Griechen und Türken im Erdgas-Streit: Athen droht mit der Marine
Die Türkei plant Erdgas-Bohrungen in einer mit Libyen vereinbarten Wirtschaftszone im Mittelmeer. Griechenland droht sich militärisch zu wehren.
ISTANBUL taz | Zwischen den Nato-Verbündeten Griechenland und Türkei droht ein bewaffneter Konflikt. „Wir werden es nicht hinnehmen, wenn die Türkei unsere Rechte verletzt“, sagt Angelos Syrigos, Abgeordneter der griechischen Regierungspartei Nea Democratia, „unsere Marine ist in Alarmzustand versetzt“.
Auf der anderen Seite macht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Stimmung: „Es ist ein Skandal, wie die griechische Regierung sich verhält“, sagte Erdoğan am Samstag vor Abgeordneten seiner Partei AKP.
Grund für die Aufregung ist der Streit um Förderrechte bei Gas- und Ölvorkommen im östlichen Mittelmeer. Seit Jahren sind große Gasvorkommen rund um Zypern, südöstlich von Kreta sowie vor der israelischen und der ägyptischen Küste bekannt. Unter Ausschluss der Türkei haben sich Griechenland, Zypern, Israel und Ägypten zusammengetan, um diese Gasvorkommen auszubeuten und das Gas in komprimierter Form nach Europa zu verkaufen.
Seit langem fordert die Türkei einen Anteil am Gas im östlichen Mittelmeer. Gegen den Protest der griechisch-zypriotischen Regierung hat Ankara bereits mehrmals Spezialschiffe für Suchbohrungen in Richtung Zypern geschickt, weil auch der türkische nordzypriotische Teil der Insel in die Pläne der griechisch-zypriotischen Regierung nicht eingeschlossen ist.
Wirtschaftszone mit Libyen
Jetzt hat die Erdoğan-Regierung einen echten Coup gelandet und mit der schwachen, aber international anerkannten libyschen Regierung in Tripolis eine gemeinsame „exklusive Wirtschaftszone“ quer über das Mittelmeer ausgehandelt. Sie erstreckt sich zwischen Kreta im Westen, Zypern im Osten, der türkischen Küsten im Norden und der libyschen Küste im Südwesten.
Erdoğan will so die Isolation der Türkei im Mittelmeer durchbrechen und vor allem den griechischen Plänen einen Riegel vorschieben, die das Gebiet zwischen Zypern und Kreta für sich beansprucht.
Der Ende November geschlossene Vertrag sorgt in Athen für Empörung. Der neue konservative Regierungschef Kyriakos Mitsotakis fordert die Solidarität der EU und der Nato gegen den „illegalen Vertrag“. Doch beide zeigen wenig Neigung sich einzumischen.
Zwar hat die EU wegen der Bohrungen rund um Zypern, die sie als illegal betrachtet, zaghafte Sanktionen gegen die Türkei beschlossen. Zu dem neuen türkisch-libyschen Vertrag hat sie bislang aber nicht Stellung bezogen. Auch die Nato wollte das Thema bei ihrem Treffen Anfang vergangener Woche in London nicht aufgreifen, so dass sich Mitsotakis am Ende allein zu einem Treffen mit Erdoğan einfand, der ihn aber kühl abblitzen lies.
Kaum zurück in Griechenland nahm sich Mitsotakis den vermeintlich schwächeren Gegner vor und kündigte die Ausweisung des libyschen Botschafters aus Athen an. Der Mann habe drei Tage Zeit auszureisen, sagte der griechische Außenminister Nikos Dendias am Freitag. Libyen habe sich geweigert, der griechischen Regierung die Details des Vertrages mitzuteilen.
Erdoğan kritisierte die Ausweisung scharf und kündigte an, sobald der Ratifikationsprozess des Vertrages abgeschlossen sei, werde man mit den Bohrungen in der Zone beginnen. Das werde Griechenland notfalls militärisch verhindern, sagte der Abgeordnete Syrigos vergangene Woche gegenüber dem TV-Sender Al Jazeera.
Erinnerungen an die achtziger Jahre
Während der Streit in der türkischen Öffentlichkeit noch ein Thema unter vielen ist, beherrscht er in Griechenland die Medien. Erinnerungen an die achtziger Jahre werden beschworen, als es im Streit um die Hoheitsgebiete in der Ägäis schon einmal fast zu einem offenen Krieg zwischen Griechenland und der Türkei gekommen wäre.
„Wir bereiten uns auf alle Eventualitäten vor“, sagte Verteidigungsminister Nikos Panayotopoulos dem griechischen TV-Sender Skai News letzte Woche. „Wir warten nicht darauf, dass uns jemand zur Hilfe kommt. Was wir machen, machen wir allein.“
Ob die vereinbarte „exklusive Wirtschaftszone“ nach internationalem Seerecht zulässig ist oder nicht, ist umstritten, weil sich im östlichen Mittelmeer die Einflusszonen der Anrainerstaaten überlappen. Im konkreten Fall geht es vor allem um die Frage, ob den griechischen Inseln Kreta, Rhodos und Karpathos ein eigener sogenannter Festlandssockel zusteht oder nur eine 12 Meilen umfassende Hoheitszone.
