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Green New Deal der EUPlan mit Lücke

Ingo Arzt
Kommentar von Ingo Arzt

Der Green Deal der EU-Kommission macht viele vernünftige Vorschläge. Das ewige Wachstum stellt er nicht infrage.

Die Mondsichel wäre noch schöner ohne Flugzeug Foto: Anne Dedert/dpa

D ie EU ist das Beste, was es im Klimaschutz derzeit gibt. Und das ist keine gute Nachricht.

Die neue Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat am Mittwoch ihren „European Green Deal“ präsentiert, der retromodern nach Ärmel aufkrempeln und Probleme anpacken klingt. Es geht, nur zur Erinnerung, eigentlich darum, einen Kollaps der Ökosphäre zu verhindern. In dessen Folge Millionen, vielleicht Hunderte Millionen Menschen sterben könnten, weil wir Jetztmenschen ihnen die Lebensgrundlagen weggeflogen, weggefahren und weggefressen haben.

Und was macht die neue EU-Kommission? Sie schreibt ein erstaunliches, deprimierendes Papier von 24 Seiten. Erstaunlich, denn darin steht geschrieben, der Klimawandel sei die definierende Herausforderung unserer Generation, Arten stürben aus, Wälder und Meere würden zerstört. Die Klimaziele werden deutlich erhöht. Ökosysteme sollen geheilt werden. Der Green Deal fasst eine Menge vernünftiger Vorhaben zusammen, von einer CO2-Grenzzsteuer bis zur Steuer auf Flugbenzin oder einem möglichen „Recht auf Reparatur“ für neue IT-Geräte. Das ist ein passabler Wurf, verglichen mit dem, was aus Australien, Russland, Japan, Saudi-Arabien China oder Berlin kommt.

Deprimierend ist der Entwurf deshalb, weil er auf der Lebenslüge unserer Generation aufbaut, an dem die Klimapolitik scheitern wird. „Es ist eine neue Wachstumsstrategie“, frohlockt die Kommission über ihren Plan. Sie hätte lieber schreiben sollen: „Das Paradigma des ewigen Wachstums hat den Planeten in eine existenzielle Krise geführt. Die EU wird der erste Wirtschaftsraum, der damit bricht.“

Die Sache ist ganz einfach: Wir verbrauchen zu viel Energie und zu viele Rohstoffe, und wenn die Energie erneuerbar ist und die Rohstoffe recycelt sind, ist das immer noch so. Weil auch jedes Windrad Natur wegnimmt, jedes Elektroauto auf Asphalt fährt und auch recycelte Rohstoffe enorme Mengen Energie zur Herstellung verbrauchen.

Die Sache ist ganz einfach: Wir verbrauchen zu viel Energie und zu viele Rohstoffe.

Setzt man vermeintliche Ökotechnologien in eine Welt, die allen Menschen einredet, dank Wundertechnologie immer weiter immer mehr konsumieren zu können, dann wird grünes Wachstum zum reinen Ablasshandel. Ein gutes Beispiel ist die IT-Industrie: Dank Streaming muss niemand mehr DVDs kaufen, um Filme zu schauen, Musik zu hören oder Spiele zu spielen, eigentlich eine gute Sache. Doch weil die Technik in eine Welt des ewigen Mehr ausgewildert wurde, führt Streaming mittlerweile wegen des enormen Energiebedarfs zu neuen Ökoproblemen.

Würde die EU umsetzten, was sie selbstverliebt angekündigt hat, das Wachstum wäre dahin. Vielleicht weiß das Brüssel ja und sagt es nur niemandem. Eine schale Hoffnung.

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Ingo Arzt
ehem. Wirtschaftsredakteur
Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.
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9 Kommentare

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  • Danke, Ingo Arzt!

    PS: In der taz etwas zu Wachstumskritik zu finden ist schwierig. Es gibt die Stichworte Wirtschaftswachstum, Postwachstum und Schrumpfung. (Keins davon ist hier gesetzt.)

    taz.de/!t5015037/



    taz.de/!t5018031/



    taz.de/!t5018029/

    Der Inhalt ist insgesamt überschaubar.

    Ausbaufähig! Die Postwachstumsbewegung braucht kritische Begleitung.

  • Für immer mehr Menschen braut es halt immer mehr Wachstum. Was gibt es da nicht zu verstehen??Wer wirklich was für die Umwelt tun will , muss bei der Luftfahrt ansetzen. Dass zuerst, dann der Rest.

  • "Die Sache ist ganz einfach: Wir verbrauchen zu viel Energie und zu viele Rohstoffe, und wenn die Energie erneuerbar ist und die Rohstoffe recycelt sind, ist das immer noch so."

    Wo soll denn das Problem sein, wenn jedes Gut komplett recycelt und wiederverwendet wird, und das ganze bei 0 Treibhausgasemissionen?



    Das Auto wird recycelt, der Asphalt auch, da braucht man keine neuen Materialien, sondern nur Energie, und Energie ist ausschließlich wegen den Treibhausgasen problematisch.

