piwik no script img

GleichberechtigungOlaf Scholz und die Frauen

Zur Bundestagswahl tritt Hamburgs SPD mit je sechs Männern und Frauen an. Ins Parlament schafft es aber wohl nur eine Frau – sicher aber vier Männer.

Sie hat ihren Platz im Bundestag sicher: Aydan Özoguz Foto: Daniel Brockwoldt/dpa

HAMBURG taz | Die Seitenhiebe waren vorhersehbar. „Wir wählen heute unsere Liste für den Bundestag – mit genau so vielen Frauen wie Männern“, gab SPD-Landesvorsitzender Olaf Scholz die Richtung vor auf dem Parteitag am Sonnabend im Bürgerhaus Wilhelmsburg. Und verbarg nicht sein „demokratisches Entsetzen“ über das unwürdige Schauspiel, das die Hamburger CDU 36 Stunden zuvor am selben Ort aufgeführt hatte. Vier Männer auf den ersten vier Rängen hatte sie nominiert, Frauen wurden nach hinten auf die aussichtslosen Plätze geschickt.

Das sei eine „rückwärtsgewandte 50er-Jahre-Politik der CDU“, kritisierte Scholz unter dem Jubel der 320 SPD-Delegierten, und auch Aydan Özoguz, die kurz darauf erneut zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl gewählt wurde, erklärte den 50-prozentigen Frauenanteil auf der SPD-Liste „zu einem klaren Signal für eine moderne Gesellschaftspolitik“. Beide aber sitzen im Glashaus.

Denn von einer paritätischen Verteilung der Bundestagsmandate nach der Wahl im September 2017 kann keine Rede sein. Vier Männer und zwei Frauen wird Hamburgs SPD wahrscheinlich entsenden: Frauenanteil ein Drittel. Wenn es schlecht läuft, kommt aber nur Özoguz durch – und schon ist die vermeintliche Geschlechterparität auf ein mageres Fünftel zusammen geschnurrt.

Bei CDU und SPD nominieren die Kreisverbände autonom ihre KandidatInnen für ihren Bundestagswahlkreis, der Landesvorstand hat nur informellen Einfluss. Die Landesliste, die er dem Parteitag zur Abstimmung vorlegt, enthält deshalb auf den vorderen Plätzen die in den Kreisen nominierten Direktkandidaten – und dazwischen müssen Frauen die Lücken füllen.

Als Spitzenkandidatin mit guten 94 Prozent bestätigt wurde Özoguz aus Wandsbek, stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende und Staatsministerin für Integration im Bundeskanzleramt. Dahinter rangiert der langjährige und nicht unumstrittene Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs aus Mitte, der mit 69 Prozent das mit Abstand schlechteste Ergebnis erhielt, vor der Newcomerin Dorothee Martin aus dem Kreisverband Nord.

Die weiteren drei männlichen Direktkandidaten Niels Annen (Eimsbüttel), Matthas Bartke (Altona und Metin Hakverdi (Bergedorf-Harburg) folgen auf den Plätzen 4, 6 und 8. Dazwischen müssen auf den ungeraden Plätzen weibliche Nachwuchskräfte und Bezirkspolitikerinnen dafür sorgen, dass Parteichef Scholz von einer paritätisch besetzten Liste schwärmen kann. Chancen auf ein Bundestagsmandat haben sie indes nicht.

Denn das erklärte Wahlziel der SPD ist es, „dass wir alle sechs Wahlkreise in Hamburg erobern“, stellt Scholz klar. Das wären Mandate für die vier männliche und zwei weiblichen DirektkandidatInnen, die Liste käme gar nicht zum Zuge. Fünf Wahlkreise sind der SPD traditionell sicher, wackelig ist vor allem der Wahlkreis Nord, den 2013 CDU-Urgestein Dirk Fischer gewann. Der 73-Jährige tritt nach 37 Jahren im Bundestag nicht mehr an, das könnte die Chancen des 39-jährigen Neulings Dorothee Martin erhöhen.

Wenn sie aber scheitert, ist Özoguz die einzige Hamburger Sozialdemokratin im nächsten Bundestag – und der Spott über die rein männliche Hanse-CDU bleibt im sozialdemokratischen Halse stecken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Also hat ernsthaft jemand von der "CSU des Nordens" - auch SPD-Hamburg genannt - etwas anderes erwartet???

  • Also der Kracher ist doch nicht die (Pseudo-)Frauenquoute, sondern dass Johannes Kahrs den zweiten Platz der Liste mit 69 Prozent erhält.

     

    Das bedeutet für mich, dass der Kahrs-Flügel die Macht immer stärker an sich ziehen kann. Zwar hat Kahrs viele Probleme, aber nicht was seine Macht angeht.

     

    Und für was steht eigentlich Kahrs? Er ist für mich der ultra-rechte, Agenda-2010, Gerd-Schröder und Helmut-Schmidt-Gedächnisclub-Vertreter - ein Regierungsabgeordneter - egal, wer gerade regiert.

     

    Vielleicht ist es in der Politik gut, wenn Menschen entschlossen sind und sich nicht scheuen, eine Regierungslinie offensiv sich zu eigen zu machen, aber dieses Ergebnis zeigt, wie extrem rechts die Hamburger SPD inzwischen ist und wie normal die politischen Positionen von Johannes Kahrs inzwischen für die SPD sind.

  • Die Kritik an der männerlastigen Landesliste der CDU kann ich - selbst Quotengegner - wenn auch nicht teilen, so doch wenigstens nachvollziehen. Aber jetzt auf der Hamburger SPD herumzuhacken, kommt mir dann doch etwas überzogen vor.

     

    Wie hätte die es denn "besser" machen sollen? Wer 80-100% der Direktmandate seines Landes abräumt, KANN eben über die Liste nur sehr begrenzt Einfluss auf die Zusammensetzung der letztlich entsandten Landesgruppe nehmen. SOLLTE es nichts werden mit dem sechsten Direktmandat, das Wahlergebnis aber gut genug ausfallen, um einen Rückgriff auf die Landesliste zu ermöglichen, WÄRE wohl in jedem Fall eine Frau am Zug (im Zweifel genau die, die es dann nicht über die Direktwahl geschafft hätte). Mehr kann man - von der Landesliste - an Frauenförderung nicht erwarten.

     

    Einzige Möglichkeit eines "Mehr" wäre gewesen, schon die Direktmandate zu quoteln, also effektiv vom Landesverband aus den einzelnen Kreisverbänden vorzuschreiben, wer gefälligst eine Frau und wer einen Mann aufzustellen hat. Mit gelebter Demokratie hätte das allerdings wenig zu tun.