Gleichbehandlungsgesetz missachtet: Richter verbietet Anwältin Kopftuch
In Berlin wurde einer Rechtsanwältin untersagt, vor Gericht ein Kopftuch zu tragen. Das zeigt, welche Verwirrung bei diesem Thema inzwischen herrscht.
Manchmal brauchen sogar Richter Nachhilfe in Sachen Rechtstaat. Das zeigt jetzt das Amtsgericht Mitte in Berlin. Dessen Richter haben einer Rechtsanwältin schon mehrfach untersagt, zur Verhandlung vor Gericht mit einem Kopftuch zu erscheinen. Die Anwältin, die anonym bleiben möchte, will jetzt dagegen klagen und notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht ziehen, sollte dies noch einmal passieren. Unterstützt wird sie dabei von der Berliner Rechtsanwaltskammer. „Rechtsanwälte üben einen freien Beruf aus“, betont deren Präsident Marcus Mollnau. „Im Gegensatz zu Staatsanwältinnen und Richterinnen sind Anwältinnen auch nicht zu religiöser Neutralität verpflichtet.“
Nur, wer im öffentlichen Dienst steht, darf nach dem Berliner „Neutralitätsgesetz“ von 2005 keine auffälligen, religiös geprägten Kleidungsstücke tragen. Muslimische Lehrerinnen, Richterinnen und Staatsanwältinnen dürfen deshalb kein Kopftuch tragen. Auch ein jüdischer Polizist, der in Berlin im Dienst mal eine Kippa getragen hatte, bekam deshalb schon Schwierigkeiten. Doch Rechtsanwälte sind eben gerade keine Staatsdiener, sondern vertreten ihre Mandanten.
Dabei unterliegen Rechtsanwälte vor Gericht durchaus einer Kleiderordnung: Sie müssen etwa bei Strafprozessen eine Robe tragen. In kurzen Hosen oder mit einem Fahrradhelm auf dem Kopf würde auch wohl kaum ein Rechtsanwalt vor Gericht erscheinen, der ernsthaft seinen Mandanten vertreten will – dem stünde die „Würde des Gerichts“ entgegen. Doch was spricht gegen ein Kopftuch, das eine Anwältin aufgrund ihrer religiösen Überzeugung trägt? Nichts. Das ist aber offenbar nicht unter allen Juristen Konsens.
Schon jetzt sind die Jobaussichten für gläubige Muslimas, die Jura studieren, nicht allzu groß. Der Streit am Amtsgericht Mitte in Berlin ist für Lydia Nofal vom Berliner Netzwerk gegen Diskriminierung von Muslimen deshalb ein „ganz typischer Fall“. Sie sagt: „Die Rechtslage ist klar, und zumindest ein Richter sollte sie kennen.“ Denn wer Frauen aufgrund ihres Kopftuchs benachteiligt, verstößt seit 2006 sogar gegen das "Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz", das vor sieben Jahren in Kraft getreten ist. Doch bei vielen, die das tun, fehle das Unrechtsbewusstsein, hat Nofal fest gestellt. Das gilt selbst für Richter: „Wir hatten auch schon Schöffen, die deshalb aus dem Gerichtssaal verwiesen wurden.“
Bereits das Berliner Neutralitätsgesetz sei problematisch, findet Nofal, weil es gläubige Muslimas de facto vom Staatsdienst ausgrenze. Außerdem habe es eine fatale Signalwirkung auf private Arbeitgeber, die sich sagen: Wenn das Kopftuch im öffentlichen Dienst nicht erlaubt ist, müssen wir es auch nicht akzeptieren. Für viele ist es paradox, dass das eine geltendes Recht ist und das andere eine rechtswidrige Diskriminierung darstellt.
Dabei werden muslimische Frauen, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen, ohnehin vielfach diskriminiert. Meistens passiert das an Schulen, während des Studiums, bei der Jobsuche oder einfach so, in der Öffentlichkeit – durch Lehrer, Kommilitonen, Dozenten, potentielle Arbeitgeber oder irgendwen. Nofal berät junge Frauen, wie man sich dagegen wehren kann. Doch eine Klage kostet Geld, Zeit, Mut und Nerven.
Es gäbe auch immer noch zu wenig qualifizierte Juristen, die sich mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz auskennen, klagt Nofal. Viele Betroffene hätten deshalb resigniert, oder sie kennen ihre Rechte nicht. Das ist bei der Rechtsanwältin, die jetzt gegen die Richter am Amtsgericht Mitte in Berlin klagen will, allerdings anders. Sie ist bereit, für ihre Berufs- und Religionsfreiheit jetzt notfalls auf die Barrikade zu gehen.
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