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„Greenpeace Magazin“ wird eingestelltGreenpeace macht keinen Druck mehr

Weil Abo-Erlöse steigende Kosten nicht mehr decken, stellt Greenpeace nach 30 Jahren sein Magazin ein. Eine neue Zeitschrift könnte aber bald kommen.

Formell hat die Umweltschutzorganisation nichts mit der Greenpeace Media GmbH zu tun: Greenpeace-Zentrale in Hamburg Foto: Maja Hitij/dpa

Göttingen taz | Arno Schelle kann es kaum fassen. „Das Greenpeace Magazin habe ich seit 1987 gelesen und archiviert“, sagt der altgediente Anti-AKW-Aktivist aus Fredelsloh im Landkreis Northeim. Er sei „schockiert“, dass das „einzigartige Umweltmagazin“ eingestellt werden soll. Wie Schelle dürften viele der immerhin rund 53.000 Abonnenten empfunden haben, als sie jetzt vom bevorstehenden Ende des Blattes erfuhren.

„Das Greenpeace Magazin, das es seit über 30 Jahren gibt, wird 2024 eingestellt“, hat Michael Pauli, Chefredakteur des Magazins und Geschäftsführer der von der NGO formell unabhängigen Greenpeace Media GmbH, den Leserinnen und Lesern mitgeteilt. Die im September erscheinende Ausgabe 6/24 werde die letzte des intern so genannten GPM sein.

Auch den Online-Shop, der nach eigenem Bekunden zu 100 Prozent schadstofffrei produzierte Textilien vertreibt, wird Greenpeace Media zum Jahresende schließen. Das Greenpeace Magazin und das Warenhaus aufgeben zu müssen, so Pauli, „macht uns alle sehr traurig“.

Die Geburtsstunde des Greenpeace Magazins schlug im Sommer 1981, kurz nach einer spektakulären Aktion bei der Chemie- und Pestizidfirma Boehringer, als zwei Greenpeace-Aktivisten 26 Stunden lang auf einem Schlot ausharrten. Das Informationsblatt für Förderer des neu gegründeten Vereins Greenpeace e.V., eilends im Do-it-yourself-Verfahren zusammengebastelt, erschien im Format DIN A3 in Schwarzweiß oder vielmehr Schwarzgrau: Reines Weiß gab das damals verfügbare Recyclingpapier nicht her.

Preisgekrönte Gestaltung

Später erschienen die Greenpeace-Nachrichten als Heft im Format A4 und legten an Umfang zu. 1985 wurde das Blatt erstmals in Farbe gedruckt. 1990 bekam es den jetzigen Namen und ein verändertes Konzept. Neben Berichten über Greenpeace-Aktionen und -Kampagnen erschienen nun mehr Artikel außerhalb des Themenspektrums der Umweltschutzorganisation.

1993 war die Geschichte des Greenpeace Magazins als reine Fördererzeitschrift vorbei, Interessierte konnten das sechsmal im Jahr erscheinende Heft nicht nur am Kiosk kaufen, sondern für fünf Mark pro Ausgabe auch abonnieren.

Bei allen Veränderungen gab es aber auch Konstanten: Die anspruchsvolle und mehrfach preisgekrönte Gestaltung – die Zeitschrift wurde zweimal in den vergangenen vier Jahren mit dem Preis „Cover des Jahres Deutschland“ von einer unabhängigen Medienjury ausgezeichnet – sowie der komplette Verzicht auf bezahlte Werbung.

Werbung gibt es nur in verfremdeter Form. Seit 1996 erscheint auf der Rückseite die Rubrik „Keine Anzeige“. Sie nimmt die Versprechungen der Werbewirtschaft für Produkte aller Art satirisch aufs Korn und textet sie um.

Kostenintensive und nachhaltige Produktion

Auch die Website des Greenpeace Magazins, die 1996 noch vor dem Internetauftritt von Greenpeace online ging, hat schon mehrmals Inhalt und Outfit gewechselt. Heute gibt es das Magazin nicht nur als Printausgabe und im Netz, sondern auch als App für Tablet und Smartphone. In den sozialen Medien – auf Facebook, Twitter und Instagram – ist es ebenfalls vertreten.

Gegen den Trend im Pressemarkt hatte das Greenpeace Magazin 2019 und 2020 eine stabile Auflage mit rund 60.000 Abos erreicht. Zur Begründung, warum die Zeitschrift und der Shop dennoch eingestellt werden, verweist Pauli auf den Krieg in der Ukraine und die Nachwirkungen der Coronapandemie. Sie hätten mit massiv gestiegenen Kosten bei Energie, Papier, Druckereien, Baumwolle und Logistik „einen spürbaren Einfluss auf unsere Arbeit und unser aller Leben“.

Viele Menschen sparten oder gäben das Geld für andere Produkte als Textilien aus. T-Shirts für 30 Euro seien für viele Kunden zu teuer. Weniger könne Greenpeace Media für ein ausgeglichenes Ergebnis aber nicht verlangen, da die Produktion dieser nachhaltigen Textilien sehr kostenintensiv sei. Gespart werde auch bei Presseerzeugnissen. Die steigenden Kosten zwängen viele dazu, 48 Euro für ein Abo zu sparen.

Bei gleich bleibendem Bezugspreis und weiter sinkenden Abozahlen von geschätzt 7 bis 8 Prozent im Jahr ist es laut Pauli unmöglich, das Magazin mit seiner hohen journalistischen und optischen Qualität, mit fairen Löhnen und Honoraren und mit ökologischer Produktion weiterhin kostendeckend zu erhalten. Um einer möglichen Insolvenz vorzubeugen, habe der Greenpeace e.V. die Entscheidung zur Einstellung getroffen.

Bis es so weit ist, haben die Mitarbeitenden der Media GmbH noch ein Jahr Zeit für eine Neuorientierung. Ein Kernteam der Redaktion will dem Vernehmen nach ein neues Umweltschutz-Magazin gründen. Mit „atmo“ gibt es auch schon einen Arbeitstitel dafür.

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