Glyphosat in Lebensmitteln: Vier Tonnen Honig für den Müll
Ein Imker musste seinen Honig entsorgen, weil der zu viel Glyphosat enthielt. Das Landwirtschaftsministerium sieht darin einen „Einzelfall“.

Aktivist*innen kippen mit Glyphosat verunreinigten Honig vor das Bundeslandwirtschaftsministerium Foto: Fabian Sommer/dpa
BERLIN taz | Wütend kippt Imker Sebastian Seusig einen Eimer Honig vor die Füße von Stefan Schulz, Mitarbeiter im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Vier Tonnen glyphosatverunreinigten Honig hat Seusig dieses Jahr geerntet und jetzt mit der Stiftung Aurelia vor dem Ministerium abgeladen. „Wir Imkerinnen und Imker nehmen es nicht mehr hin, dass im Agrarministerium die Interessen von Bayer und BASF wichtiger sind als der Schutz der Insekten und der Erhalt unserer Familienbetriebe“, sagt Seusig.
Mit der Aktion wollen die Imker*innen Druck im Streit über Glyphosat aufbauen. Seit Jahren wird über die Gefahr gestritten. Während die Imker*innen in Glyphosat eine große Gefahr sehen, beschwichtigt Schulz: „Wir bedauern den Schaden, den Herr Seusig erfahren hat. Aber es handelt sich um einen Einzelfall.“ Glyphosatrückstände im Honig seien kein Problem in Deutschland. Als 2016 in Brandenburg ein ähnlicher Fall bekannt wurde, hätten Untersuchungen diese Einschätzung bestätigt.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz untersuchte im Jahr 2018 61 Honigproben auf Glyphosat. In zwei Proben fanden sich Rückstände, eine Probe überschritt den Grenzwert. Ein Sprecher des Amtes hält Glyphosat nicht für problematisch: „Wir haben keine Hinweise, dass Honig stark mit Glyphosat belastet sein könnte.“
Die Stiftung Aurelia hält die Prüfungen nicht für ausreichend, denn verpflichtende Kontrollen auf Glyphosat gibt es für Imkerbetriebe nicht. Seusig hat seinen Honig nur auf Verdacht prüfen lassen, als ein Landwirt neben seinen Bienenstöcken blühenden Löwenzahn mit dem Pestizid besprühte. Seine Proben überschritten den europaweit geltenden Grenzwert um das 152-Fache.
Kein Unternehmen will Honig entsorgen
Um sich vor Glyphosatverunreinigungen zu schützen, rät Stefan Schulz den Imker*innen, sich mit den landwirtschaftlichen Betrieben abzusprechen. „Das ist ein Vorschlag für die Theorie“, sagt Thomas Radetzki, Vorstand der Aurelia Stiftung. Tatsächlich wüssten die Imker*innen nicht, wohin mit ihren Stöcken, denn die Bienen befliegen eine Fläche von über drei Quadratkilometern.
60.000 Euro Schaden sind für Sebastian Seusig durch den verunreinigten Honig entstanden: „Wir haben uns entschlossen, die Imkerei zu schließen. Das Risiko kann ich im nächsten Jahr nicht nochmals eingehen.“ Ein Problem ist auch die Entsorgung: Bisher habe er noch kein Unternehmen gefunden, das die vier Tonnen Honig annimmt.
Leser*innenkommentare
neu_mann
Wo nicht gemessen wird, gibt es auch keine Probleme. Vermutlich würde eine verpflichtende Untersuchung auf Glyphosat zur Folge haben, das kaum noch deutscher Honig vermarktet werden könnte.
Dann überlässt man das Risiko lieber den einzelnen Imkern, die sich nicht wehren können.
Das Prinzip gilt auch für andere Bereiche, die von der Agrarindustrie vergiftet werden.
So sperren sich die Umweltbehörden in SH, die Gewässer auf MRSA Keime zu untersuchen. Die erwartbaren positiven Befunde würden sonst negative Auswirkungen auf den hiesigen Tourismus haben.