    • @Peterbausv:

      Der Satz stimmt und trifft das Problem der aktuellen Klimadebatte auf den Kopf wie selten.

      Jedes Recycling braucht Energie, für jedes neue Windrad wird Wald gerodet, jede asphaltierte Fläche ist tot.

      Unsere Konsumgüter werden in anderen Ländern hergestellt d.h. ihr 'Umweltverbrauch' taucht nicht in unsrer Bilanz auf sondern in der von z.B. China.



      Für Lithiumbatterien werden in Südamerika Millionen Tonnen Salzseen ausgebeutet, für IT-Technik in Afrika Millionen Tonnen Erde auf der Suche nach Spurenelementen ausgewaschen.

      Unser heutiger Stromverbrauch ist schon schwer regenerativ zu decken, nimmt man den Straßen- und Bahnverkehr noch dazu steigt der Strombedarf um ein Mehrfaches, woher soll der denn kommen? Den letzten Wald auch noch roden für Windräder?

      Fazit:



      "Die Sache ist ganz einfach: Wir verbrauchen zu viel Energie und zu viele Rohstoffe, und wenn die Energie erneuerbar ist und die Rohstoffe recycelt sind, ist das immer noch so."

      D.h. jeder Mensch sollte sich fragen was er wirklich braucht. Ein weiteres Wachstum ist nicht wünschenswert für uns und die Welt in der wir leben.

      • @Herr Nachbar:

        "Ein weiteres - materielles - Wachstum ist nicht wünschenswert für uns und die Welt"

        ; )

        Wachstum und Entwicklung ist hingegen sogar sehr wünschenswert.

  • "Würde die EU umsetzten, was sie selbstverliebt angekündigt hat, das Wachstum wäre dahin. Vielleicht weiß das Brüssel ja und sagt es nur niemandem. Eine schale Hoffnung."

    Genau das ist das Problem und ich sehe da keine Hoffnung. Eine Gesellschaft ohne Wachstum wird nicht mit Demokratie funktionieren.



    Entweder es klappt doch noch eine Gesellschaft zu finden, die wachsen kann ( es muß ja nicht unbedingt materiell sein) ohne die Resourcen zu zerstören oder die Grenze kommt von außen. Klappt das erstere nicht, kommt das Mittelalter wieder, im zweiten Fall ebenso. Ich hege da allerdings kaum Hoffnung. Mit der Moralisierung und Selbstbescheidungsargumentation der aktuellen Umweltpolitik ist schon ein Weg eingeschlagen, der sehr schnell im Autoritären enden kann.



    Die vage Hoffnung eine Wende im Sinne der Aufklärung zu erreichen, ist in meinen Augen sehr gering.



    Rückt man erst einmal vom Ideal des freien, selbstbestimmten Individuums ab und setzt auf Moral, Angst und ähnliche Instrumente, um die Massen zu beeinflussen ( was ja zweifelsohne nie aus der Politik verschwunden war, aber jetzt auch von progressiven Kräften vertreten wird) sind das böse Vorzeichen.



    Die vielverbreitete Auffassung, besonders unter vermeintlich links angehauchten Menschen, die Masse sei halt naiv und muß ja irgendwie beeinflusst werden, lässt mich regelmäßig zusammenzucken.



    Ganz in Vergessenheit scheint geraten zu sein, das es gesellschaftliche Strukturen sind, die die Welt steuern, die Fixierung auf individuelle Schuld verunmöglicht geradezu eine Veränderung.

  • Es ist doch wie mit der Agrarchemie, die schon lange vom Acker sein müsste, was durch Hitec-mechanisches Hacken schon lange möglich ist. Auch die Firma Bayer hat für ewiges Wachstum entschieden statt zu akzeptieren, daß die Agrarbranche umzubauen ist und ein großer Teil der Agrarchemie verschwinden muß, weil wir uns nicht vergiften wollen. Außerdem geht es (uns) ohne diese Agrarchemie viel besser.

  • Das ist halt dann schon bedenklich so ein Satz: "Die Sache ist ganz einfach: Wir verbrauchen zu viel Energie und zu viele Rohstoffe, und wenn die Energie erneuerbar ist und die Rohstoffe recycelt sind, ist das immer noch so."



    Wenn wir, (fast) egal wieviel Energie oder Rohstoffe benötigen, es genau die sind die wir gerade wegwerfen bzw. jegliche Zusatzenergie erneuerbar produzieren wird der Satus quo erhalten und es wird definitiv nix neu ausgegraben oder schlechter.



    Bei derlei Aussage wie oben ist der Vorwurf nicht weit, dass die "Ökos" letztlich das Wirtschaftssystem ändern wollen; ein Bärendienst an der Sache.



    Warum schreiben "wir" nicht von einem qualitativen Wachstum? Regional, reparierbar, erneuerbar, CO2 neutral... dann hätten wir eine konstruktive Agenda.

  • Wachstum, stoffliches, "isch over", wenn Ressourcen und Geldmenge gedeckelt werden.



    Das neue Paradigma heißt dann "Entwicklung", die Industrieländer sind die neuen "Entwicklungsländer".