Zypern hat angekündigt, die Sache vor den internationalen Gerichtshof in Den Haag zu bringen. Zuständig wäre aber wohl eher der internationale Seegerichtshof in Hamburg.
Leser*innenkommentare
Azad
Wenn die Türken jetzt Griechenland besetzten was wird dann die deutsche Regierung sagen?
Wir sind nicht erfreut?
Beim Einmarsch in Griechenland wurden unsere Absatzmärkte gefährdet und im Gegenzug übernimmt die Türkei die Waren und erzählt was von die Griechen haben es eigentlich verdient?
Die Türkei ist an zu vielen Fronten im Krieg und kann es auch durch Katar leisten.
Berhard Bendler
@Azad Offensichtlich braucht Erdogan eine neue Ablenkung bzw. hört auf die Einflüsterungen seines Nazikoalitionspartners. Leider sind die griechisch russichen Beziehungen aktuell nicht gut. Denn die Türkei braucht dringend einen echten Dämpfer ihres selbstverliebten Expansionismus.
Azad
@Berhard Bendler Es geht leider immer noch um Menschenleben sonst wäre das alles ein schlechter Witz.
Solange die MHP verfassungsrechtlich nicht verfolgt wird, auch wenn sie offen zu ihren Einstellungen steht, kann ich sie nicht beim Namen nennen sonst ist es Verleumdung ;o).
Sven Günther
Genug Material hat die BRD der griechischen Marine ja verkauft, auch als die eigentliche zahlungsunfähig waren.
derSchreiber
@Sven Günther War das nicht in einem der Hilfskredite mit verpackt? Deutschland gibt Geld, aber damit wird ein deutsches U-Boot bezahlt?
Sven Günther
@derSchreiber Bösartige Unterstellung ;-)
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Wie sagte es Donald so treffend, there wasno quid pro quo.
06438 (Profil gelöscht)
Gast
Nach den Regelungen der Vereinten Nationen steht in der Zone Zyperns den Zyprioten das alleinige Recht zu, Bodenschätze auszubeuten. Die Türkei erkennt das nicht an – und hat nach einem ersten Schiff noch zwei weitere Schiffe losgeschickt: Das Bohrschiff „Yavuz“ liegt vor der Ostküste Zyperns und ein seismologisches Forschungsschiff positioniert sich im Süden der Insel.
Regelungen der Vereinten Nationen? Interessiert niemanden nach den Ereignissen auf der Krim 2014 und nach dem Einmarsch der Türken, Russen und der Iraner in Syrien.
In der Mittelmeerregion liegen 3,5 Billionen Kubikmeter Erdgas. Im internationalen Vergleich ist das nicht viel: Die nachgewiesenen Reserven der USA sind drei Mal so hoch, und die Reserven Russlands betragen das Zehnfache.
Erdogan hat das östliche Mittelmeer zur strategisch wichtigen Zone erklärt wobei sich der Verdacht aufdrängt das der türkische Diktator dem Möchtegern Zar Putin folgt, indem er Libyen - wie Putin - zum Objekt seiner Begierde macht.
Mit Ägypten, Griechenland, Israel, Italien, Jordanien, Palästina und Zypern gründeten sieben Akteure im Januar ein gemeinsames „Gasforum Ost-Mittelmeer“ mit Sitz in Kairo. Worum geht es?
Es geht um das Geschäft mit der Versorgung Europas mit Erdgas. Das das ""Gasforum Ost-Mittelmeer"" davon profitierten würde - dagegen wäre nichts einzuwenden. Das Putin auch in diesem Punkt als momentaner Hauptenergieversorger (liefert mehr als 1/3 der benötigten Energie in die Bundesrepublik) - vermittelt über die Türkei mitreden möchte, versteht sich von selbst.
""Erdogan goes Putin"" - nicht nur in Nordsyrien. Im Zentrum des Konflikts steht nicht die Geopolitik von Mittelmeer - Anrainerstaaten, - sondern Dreh - und Angelpunkt dieses Konfliktes ist Europa selbst.
Es geht um die Unabhängigkeit Europas in der Energieversorgung - die Putin vermittelt über Erdogans Kamikaze - Politik ablehnt.
Denito Schulz
@06438 (Profil gelöscht) Regelungen der Vereinten Nationen? Was genau meinen Sie damit? Vermutlich die SEERECHTSÜBEREINKOMMEN. Die Türkei erkennt das nicht an und auch nicht die USA. Ganz einfach. Nicht alle Länder haben es ratifiziert. Dazu gehören die USA, Türkei und andere Länder!
Mitsos Avra
@Denito Schulz Für Staaten die dem SRÜ aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht beigetreten sind, gilt dennoch, dass sie an Elemente des SRÜ gebunden sind, soweit diese als Völkergewohnheitsrecht universelle Geltung haben.
Nach Art. 38 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs (IGH-Statut) ist das Völkergewohnheitsrecht neben den völkerrechtlichen Verträgen und den „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“ eine der Rechtsquellen des Völkerrechts.
2011 unterzeichnet die Türkei mit der international nicht als Republik anerkannten Regierung Nordzyperns einen Vertrag zur Festlegung der äußeren Grenzen ihrer Festlandsockel.
Im schwarzen Meer hat die Türkei ihre Seegrenzen mit den Nachbarstaaten gem. in Unclos iii definierte Methode der Mittellinie festgelegt.