittag (15 Uhr) bei einem Krisentreffen beurteilen, ob sie die Pläne für ausreichend hält. Bei einer positiven Beurteilung kann der Weg für Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm geebnet werden. Bei einer Ablehnung droht dem Land der Austritt aus dem Eurogebiet.

Eine Person aus dem Umfeld der Finanzminister sagte, es sei „zu 100 Prozent sicher“, dass sich die Eurogruppe für Verhandlungen über weitere Milliarden-Zahlungen aussprechen werde. Thema der Gespräche werde auch eine Brückenfinanzierung für die Zeit sein, solange das Hilfspaket noch nicht unter Dach und Fach sei.

Am Sonntag kommen die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Mitgliedstaaten zu einem Sondergipfel zusammen. Mehrere Parlamente der Eurozone – darunter der Deutsche Bundestag – müssten ihre Zustimmung zu dem Paket geben. In vielen Punkten entspricht das Athener Schreiben den letzten Forderungen der Gläubiger. Die blockierten Milliardenhilfen für Athen aus dem am 30. Juni ausgelaufenen zweiten Hilfspakt wurden damals nicht freigegeben, weil Athen die Verhandlungen abgebrochen hatte.

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12 Kommentare

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  • "In vielen Punkten entspricht das Athener Schreiben den letzten Forderungen der Gläubiger."

     

    Es wäre hilfreich, wenn das konkrete Angebot der griechischen Regierung mal veröffentlicht würde. Dann könnte man es selbst mit den "letzten" Forderungen vergleichen, die die Gläubiger am 26.05. mit dem Hinweis vorgelegt haben, dass darüber nicht mehr verhandelt wird. Vergleiche mit den Nebelkerzen, die in der "Wahlkampfwoche" vor dem Referendum gezündet wurden, bringen ja nichts. Außerdem liegt der Hauptstreitpunkt eben nicht bei irgendwelchen Steuerprozenten ect., sondern bei der Frage "Schuldenerlass Ja/Nein". Auf diesem Feld wird alles entschieden.

     

    Mal sehen, ob sich die Mutti dem Druck beugt. Sie hat sich ja in den letzten Monaten in eine Situation manövriert, in der sie entweder Washington oder ihre Partei schwer verärgern muss.

  • Glücklicherweise ist Papier sehr geduldig, das wissen auch die SYRIZA-Abgeordneten.

  • Außenpolitisch könnte Tsipras zwar Erfolg haben, denn immer deutlicher wird die Spaltung zwischen Frankreich samt den EU-Südländern und Deutschland mit seinen Vasallen im Norden und Osten. Der in Berlin und anderswo gewünschte Sturz der Zyriza Regierung scheint nicht zu gelingen. Andererseits verschärft sich in Athen die Situation für Tsipras. "Warum habe wir letzten Sonntag mit OXI gestimmt?" fragen die Menschen. Jetzt setzt eine faktisch große Koalition aus Mehrheits-Zyriza, Nea Demokratia, Pasok und To Potami die Sparpolitik Schäubles und CO doch durch. Zyriza droht der Zerfall, die Faschisten von Chrysi Avghi und die ultraorthodoxen Nationalisten um Kamenos werden stärker. Irgendwie erinnert das an eine klassische Tragödie, in der der Held von Anfang an zum Untergang verurteilt ist. Im Europaparlament empfahl letzte Woche ein Vertreter von Chrysi Avghi den Griechen eine erneute Militärdiktatur als Lösung...

  • Ich finde es absolut unerhört, dass einer der Hauptprotagonisten sich einfach in den Urlaub verabschiedet und nicht seine Pflicht als Abgeordneter erfüllt und über die Probleme im Parlament diskutiert, die er verursacht hat. Genau daran leidet Griechenland und wird es weiterhin leiden.

    http://www.focus.de/politik/videos/waehrend-europa-zittert-varoufakis-macht-urlaub-dort-kommt-es-zum-eklat_id_4809513.html

    • @Helge Schneider:

      Lesen Sie sich den Kommentar von Dagmar Kohlrausch zum verlinkten Artikel durch !

      • @lions:

        Hallo,

         

        der Kommentar hilft mir da gar nicht weiter. Wir reden hier im Parlament nicht von irgendeiner Abstimmung. Sie dürfen davon ausgehen, dass bei den wichtigen Abstimmungen im Parlament die Mehrheit der Parlamentarier anwesend ist, diese ja sogar aus dem Sommerurlaube geholt werden. Wenn es also im Parlament zu einer Abstimmung über die Aufnahme der Verhandlungen zu einem dritten Hilfspaket kommt, werden Sie ein volles Haus sehen.

        In Griechenland geht es um eine historische Abstimmung und der Mann, der Sie mit zu verantworten hat, ist nicht anwesend. Hat dieser Varoufakis nicht immer wieder die Werte der Demokratie so hoch gehalten? Wie oft hat er betont, dass das Referendum ein Sieg der Demokratie war? Er tritt die Demokratie gerade mit den Füssen. Er sollte sich schämen!

        • @Helge Schneider:

          Hamse ja doch nicht durchgelesen oder nicht verstanden. " Er sollte sich schämen" hätte ich gerne von Ihnen des Öfteren bei parlament. Abstimmungen allenortens mit geringer Beteiligung zukünftig gehört. Die Aufregung kommt m.E daher, dass eine relative Hassfigur von der Bühne getreten ist, die sich offenbar in ihrem Sinn gescheitert sieht und die große Mehrheit nur noch gewähren lässt.

          Der das ganze Debakel zu verantworten hat, ist wohl nicht Herr Varoufakis, sondern die griechischen Regierungen vor seiner.

          Einfach zu moralinsauer, Ihre Schreibe !

          • @lions:

            ganz ehrlich, kann hier mal auf Argumente eingegangen werden, anstatt sich nur immer superschlau darzustellen, aber letztendlich doch nix zu sagen?

  • "Der linke Flügel der Partei Tsipras‘ lehnt die Spar- und Reformvorschläge ab."

     

    Wie übrigens auch Yanis Varoufakis, der wohl wegen der 180 Grad Wende von Tsipras zurückgetreten ist.

     

    Hier siehr man sehr schön den Unterschied zwischen einem Experten mit einem Standpunkt und einer Überzeugung - und - einem Politiker der sich versucht mit allen Mitteln im Sattel zu halten. Koste es die Griechen und die anderen europäischen Staaten was es wolle.

    • @Grisch:

      Was erzählen Sie hier für Lügen. Varoufakis hat eindeutig gesagt, er würde mit Ja stimmen!!!

  • "In vielen Punkten entspricht das Athener Schreiben den letzten Forderungen der Gläubiger."

     

    Nur ,dass Tsipras dafür jetzt deutlich mehr Geld haben will als vor der Volksabstimmung, ob Litauen das akzeptieren wird???

  • So sieht griechischer Steueralltag nach Angaben des ehmaligen Staatssekretärs des Finanzministeriums Diomidis Spinelli aus:

    "Gerade für Geschäftsleute gilt oft die "20:40:40-Regel": Von der Steuerschuld gehen 40 Prozent als Bestechungsgeld an den Finanzbeamten, der die Steuerzahlung um 40 Prozent nach unten rechnet, sodass 20 Prozent für die Staatskasse bleiben."

     

    Jeder, der dieses System angreift, wird kaltgestellt, doch Rente mit 67.....muss erst mal sein.