Glossar der Klimagefühle: A wie Angst bis Z wie Zuversicht
Die Klimakrise und der fehlende Klimaschutz wecken ganz unterschiedliche Gefühle: Wut, Trauer, Verdrängung. Wie geht man mit ihnen um? Eine Übersicht.
Gefühle begleiten uns andauernd und gerade die Klimakrise bringt sehr viele unangenehme Gefühle mit sich. „Es ist wichtig, dass wir einen konstruktiven, gesunden Umgang mit ihnen finden“, sagt Lea Dohm, Mitbegründerin der Psychologists for Future. „Sie bringen uns ins Handeln.“
Erstmal müssen wir Emotionen überhaupt wahrnehmen und ernst nehmen. Laut Dohm ist gesellschaftlich eher Gefühlstaubheit als ein zu viel an Gefühlen ein Problem.
Psycholog*innen unterscheiden übrigens nicht zwischen guten oder schlechten Gefühlen. „Wir müssen eher akzeptieren, dass auch unangenehme Gefühle zum Leben dazugehören und teilen, dass wir alle sie haben“, sagt Dohm. Gleichzeitig haben Gefühle eine Signalwirkung und sie nur zu akzeptieren und so zu behalten, sei „ein falsches Verständnis von Resilienz“. Was also tun mit den ganzen Gefühlen?
Angst
Das Gefühl: Klimaangst ist die am weitesten verbreitete Wortneuschöpfung zu Klimagefühlen. Am häufigsten äußert sich das als ein undifferenziertes, subtiles Unwohlsein in Verbindung mit dem Klima, meint Lea Dohm, Mitbegründerin der Psychologists for Future und Mitautorin des Buches „Klimagefühle – wie wir an der Umweltkrise wachsen, statt zu verzweifeln“.
Das bringt’s: Angst ist ein sehr primitives Gefühl. Als Antwort kennt der Mensch intuitiv nur Flucht, Kampf oder Erstarren.
So kommt man damit klar: Egal, ob es starke Angst oder ein subtiles Unwohlsein ist – es hilft, sich das Gefühl genauer anzusehen und einem Realitätscheck zu unterziehen. Und es mit anderen zu teilen. Wer Angst davor hat, dass Menschen mit Unverständnis reagieren, kann in Klimagruppen über seine Sorgen sprechen. Letztendlich hilft gegen die Klimaangst nur Klimaschutz, aber da Einzelne diesen nur bedingt in der Hand haben, können auch etwa Sport oder Meditation für eine Weile helfen. Was dagegen nicht hilft: die Krise und die Angst vor ihr kleinzureden. Diese Art der Problembewältigung wiegt uns in falsche Sicherheit und hält von dringend erforderlichem Handeln ab.
Trauer
Das Gefühl: In der Klimakrise können wir eine Trauer über den Verlust der Welt und der Natur, wie wir sie kannten und kennen, verspüren. Aber auch der Abschied von der Unbekümmertheit kann uns traurig machen, oder das Gefühl, trotz allem einfach weiterzumachen wie zuvor.
Das bringt’s: „Trauer ist ein notwendiger und hilfreicher Verarbeitungsprozess“, schreiben die Psychologinnen Lea Dohm und Mareike Schulze in „Klimagefühle“. Der Trauerprozess durchläuft verschiedene Phasen und beinhaltet viele andere Gefühle wie Leugnung, Verdrängung, Wut, Schuld und Akzeptanz.
So kommt man damit klar: Die Phasen der Trauer wollen durchlebt werden, teils immer wieder. Wie auch bei der Wut kann es helfen, mit anderen über die eigenen Gefühle zu sprechen, sie zu teilen, um nicht von ihnen gelähmt zu werden. Auch kreative Tätigkeiten wie Malen oder Musik können im Umgang mit Trauer hilfreich sein.
Schuld und Scham
Die Gefühle: Auch wenn Schuld und Scham uns sehr ähnlich vorkommen, haben sie ganz verschiedene Konsequenzen für unser Verhalten.
Das bringt’s: Schamgefühle lähmen und halten vom Handeln ab. Reale Schuldgefühle dagegen gehen mit Einsicht von Fehlverhalten und Reflexion einher. So können sie zum Handeln anregen. Bei beiden Gefühlen besteht aber die Gefahr, dass sie zu Verdrängung führen.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
So kommt man damit klar: Andere und uns selbst für Klimasünden wie eine Flugreise zu beschämen, bringt wenig. Gleichzeitig ist es wichtig anzuerkennen, dass wir im Globalen Norden, mit einem wohlhabenderen Lebensstil oder als Angehörige älterer Generationen eine reale Schuld an der Klimakrise tragen. Diese individuell loszuwerden ist gar nicht so einfach; in unserem System ist ein klimaneutrales Leben derzeit unmöglich. Deshalb ist Toleranz im Umgang mit uns und anderen wichtig. Die Psychologinnen Lea Dohm und Mareike Schulze fordern: „Solidarität und Hilfestellung statt Anklagen!“ Zwar ist jedes persönlich eingesparte Gramm CO2 super, aber kollektiv an strukturellen Veränderungen zu arbeiten, statt einander zu beschuldigen, hat eine größere Wirkung.
