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Glyphosat vor NeuzulassungUnkrautvernichter in Gewässer

Am 15. September entscheidet die EU-Kommission über eine Neuzulassung des Herbizids Glyphosat. Doch eine Studie zeigt die Risiken einer Genehmigung.

Nachgewiesen im Trinkwasser: Glyphosat Foto: Jochen Tack/imago

Brüssel taz | Die Grünen im Europaparlament warnen vor einer Neuzulassung von Glyphosat in der Europäischen Union. Es wäre „grob fahrlässig“, wenn die EU-Kommission den umstrittenen Unkrautvernichter wieder genehmigen würde, sagte der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling am Dienstag in Brüssel. Zur Begründung verwies er auf eine Studie, die Glyphosat in Gewässer nachweist.

Die EU-Kommission will nach unbestätigten Angaben am 15. September die Wiederzulassung von Glyphosat beschließen. Sie beruft sich auf die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa). Diese hatte im Juli grünes Licht gegeben. Bei dem Risiko für Mensch und Tier sowie für die Umwelt habe man „keine kritischen Bereiche festgestellt, die Anlass zur Sorge geben“, hieß es in der Efsa-Bewertung.

Die Behörde habe erhebliche Risiken ignoriert, warnen nun die Grünen. So seien keine Untersuchungen zur Wirkung von Glyphosat auf Lebensmittel und die Darmflora angestellt worden. Dort könne Glyphosat jedoch wie ein Antibiotikum wirken, warnte die als „Fernsehköchin“ bekannt gewordene österreichische Europaabgeordnete Sarah Wiener. Eine Wiederzulassung nannte auch sie „hoch fahrlässig“.

Untermauert werden die Bedenken durch eine neue Studie, die die Grünen selbst in Auftrag gegeben haben. Sie wird am Mittwoch veröffentlicht und geht der Frage nach, welche Auswirkungen die Glyphosatnutzung auf das Nutz- und Trinkwasser hat. In fast allen EU-Ländern habe sich der Unkrautvernichter in fließenden und stehenden Gewässern nachweisen lassen, fand das mit der Studie beauftragte Pesticide Action Network Europe heraus.

Besonders hoch war die Belastung in Portugal. Auch Österreich, Belgien, Polen und Spanien wiesen kritische Werte auf. Nur für Slowenien gab es Entwarnung. „Diese Studie sollte der endgültige Sargnagel sein“, sagte Häusling. Glyphosat habe sich „fast überall“ nachweisen lassen. Die EU-Kommission dürfe sich daher nicht allein auf die Efsa verlassen, sondern müsse die Neuzulassung verschieben.

Doch die Brüsseler Behörde hat es eilig. Wenn sie wie geplant am 15. September grünes Licht gibt, könnten die EU-Staaten schon Mitte Oktober zustimmen und so den Weg für eine Nutzung ab Januar 2024 frei machen. Die deutschen Grünen hoffen allerdings, dass die Bundesregierung „Nein“ sagt. Laut Koalitionsvertrag soll die Glyphosatnutzung in Deutschland 2024 auslaufen. Allerdings wirbt der Glyphosathersteller Bayer für eine Verlängerung.

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3 Kommentare

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  • Für mich einfach wieder einmal ein Beispiel, wie durch und durch korrupt Brüssel ist. Wiederwärtig.

    • @buddhafragt:

      In Zeiten des Klimawandels sind wir Bauern dringend auf Glyphosat angewiesen. Die Alternative, der Pflug schadet Bodenleben und führt zu verstärkter Boden-Erosion. Wir haben es verstärkt mit extremen Wetterereignissen zu tun, darunter leiden unsere Böden, besonders wenn wir pflügen.

  • Das Interessante an der Studie ist ja, dass Glyphosat gut genug abbaubar ist, dass es sich bei SACHKUNDIGER Anwendung NIEMALS im Grundwasser anreichern sollte.

    Offenbar ist die Praxis in der konventionellen Landwirtschaft, eine *an sich* toxikologisch wenig bedenkliche Substanz in exzessiven Mengen auszubringen.

    Das macht die politische Entscheidung schwierig. Die EVP wird sich darauf stützen, dass der Fehler bei den individuellen Bauern liegt. Aber das ist nur die halbe Wahrheit: der Fehler liegt eben auch darin, so große Mengen zu verkaufen, dass es zu einer Anreicherung kommen kann.



    (Es ist ohnehin davon auszugehen, dass das übermäßige Ausbringen von Glyphosat keine Dummheit oder böse Absicht ist, sondern an der Tatsache liegt, dass Glyphosat bei Unterdosierung dem Pflanzenwachstum *förderlich* ist[*]. Daraus ergibt sich automatisch eine viel-hilft-viel-Mentalität.)

    Im Prinzip könnte nur eine sehr strenge Regulierung - mit gedeckelten Abgabemengen und Hofkontrollen - das Problem lösen. Aber da wird wiederum die FDP nicht mitspielen: "Mensch und Umwelt *nicht* mit Gift zuballern? Himmelherrjeh, das wäre ja SOZIALISMUS!"

    Der hier ist übrigens der Cheflobbyist in Deutschland: de.wikipedia.org/wiki/Christian_Schmidt



    Natürlich CSU. Wäre ja auch eine echte Überraschung, wenn nicht.

    [*] Der Mechanismus ist unklar, aber die Verwendung subletaler Mengen Arsenoxid als Aufputschmittel für Pferde und Bayern ist eine ganz gute Analogie.