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Gletscherschmelze in PeruDer Klimakläger

In der Stadt Huaraz am Fuße der Anden ist der Klimawandel greifbar. Ein peruanischer Bauer möchte das nicht hinnehmen.

Der Gletscher der Cordillera Blanca vom Stadzentrums Huaraz aus gesehen Foto: Knut Henkel

Huaraz taz | Im ersten Stock seines Hauses lehnt Saúl Luciano Lliupa an der Wand und lässt den Blick in die Ferne schweifen. Erst über sein Feld, auf dem der Mais rund einen Meter hoch neben dem Getreide und den Kartoffeln steht, dann weiter über das Tal mit den dahinterliegenden eisbedeckten Bergen. Der kräftige, nicht sonderlich große Mann mit dem zurückgehenden Haaransatz lebt im Centro Poblade de Llupa, einem kleinen Dorf oberhalb der zentralperuanischen Stadt Huaraz. Die Hauptstadt der Provinz, Ancash, ist das Eingangstor zur Cordillera Blanca, der gletscherbedeckten Gebirgskette mit dem Nationalpark Huascarán. Auf einige dieser Gipfel hat Saúl Luciano Lliupa einen prächtigen Blick. Immer öfter steht der 38-jährige Familienvater hier oben im ersten Stock seines Hauses und hängt seinen Gedanken nach.

Die Berge sind Fluch und Segen zugleich. Das Wasser, das von dort oben runter ins Tal fließt, ist für die Landwirtschaft existenziell wichtig, aber es wird weniger. „In den heißen Monaten, zwischen Juni und September, haben wir hier im Dorf in den letzten beiden Jahren schon Probleme bekommen. Es reicht nicht immer“, sagt er und reibt sich die hohe Stirn. Also haben die Leute im Dorf, dessen Häuser sich entlang der buckeligen Piste wie eine Perlenkette aneinanderreihen, einen nahe gelegenen Kanal angezapft. Dazu gab es kaum eine Alternative. „Bis die regionalen Behörden aktiv werden, können Jahre vergehen“, ärgert sich der Bauer, der nebenbei Touristen durch den Nationalpark Huascarán führt. Und dann zeigt der ausgebildete Bergführer auf das, was in ein paar Jahrzehnten höchstwahrscheinlich Geschichte ist: die Gletscher der Cordillera Blanca.

Die sind in den letzten dreißig Jahren um rund 40 Prozent zurückgegangen, so peruanische Gletscherexperten. Das hat Folgen. Nicht nur oben, wo die Zahl der Bergseen binnen dreißig Jahren von rund 250 auf derzeit mehr als 300 angestiegen ist, sondern auch unten, wo Saúl Luciano Lliuya mit seiner Familie lebt. Die Wasserversorgung ist ein Problem, doch sie geht einher mit einer sinkenden Wasserqualität. „Das Wasser, das wir aus dem Kanal beziehen, der oben aus den Bergen kommt, bringt Sedimente und Geröll mit sich. Ob es kontaminiert ist, wissen wir nicht genau“, schildert Saúl Luciano Lliuya die Sorgen der Menschen aus Centro Poblade de Llupa.

Doch sich seinem Schicksal ergeben möchte Saúl Luciano Lliuya nicht. Seit mehr als zwei Jahren führt der peruanische Bauer einen juristischen Feldzug gegen einen der Verursacher des Klimawandels. Gegen den Essener Energiekonzern RWE, den größten CO2-Emittenten Europas, hat er beim Oberlandesgericht Hamm Klage eingereicht. Unterstützt von der Umweltorganisation Germanwatch verklagt Saúl Luciano Lliuya den Energiekonzern darauf, sich an den Sicherungsmaßnahmen der Lagune Palcacocha zu beteiligen – exakt in der Höhe des RWE-Anteils an den weltweiten CO2-Emissionen. Der beträgt 0,47 Prozent, das entspräche einem Schadenersatz von 21.000 Euro.