Verdrängung
Die Gefühle: Abwehr von oder Wut auf Klimaaktivist*innen sind „sehr komplex“, sagt Lea Dohm. „Da steckt nicht nur Wut und Ärger drin, sondern auch Angst, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.“ Viele Menschen wollen sich auch die Freude über etwa ein Auto, eine Fernreise oder Grillfleisch erhalten und sich durch Abwehr von kritischen Perspektiven vor Vorwürfen schützen. Verdrängung der Auseinandersetzung mit der Klimakrise ist dagegen kein Gefühl, sondern eine Reaktion.
Das bringt’s: Verdrängung ist teils notwendig und schützt vor Überforderung. Aber sie kann auch zu Erstarren und Ignoranz führen.
So kommt man damit klar: Um nicht zu sehr von Klimafakten aus der Bahn geworfen zu werden und zugleich ins Handeln zu kommen, müssen wir die richtige Balance finden. Also: sich weder exzessiv in Klimanachrichten vergraben, noch sie komplett ignorieren. Die Auseinandersetzung mit den Gefühlen könne dann sogar sinnstiftend sein, sagt Dohm.
Wut
Das Gefühl: Arrrrrrrhhh! Wut und Empörung sind die wichtigsten Gefühle für den Klimaaktivismus, weil sie Menschen ins Handeln bringen.
Das bringt’s: Wut äußert sich in einer erhöhten Kampf- und Handlungsbereitschaft; der Blutdruck steigt. Weil wir im Gegensatz zu Trauer oder Angst, die viele für sich behalten, von Wut eher berichten, birgt sie das Potenzial, kollektives Handeln zu stärken. Gleichzeitig kann Wut sehr individuell sein, etwa, wenn wir uns über fleischessende Verwandte oder flugreisende Freund*innen ärgern. Laut der Hannah Monnin führt Wut zu Fokussierung und Aktivierung, kann aber lösungsorientiertes Vorgehen verhindern.
So kommt man damit klar: Wir sollten Wut nicht verdrängen, sondern unbedingt behalten, raten Psycholog:innen. Unterdrückte Wut kann zu Schuldgefühlen führen und krank machen. Also: rauslassen und kanalisieren. Etwa, indem wir sie im Freundeskreis thematisieren, an Protesten teilnehmen oder Leser:innenbriefe schreiben. So wird der individuelle Ärger auf eine strukturelle Ebene gebracht. Wenn die Möglichkeit dazu besteht, kann es auch helfen, mit der Person, über die wir uns ärgern, ein offenes Gespräch zu führen. So können wir an ihren individuellen Beweggründen ansetzen und diese mit Strukturen verbinden. Wut ist also eine Antreiberin. Aber die Psychologin Lea Dohm sagt auch: „Ins Handeln zu kommen, das ist wirklich schwierig.“ Wo fängt man an? Dazu lohnt sich der Austausch mit Menschen, die in derselben Situation sind.
Verbundenheit
Das Gefühl: Die Verbindung zu anderen und ein positives Gruppengefühl kann durch Aktivismus und Engagement in der Klimakrise hervorgerufen werden.
Das bringt’s: Verbundenheit löst Freude aus. Besonders bei sonst so schweren Themen wie der Klimakrise, schreiben die Psychologinnen Lea Dohm und Mareike Schulze, kann Austausch Leichtigkeit bringen. Hannah Monnin zufolge fördern solche positiven Gefühle unsere Offenheit und Kreativität und ermutigen uns, nach Lösungen zu suchen. Trotzdem gilt: Nicht ablenken lassen. Dankbarkeit kann Protest verhindern, weil wir uns mit einer Situation zufriedengeben.
So kommt man damit klar: Sich darüber freuen! Und aus der Verbundenheit Kraft für weiteres Engagement schöpfen.
Neid
Das Gefühl: Neid ist ein sehr verpöntes, negativ konnotiertes Gefühl und wird deshalb nur selten geäußert. Klimabewegte Menschen empfinden ihn gegenüber anderen wegen ihrer Unbedarftheit oder Flugreisen, die sie selbst nicht mehr ohne schlechtes Gewissen machen können.
Das bringt’s: Neid herrscht im Kapitalismus oft auf Besitzgüter und führt so zu noch mehr Misere: Wir wollen, was andere haben, aber starker Konsum schadet dem Klima. Neid kann sich aber auch auf eine Solaranlage oder einen Radweg zur Arbeit beziehen und so zu nachhaltigem Handeln führen.
So kommt man damit klar: Warum nicht aus Neid „Nachhaltigkeitswettbewerbe“ machen, ihn also spielerisch nutzen? Es kann auch helfen, sich zu fragen, worauf andere im eigenen Leben neidisch sein könnten, um die eigene Position ins Verhältnis zu setzen.
Zuversicht
Das Gefühl: Zuversicht ist in der Klimakrise ein zweischneidiges Schwert – einerseits ist sie dringend nötig, andererseits kann falsche Zuversicht Aktivität verhindern.
Das bringt’s: Zuversicht lässt uns eine positive Zukunft sehen und auf diese hinarbeiten. Sie fördert Selbstwirksamkeit, also die Überzeugung, Herausforderungen bewältigen zu können, und gibt uns damit Antrieb. Falsche Hoffnung auf schnelle, einfache Lösungen dient aber der Angstvermeidung und hält uns vom Handeln ab.
So kommt man damit klar: Wir sollten uns nicht in falscher Zuversicht wiegen und deshalb untätig bleiben. Aber: Wer welche hat, hat’s gut! Und schon kleine Erfolge im eigenen Engagement können die Zuversicht weiter stärken.
Dieser Text ist Teil eines Rechercheprojekts zu Klimawandel und Gesundheit, das von der taz Panter Stiftung unterstützt wird.
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