Giftige Lichtquellen: Streit um Quecksilber-Leuchten
Umweltschützer:innen beklagen einen „Doppelstandard“ bei der EU. Die will europäische Verbraucher:innen schützen, aber kein internationales Verbot.

Energiesparlampen sind giftig und machen auch noch hässliches Licht Foto: Shotshop/imago
BERLIN taz | Erst ging es um die kalte Beleuchtung von Albträumen. Operationssäle, Autobahnraststätten, Mathestunden: Über allem wachte die Leuchtstoffröhre. Später tauchte ihre kleine Schwester, die Energiesparlampe, auch Wohnzimmer in unbequemes Licht.
Mittlerweile dürfen die meisten Typen der Leuchte in der Europäischen Union schon nicht mehr verkauft werden, der Rest folgt in den nächsten Jahren. Denn die Leuchten enthalten giftiges Quecksilber. Mit den LED-Lampen ist mittlerweile sowieso eine viel bessere Option auf dem Massenmarkt: kein Quecksilber, noch weniger Stromverbrauch, langlebiger. Nur: Das heißt nicht unbedingt, dass die EU auch plant, den Export der potenziell gefährlichen Energiesparlampen in andere Länder zu stoppen.
Im März tagen die Vertragsstaaten des internationalen Minamata-Übereinkommens von 2013, das die Freisetzung von Quecksilber eindämmen soll. Unter anderem geht es darum, welche Produkte es wegen ihres Gehalts an dem giftigen Metall künftig nicht mehr geben soll. Ein Vorschlag der Europäischen Union vom April 2021 enthält zwar Leuchtstoffröhren, nicht aber Energiesparlampen.
Von einem „Doppelstandard“ spricht deshalb Michael Scholand von der US-amerikanischen Umweltorganisation Collaborative Labeling and Appliance Standards Program, die sich auf Energieeffizienz spezialisiert hat. „Wenn ein Produkt zu ineffizient und giftig für europäische Verbraucher:innen ist, warum ist es noch gut genug für andere Länder?“
Andere Länder fordern Komplett-Verbot
Auch andere Länder sehen das so. Ein Zusammenschluss von 37 afrikanischen Staaten fordert in seinem Vorschlag beispielsweise, sämtliche quecksilberhaltigen Leuchten bis 2025 sukzessive zu verbieten – in Handel und Produktion.
Am Mittwoch trifft sich auf EU-Ebene die Arbeitsgruppe für internationale Umweltfragen, ein Ausschuss der EU-Regierungen, der Positionen für internationale Verhandlungen erarbeitet. Diesmal dürfte es auch um die gemeinsame Haltung zu den Quecksilber-Verhandlungen im März gehen.
Für die EU-Verbraucher:innen sollen indes auch die letzten Ausnahmen für quecksilberhaltige Produkte wegfallen. „Es ist besonders wichtig, die schädlichsten Chemikalien wie Quecksilber nicht mehr in alltäglichen Produkten wie Lampen zu nutzen“, sagte Frans Timmermans, Vizechef der EU-Kommission, im Dezember zur Vorstellung eines entsprechenden legislativen Akts, der gerade durch die verschiedenen EU-Organe geht.
Leser*innenkommentare
sollndas
Um was man sich alles rumstreiten kann. Leuchtstoffröhren sind doch sowieso am Aussterben, wie z.B. auch die Röhrenfernseher und -Monitore seligen Andenkens.
Axel Berger
Seit der Erfindung des künstlichen Lichtes, vom ersten Lagerfeuer an, versucht der Mensch weg vom Funzeln der roten Glut dem weißen Sonnenlicht nahezukommen. Sehr lange hat es gedauert und mit der Leuchtstofflampe ist es -- von speziellen Photo- und Filmlampen mit 10 h Lebensdauer einmal abgesehen -- zum ersten Mal gelungen. Die Deutschen haben einen unverständlichen Drang zu "warmweißen" Rotlichtetablissements, in Italien und anderen lebensfrohen, südlichen Ländern ist weißes Licht seit vierzig Jahren die Regel. Auch ich sitze hier bei tageslichtnahen 6000 K Farbtemperatur.
Warum wohl steht bei LED-Lampen nie der Farbindex auf der Packung? Bei Leuchtstoff sind 90 % schon lange handelsüblich. Ja, bei warmweißen LEDs wird es langsam besser, aber für weißes Licht bleibt es bis jetzt grauenvoll. (In der Tiefgarage mit den vielen, kurzen Schaltspielen haben wir sie trotzdem.) Solange das nicht besser wird, werde ich auf meine bewährten und angenehmen Leuchtstofflampen nicht verzichten. Wenn man sie ordnungsgemäß zum Recyceln bringt, bleibt das Quecksilber drin und der giftige Leuchtstoff auch.
Roberto Callerame
@Axel Berger „ Wenn man sie ordnungsgemäß zum Recyceln bringt, bleibt das Quecksilber drin und der giftige Leuchtstoff auch.“
So wie beim Plastikmüll, dass in Deutschland mittlerweile akribische vom Verbraucher sortiert wird, in die Türkei exportiert und auf offene Brachflächen verbrannt wird?
Im Endeffekt haben wir Verbraucher, dadurch dass wir nun den Müll trennen, in der Müllindustrie sehr viele Arbeitsplätze abgebaut und sehen zu wie es vorsortiert an Ländern exportiert wird wo es keine ökologischen Konzepte für das Recycling gibt.
Ich erinnere mich noch an die Zeit wo der analogen Außentemperatur Thermometer wegen des Quecksilbers verboten wurde. Hat sich bestimmt für die Batterie Hersteller gelohnt.
Und ich sehe auch Parallelen zu Pflanzen(schutz)mitteln die in Deutschland hergestellt aber in der EU verboten sind. Aber dann doch nach Südamerika exportier werden und wir die mit der Flugmango wieder in unseren Obstkorb finden.
Gruß Roberto
Axel Berger
@Roberto Callerame Leuchtstofflampenrecycling ist in Deutschland gut etabliert. Kunststoffe kann (und sollte) man tatsächlich sinnvoll nur verbrennen oder wohlsubventionierte und lukrative Showprojekte für Journalisten mit einem Abschluß in Gender Studies vorspielen.
Außen- und Innenthermometer haben heute eine blau eingefärbte Alkoholfüllung. Schwerer herzustellen als die alten mit Quecksilber aber die Fertigungstechnik hat in 200 Jahren dazugelernt.
Organische Pflanzenschutzmittel werden in der Natur abgebaut. Stabil und deshalb in der Nahrung wiederzufinden und im Boden angereichert ist das vom Ökolandbau verwendete Schwermetall Kupfer.