Nachdem die erste zivilrechtliche Klage vom Landgericht Essen abgewiesen wurde, erklärte die höhere Instanz, das Oberlandesgericht Hamm, die Klage im November 2017 für zulässig und ordnete die Beweisaufnahme an.

Möglich ist der Rechtsweg, weil Anwältin Roda Verheyen sich auf den Paragrafen 1004 aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch bezieht. Der besagt, dass ein Anspruch auf Reparatur oder Unterlassung besteht, wenn persönliches Eigentum durch jemanden beeinträchtigt wird. Das Stadthaus der Familie Luciano Lliuya liegt direkt in Huaraz, der roten Risikozone, und könnte durch eine potenzielle Flutwelle weggespült werden.

Luciano Lliuya hat für den Fall, dass er die Klage gewinnen sollte – und dafür stehen die Chancen mit der derzeit anlaufenden Beweisaufnahme nicht schlecht – angekündigt die von RWE eventuell zu zahlende Summe von 21.000 Euro an die Regionalregierung zu überweisen – für die Umsetzung weiterer Schutzmaßnahmen.

Wir tragen die Folgen, obwohl wir selbst kaum CO2 emittieren

Umweltingenieurin Alvarado

Noah Walker-Crawford forscht für seine Doktorarbeit in Peru zu den Auswirkungen des Klimawandels in den Anden und ist ein Nachbar von Saúl Luciano Lliuya. Er findet die Sorgen der Menschen aus Centro Poplade de Llupa berechtigt. „Das Abschmelzen der Gletscher hat dazu geführt, dass Gesteinsschichten freigelegt werden, die Metalle enthalten, die an der Luft oxidieren. Das sorgt für die Verschmutzung des Trinkwassers in der Region“, erklärt der Anthropologe. Er untersucht derzeit, wie sich der Klimawandel auf die Lebensweise der lokalen Bevölkerung auswirkt, und wird seine Studie an der Universität Manchester vorlegen.

Das Trinkwasser des Río Auqui ist zu schlecht

Die Kontaminierung des Trinkwassers ist längst messbar und hat dazu geführt, dass das Wasser des Río Auqui, aus der traditionell die Stadt Huaraz versorgt wurde, heute nicht mehr verwendet wird. Der pH-Wert weist Werte auf, die das lokale Wasserunternehmen von Huaraz gezwungen haben, auf den Río Paria auszuweichen. Der Fluss führt ebenfalls durch die Stadt, die rund 450 Kilometer nördlich von Lima liegt. Aus dem Fluss Paria wird nun das Trinkwasser für die rund 160.000 Einwohner zählende Stadt entnommen.

Hat Klage gegen den Energiekonzern RWE erhoben: der Bauer Saúl Luciano Lliupa Foto: Knut Henkel

Das bestätigt auch die Umweltverantwortliche der Provinz Ancash, Mirtha Cervantes Alvarado. Sie hat ihr Büro unten in Huaraz und von dort einen prächtigen Blick auf das Bergpanorama der Cordillera Blanca mit dem gletscherbedeckten Huascarán, mit 6.768 Metern über dem Meeresspiegel der höchste Berg Perus. „Von den 24 Verwaltungsbezirken Perus ist Ancash derjenige, der vom Klimawandel am stärksten betroffen ist. Wir tragen die Folgen, obwohl wir selbst kaum CO2 emittieren“, kritisiert die 35-jährige Umweltingenieurin.

Seit Anfang Februar 2018 ist sie im Amt und hat alle Hände voll zu tun. An allen Ecken und Enden muss geplant und investiert werden, um den Folgen des Klimawandels zu begegnen. Gerade hat sie die Weichen für die Installation eines Frühwarnsystems gestellt, mit dem der Wasserpegel der Lagune Palcacocha auf einem vertretbaren Niveau gehalten werden soll. Hinter ihrem Schreibtisch hängt ein farbiger Plan des Überwachungssystems, welches überfällig war. Sollten die Dämme, die dem Bergsee Einhalt gebieten, brechen, würde sich eine Wasser- und Schlammlawine über das Tal ergießen, in dem Huaraz liegt – der Callejón de Huaylas. „Das ist 1941 schon einmal passiert, damals starben rund 4.500 Menschen“, sagt Mirtha Cervantes Alvarado. Sie stammt aus Huaraz und weiß genau, welche Weichen gestellt werden müssen, um dem Klimawandel zu begegnen. Daher hat sie die Sicherung der insgesamt 22 Lagunen, die als riskant eingestuft werden, als Erstes in Angriff genommen.

