Goldener Löwe bei der Venedig-Biennale: Die deutsche Seele ist hässlich
Die „Faust“-Performance im Deutschen Pavillon ist bildstark und simpel gestrickt. Nun hat sie den Löwen für den besten nationalen Beitrag erhalten.
Die deutsche Kunstszene vor Ort war sich schon im Vorfeld sicher: Der Deutsche Pavillon mit Anne Imhof, kuratiert von Susanne Pfeffer, würde ein heißer Anwärter für den Goldenen Löwen sein. Und tatsächlich ging der Preis für den besten nationalen Beitrag am Samstag an die Arbeit von Imhof – zudem wurde der Goldene Löwe für den besten Künstler an den 77-jährigen Fuldaer Konzeptkünstler Franz Erhard Walther verliehen.
Der Performancekünstlerin Anne Imhof gelingt es, das Deutsche Haus auf subtile Art zum Verschwinden zu bringen und gleichzeitig in der Wahrnehmung der Besucherinnen und Besucher deutlich präsent zu halten. Das Paradox erklärt sich dadurch, dass Imhof ein Glashaus in das Gebäude gebaut hat, wobei vor allem der transparente, einen halben Meter über dem eigentlichen Grund schwebende Glasboden spektakulär ist.
Der Besucher oder die Besucherin tritt unsicher auf, das Unbehagen verstärkt sich, sobald Imhofs Performertruppe in dem Zwischenboden unter dem Glas zu agieren beginnt. Gefängnisinsassen gleich schaben sie den Putz von den Wänden oder bekritzeln sie mit Graffiti. Damit ist jede Subtilität, die Imhofs „Faust“-Arbeit für den Deutschen Pavillon zugesprochen wird, dahin.
Sofort löst sich das Rätsel der Männer auf, die oben auf dem Dach nahe am Abgrund balancieren, genauso wie das Rätsel der Wachhunde im Zwinger rechts und links vom Eingang in den Pavillon, deren dunkles Gebell weithin Gefahr signalisiert: „Faust“ ist ein Bild der deutschen Seele. Und die ist hässlich, das ist bekannt. Sie liebt die Macht und Menschen, die sich unter ihr winden oder sich in Verzweiflung zu Tode stürzen; sie liebt die Wachhunde, den Stahlzaun, das Panzerglas, und sie liebt die glasklare Sprache, wie sie „Faust“ spricht – das bezeugt die einhellige Begeisterung.
Kompromisslos zeigt uns die „skulpturale Setzung“, als die sich „Faust“ versteht, endlich die Macht auf, die der Architektur, der Institution und dem Staat eingeschrieben ist – und dank dem Kapitalismus auch jedem Körper. So die Grundidee der fünf Stunden dauernden täglichen Inszenierung innerhalb eines Langzeitszenarios, das über die sieben Monate der Biennale angelegt ist.
Es braucht nicht viel Fantasie, um zu wissen, dass sich beeindruckende Bilder finden werden, jeden Tag. Das liegt in der Natur der Sache, „Faust“ partizipiert an der Macht, die die Arbeit beschreibt, oder sollte man sagen, besingt? „Faust“ partizipiert genauso an der Ohnmacht, die die Installation evoziert. Nicht vom choreografischen Einfallsreichtum im Detail, aber vom grundlegenden Konzept her ist „Faust“ zu einfach gedacht. Die Goldene-Löwen-Jury hielt das nicht davon ab, Imhof auszuzeichnen. Sie lobte deren „kraftvolle und verstörende Arbeit“.
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