Gleichstellung von Homopaaren: Union verharrt in Schockstarre
Nach dem Karlsruher Urteil, Homosexuellen Adoptionen zu erleichtern, findet die Union kaum Worte. Wenn doch, argumentiert sie nach dem Bauchgefühl.
BERLIN taz | Im Wesentlichen bleibt die Union auch am Mittwoch sprachlos. Nur einer meldet sich zu Wort: CSU-Rechtsaußen Norbert Geis. Die Verfassungsrichter seien auf dem „Holzweg“, wenn sie homosexuelle Paare weiter gleichstellen wollten. „Eltern sind nun mal Vater und Mutter“, sagte er dem Deutschlandfunk. Homo-Eltern seien demnach nicht „naturgemäß“.
Schon am Vortag hatte es der Union die Sprache verschlagen, nachdem das Bundesverfassungsgericht wie erwartet die Rechte homosexueller Paare bei Adoptionen gestärkt hatte. Während andere Parteien binnen kurzer Zeit euphorisch reagierten und sich mit weiterreichenden Forderungen zur Gleichstellung übertrumpften, verharrten CDU und CSU stundenlang in Schockstarre.
Wen man auch zu erreichen versucht, immer heißt es: Politiker x ist persönlich verhindert, Politikerin y im Sitzungsmarathon. Nur wenige sagen offen, sich zum Thema nicht äußern zu wollen.
CDU und CSU stecken in einem Dilemma. Einerseits wissen sie, dass die Gesellschaft weiter ist. Dass in Großstädten mit dem Konservatismus nicht mehr viel zu holen ist und man einen modernen Anstrich braucht. Andererseits haben sie Angst, so die Stammtischwählerschaft zu verschrecken. Denn in katholisch geprägten Kreisen zählt die heterosexuelle Ehe noch immer alles, die homosexuelle Partnerschaft nicht viel. Und hinter all der Ablehnung schwingen stets latent homophobe Vorurteile mit.
Das Problem einfach aussitzen
Die Strategie ist also: das Problem aussitzen. Merkels Sprecher erbat sich Zeit für eine intensive Auswertung des Urteils. Die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Andrea Voßhoff, erklärte, das Urteil sei vertretbar, man sei aber letztlich der Meinung, Vater und Mutter seien gut für ein Kind. Argumente dafür gab es nicht. Meinungen werden bei der Union scheinbar aus dem Bauch heraus gebildet, nicht auf Grundlage von Fakten.
Dabei ist der ideologische Kampf längst entschieden. Die Karlsruher Richter hauen der Regierung seit Jahren ein Urteil zur Gleichstellung nach dem anderen um die Ohren. Die Kirchen haben ihre Deutungshoheit über die Definition von Familie verloren. Für manche in der Union ist es ein fataler Fehler, sich von Karlsruhe den politischen Gestaltungsauftrag aus der Hand nehmen zu lassen. Sie fordern, selbst die Initiative zu ergreifen. Nur öffentlich sagen wollen sie das nicht. Es würde zu viel Unruhe stiften.
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