Die Klage, die Saúl Luciano Lliuya gegen den Essener Energiekonzern RWE eingereicht hat, kommt ihr dabei durchaus zupass. Eben auch, weil der peruanische Bauer, sollte er Recht bekommen, angekündigt hatte, die Schadenersatzsumme von 21.000 Euro für die Umsetzung weiterer Schutzmaßnahmen an die Regionalregierung zu überweisen.

Die Region um Huaraz ist auf zusätzliche Mittel angewiesen

Geld, das überaus willkommen ist, denn mit Schutzmaßnahmen allein ist es nicht getan. „Die Sicherung der besagten 22 Lagunen ist eine Maßnahme. Wir müssen das vorhandene Wasser aber auch besser nutzen“, umreißt Mirtha Cervantes Alvarado das Grundproblem und fährt fort: „Größere Speicherkapazitäten in den Bergen sind nötig, wir müssen in mehr Stauseen und Becken investieren, unseren Wasserhaushalt strukturieren und nachhaltiger gestalten.“

Petersberger Klimadialog

Der Fall von Saúl Luciano Lliuya ist ein Beispiel für etwas, das im UN-Sprech „Loss and Damage“ (Verlust und Schaden) heißt – und worüber offiziell kaum geredet wird. Bisher streiten sich die Delegierten bei den Klimakonferenzen vor allem über zwei Themen: CO2-Reduktion und Anpassung an den Klimawandel. Auch bei den Gesprächen, die ab Montag in Berlin als „Petersberger Klimadialog“ geführt werden, spielen Verluste und Schäden nur eine Nebenrolle. Viel wichtiger ist es für die 35 eingeladenen Länder, bis Ende des Jahres ein Regelwerk für das Pariser Abkommen von 2015 zu erstellen – und einen „gerechten Übergang“ von einer kohle- und ölbefeuerten Wirtschaft zu einer grünen Zukunft zu suchen. (Bernhard Pötter)

Dabei ist die Region um Huaraz, die von Tourismus, Handel, Landwirtschaft und etwas Bergbau lebt, auf zusätzliche Mittel angewiesen. Sowohl von Verursachern wie RWE als auch von der Nationalregierung, denn in den letzten zehn Jahren ist kaum investiert worden, um die Stadt und die Region auf den sich immer heftiger bemerkbar machenden Klimawandel vorzubereiten.

Ein Faktor dabei ist auch die höhere Sonneneinstrahlung, die nicht nur den Bauern im Centro Poblade de Llupa zu schaffen macht. Niedrigere Erträge sind eine Folge, denn die Kulturpflanzen wie Mais, Kartoffeln, Getreide sowie Gemüse und Bohnen halten den rapiden Wetterwechseln nicht immer stand, so der Agraringenieur José Valdivia Roca. Er leitet die Nichtregierungsorganisation „Wayintsik“, was auf Quechua „Unser Haus“ heißt, und sitzt mit am runden Tisch, zu dem Umweltreferentin Mirtha Cervantes Alvarado geladen hat. Dort sollen Konzepte für die Zukunft der Stadt erarbeitet werden, wozu auch die Landwirtschaft und der Schutz der natürlichen Ressourcen gehören. Sie will etwas bewegen, was Valdivia Roca mit vorsichtigem Beifall quittiert. Der Grund für seine Zurückhaltung ist die Ineffizienz der regionalen Institutionen in den letzten zehn Jahren. „Korruption ist ein gravierendes Problem. Gleich drei der regionalen Verantwortlichen sitzen im Gefängnis“, erklärt der vollbärtige Agrarexperte und rollt genervt mit den Augen.

Das hat der Region Stagnation eingebracht, und das ist ein wesentlicher Grund, weshalb sein Freund Saúl Luciano Lliuya außerhalb Perus nach Hilfe gesucht hat, um auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen. Hin und wieder schaut Valdivia Roca im Centro Poblade de Llupa vorbei, wenn er mit dem Motorrad unterwegs ist, um Bauern bei Anbau und Viehhaltung zu beraten. Bei einem der Besuche in dem zweistöckigen Haus von Luciano Lliuya kamen die beiden wieder einmal auf die Gletscherschmelze und die Probleme bei Anbau und Ernte zu sprechen. Da schlug der 38-jährige Agraringenieur seinem gleichaltrigen Freund vor, den Kontakt zur deutschen Entwicklungsorganisation Germanwatch zu knüpfen. Das war der Startschuss für die Klage gegen RWE. Der könnten weitere Klagen folgen, so Luciano Lliuya. „Erst einmal will ich aber abwarten, ob wir wirklich Recht bekommen“, sagt er mit bestimmter Stimme. Danach will er sich mit seiner Anwältin, der Hamburger Klimarechtsexpertin Roda Verheyen, beraten.

Das gefällt Valdivia Roca, der Saúl und dessen Vater Julio Luciano Tipps für die Haltung von Kleinvieh wie Meerschweinchen und Kaninchen gegeben hat, die im Haus von Sául Luciano Lliuya in hinteren Teil der Küche untergebracht sind. In anderen Dörfern hat Valdivia Roca den Leuten gezeigt, wie sie Trinkwasser sparsamer einsetzten und wie sie kleine Lagunen und Hochmoore schützen können. Know-how, das für die Zukunft der Region immer wichtiger wird, denn es gibt schließlich nicht nur die Cordillera Blanca, die Weiße Kordillere, sondern auch die deutlich niedrigere Schwarze Kordillere in direkter Umgebung von Huaraz. Da ist das Eis längst weg ist und das Wasser deutlich knapper. Das ist im Centro Poblada de Llupa zwar noch anders, aber Bewässerungsanlagen und Staubecken gibt es schlicht nicht, kritisiert Saúl Luciano Lliuya. Auch ein Grund, weshalb die Bauern aus dem Dorf Tipps benötigen, wie sie mit einfachen Mittel das Wasser aus dem Kanal von Sedimenten befreien können. Das geht auch anderen Kleinbauern so, die oft kaum mehr als einen Hektar Ackerland bestellen. Dieses Wissen könnte, so die Umweltverantwortliche Cervantes Alvarado, auch in einem Beratungsprogramm vermittelt werden.

Die Tragweite des Klimawandels ist nur den Experten klar

Doch vorerst noch wichtiger ist ein besseres Wassermanagement. Und da hat Mirtha Cervantes Alvarado erste Erfolge zu vermelden. „Wir haben dank der Unterstützung der Nationalregierung in Lima den Bau eines Klärwerks in Huaraz und eines an der Küste in Chimbote vereinbart. Von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) kommt eine Anschubfinanzierung über 15 Millionen Euro“, erklärt die Ingenieurin und wirft noch einen prüfenden Blick in ihre Unterlagen auf dem Schreibtisch. Immerhin 160 Millionen Soles, rund 42 Millionen Euro, stehen auf peruanischer Seite zur Verfügung. Die KfW ist schon mehrere Jahre beratend und unterstützend beim Ausbau und der Modernisierung des Trinkwassernetzes von Lima aktiv. Da soll ein geschlossener Wasserkreislauf entstehen, und den wünscht sich Mirtha Cervantes Alvarado auch für Huaraz und Umgebung.

Dazu gehört auch eine Wasseraufbereitungsanlage, um nicht nur vom Wasser des Río Paria abhängig zu sein, sondern auch wieder das Wasser des Río Auqui nutzen zu können. Beide Flüssen fließen mitten durch Huaraz. Am dritten Fluss, dem Río Santa, der an der Stadt vorbeifließt, soll hingegen die Kläranlage gebaut werden, und zwar dort, wo das Gros der Abwässer aus der Stadt eingeleitet wird.

Wann mit dem Bau begonnen wird, steht zwar noch nicht fest, aber Umweltingenieurin Cervantes Alvarado drückt aufs Gaspedal, denn ein funktionierendes Wassermanagement ist auch aus einem anderen Grund extrem wichtig. „Die Energiegewinnung in der Provinz Ancash hängt an mehreren Wasserkraftwerken, die weiter unten im Callejón de Huaylas stehen. Derzeit versuchen wir durch den Bau von Rückhaltebecken in den Bergen der Cordillera Blanca Wasser zu speichern, um es später kontrolliert abzugeben. Ziel ist, immer weniger Wasser zu verlieren und immer mehr Wasser zu nutzen“, umreißt sie den Masterplan der Region.

Von dessen zügiger Umsetzung hängt auch die Wasserversorgung der Anbaugebiete von Chinecas in Ancah und Chavimochic bei Trujillo ab, wo Avocados und Spargel mitten in der Wüste angebaut werden, die auch nach Deutschland exportiert werden. Auch dieses agroindustrielle Projekt, wo mindestens 100.000 Menschen arbeiten, ist durch den Klimawandel und das Abschmelzen der Gletscher langfristig gefährdet.

Die ganze Tragweite des Klimawandels für die Region ist ohnehin nur den Experten klar. In den Dörfern wie Centro Poblado de Llupa wird vor allem verglichen, wie die Ernte früher war und wie sie heute ist. „Mein Vater Julio berichtet zum Beispiel, dass wir früher deutlich weniger Insektizide einsetzen mussten als heute“, meint Saúl Luciano Lliuya, der Bergführer, und blickt nachdenklich in die Flammen des Feuers in der Küche. Auf denen köchelt eine Kartoffelsuppe, die später auf den Tisch kommen soll, wenn José Valvidia Roca vorbeikommt. Die beiden wollen sich über die Beweisaufnahme im RWE-Prozess unterhalten und klären, ob sie noch etwas nach Hamburg zur Anwältin Roda Verheyen schicken können. Beschlossen ist bereits, dass José Valdivia Roca bei der Urteilsverkündigung mit von der Partie sein wird, denn dann gibt es endlich mal etwas zu feiern.

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • D.h. ich habe dem Grunde nach auch Ansprüche gegen Herrn Lliupa, der ja durch die Stratosphäre hierher gereist ist?

  • Ja, das ist genau dieses Zwiespältige: ohne Flugverkehr keine Touristen aus Nordamerika und Europa. Ohne Wirtschaftswachstum (der fast immer am Verbrauch fossiler Energieträger hängt) kein Studium für 20 % der Menschheit. Ohne Dieselkraftstoff kein Bau von Staudämmen, Lagunen, Klärwerken.

  • „Unterstützt von der Umweltorganisation Germanwatch verklagt Saúl Luciano Lliuya den Energiekonzern darauf, sich an den Sicherungsmaßnahmen der Lagune Palcacocha zu beteiligen – exakt in der Höhe des RWE-Anteils an den weltweiten CO2-Emissionen. Der beträgt 0,47 Prozent, das entspräche einem Schadenersatz von 21.000 Euro“







    Aus der Berechnung des Schadenersatzes werde ich nicht schlau. Wenn RWE tatsächlich für 0,47% des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich ist: Aufgrund welcher rational nachvollziehbaren Rechnung ergeben sich die 21.000 € für den Bauern Saúl Luciano? Und warum soll der Betrag erstmal an ihn und nicht direkt an den Bauträger für die Sicherungsmaßnahmen gehen? Im Beitrag fand ich hierzu nichts.







    Die erwähnten 21.000 € werden wohl schon für die (bestimmt nicht klimaneutralen) Flugreisen, Kost und Logis, Gerichts- und Anwaltskosten, sowie weitere Werbeaktionen draufgehen. Da wird wohl kaum ein € für die geplanten Sicherungsmaßnahmen übrigbleiben.







    Gibt es eigentlich schon Vorstellungen wegen des Schadenersatzes für die übrigen 99,53% des gesamten CO2-Ausstoßes? Darum scheint sich aber Germanwatch nicht zu kümmern, jedenfalls fand ich auf //germanwatch.org keine Angaben hierzu. Die eigentliche Arbeit (=den Gesamtbetrag hereinholen und „gerecht“ verteilen) mögen dann andere tun – und das ist es, was ich kritisiere!







    Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    Die Moderation

  • Sollte mich wundern, wenn der "Plan" funktioniert!

     

    Mag ja sein, dass es in Deutschland einen § 1004 BGB gibt. Es fragt sich allerdings, wie lange der noch im Gesetzbuch stehen bleibt, wenn diese Klage Erfolg hat – und ein vergleichbarer Paragraph in anderen Staaten nicht mal existiert.

     

    Genau wie die weltweite Migration ist der Klimawandel ein Problem, das auf nationaler Ebene nicht zu lösen ist. Schon gar nicht auf dem Klageweg. Dass Alleingänge niemanden beeindrucken, muss Kanzlerin Merkel grade leidvoll erfahren. Petzender Musterschüler zu sein, rechnet sich einfach nicht. Jede Lücke, die dadurch entsteht, dass ein Staat seinen Verpflichtungen nachkommt, füllt umgehend ein anderer.

     

    Sollten die Deutschen den rechtlichen Rahmen für eine Klage gegen RWE aufrechterhalten, werden andere Staaten diesem Beispiel kaum folgen. Sie werden vielmehr „lernen“ aus dem deutschen Exempel und versuchen, ihre Gesetze „klagefest“ zu machen. Auf dass ihre Energiewirtschaft triumphiert über die deutsche RWE. Wo nationale Egoismen greifen, können 0,47 Prozent „kriegsentscheidend“ sein.

     

    Mag ja sein, dass die 21.000 Euro dringend gebraucht werden. Nur: Wer sich mit „Peanuts“ abspeisen lässt, der zahlt am Ende häufig drauf. Weil er denen, die ohnehin am längeren Hebel sitzen, unnötig Zeit gibt, sich auf Angriffe einzustellen. Wir haben die Großen längst schon zu groß werden lassen, als das wir sie noch unter Kontrolle bringen könnten.

     

    Nützt alles nichts: Globale Probleme müssen global gelöst werden. Global und möglichst gewaltfrei. Wenn Germanwatch nicht weltweit synchron klagen kann, weil es Gesetze wie in Deutschland anderswo (noch) gar nicht gibt, bleibt eigentlich nur eins: Viele kleine Projekte, die Menschen unabhängig machen von RWE und Co. Zeitgleich.

     

    Merke: Der „große Sprung“ ist schon ganz anderen als Saúl Luciano Lliupa und seinen Beratern nicht bekommen. Zu viel Narzissmus mit zu viel Blauäugigkeit gepaart ist jedenfalls auch kein Erfolgsrezept.

  • Bei allem Verständnis und Mitgefühl gibt es schon ein paar Unklarheiten, besonders, wenn wie dargestellt, alles mit allem zusammenhängt.

     

    Das fängt auf der persönlichen Ebene an. Vielleicht ist es gerade durch das Wachstum (und leider den CO2 Emissionen), möglich geworden, zB Umweltingeneur zu werden und nicht Bergbauer zu werden/bleiben.

     

    Und geht regional weiter: Eine Region die von Tourismus lebt, kann eigentlich nicht über den Klimawandel klagen. Höchstens lokaler Ökotourismus kann CO2 neutral sein, internationaler Tourismus wird es selbst mit irgendeinem Greenwashing Zertifikat nie sein.