Glyphosat im Honig: Gift aus der Wabe
Honig gilt als Inbegriff des gesunden Naturprodukts. Dass in ihm Glyphosat nachgewiesen werden kann, zeigt: Das ist nur eine Illusion.
H onig gilt als Inbegriff des gesunden Naturprodukts. Wer erkältet ist, rührt sich einen Löffel in den Tee. Die süße, goldfarbene Masse wird als entzündungshemmendes Heilmittel gefeiert. Und es ist ja auch wunderbar, wie die seit Jahrtausenden domestizierten fleißigen Bienen uns außer mit Honig auch mit Pollen, Propolis oder duftendem Wachs versorgen.
Die klebrige Protestaktion am Mittwoch beim Bundeslandwirtschaftsministerium hingegen war ein nötiger Bruch mit einem allzu romantischen Bild. Über vier Tonnen glyphosatverpesteten Honig brachten Imker*innen dorthin und schütteten dem Ministeriumsvertreter Stefan Schulz einen Teil davon vor die Füße. Ihre Wut ist verständlich.
Die Bienen beeinträchtigt das Herbizid zwar nicht direkt. Aber das wahrscheinlich krebserregende Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat kann für Honigkonsument*innen zum Problem werden. Den Schaden haben auch die Imker*innen: Sie setzen sich seit Jahren für ein grundsätzliches Verbot der Giftanwendung bei blühenden Pflanzen ein, werden damit aber politisch und wirtschaftlich alleingelassen.
Aus den deutschen wie europäischen Ministerien und Parlamenten heißt es, dass Imker*innen besprühte Flächen meiden sollen. Doch selbst eine idealistische Bioimkerin kann nicht kontrollieren, ob die Tiere giftbesprühte Blüten anfliegen – Bienen haben einen Flugradius von mehreren Kilometern. Nicht ohne Grund gilt Stadthonig als sicherer; dort werden keine Pestizide gesprüht.
Außerdem gibt es keinerlei verbindliche Regelung der Kontrolle des Honigs. Niemand kann wissen, wie viel Glyphosat Honigkonsument*innen zu sich nehmen, zumal die größte Menge des hierzulande verzehrten Honigs aus anderen Ländern importiert wird. Daher sollte Honig systematisch auf giftige Rückstände untersucht oder, noch besser, Glyphosat zügig verboten werden.
Die Aktion weist aber noch auf etwas anderes Wichtiges hin: „Unverdorbene, ursprüngliche Natur“ ist heute mehr denn je eine Illusion. Das Gift im Honig steht auch dafür, wie Genuss und Gesundheit bei unserem heutigen Verhältnis zur Natur selbst im Kleinsten mit Entfremdung und Zerstörung zusammenhängen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen