Gezerre um Steuersünder-CD: Rund 100 Millionen für Staatskasse
Daten mutmaßlicher Steuersünder wurden dem Staat zum Kauf angeboten. Die Parteien sind sich nicht einig, ob geklaute Steuerdaten zur Strafverfolgung genutzt werden sollten.
Soll der Staat geklaute Steuerdaten aus der Schweiz ankaufen, um damit Steuerhinterzieher zu überführen? Die SPD ist dafür, die Union eher dagegen. Auch die Opposition ist gespalten, die Grünen würden zugreifen, von der Linken kommt Widerspruch.
Am Wochenende wurde bekannt, dass der Wuppertaler Steuerfahndung die Daten von 1.500 unentdeckten Steuersündern angeboten wurden. Sie sollen die Zinsen von ihren Schweizer Konten in Deutschland nicht angegeben haben. Der Informant verlangt dafür 2,5 Millionen Euro, im Gegenzug rechnen Ermittler mit zusätzlichen Einnahmen in Höhe von rund 100 Millionen Euro. Ein erster Test bei fünf Datensätzen erwies sich als vielversprechend.
"Finanzminister Schäuble sollte die Daten unbedingt kaufen oder eine entsprechende Vereinbarung mit den Finanzministern der Länder treffen", sagte der SPD-Steuerexperte Joachim Poß der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Dagegen verwies Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in der Tagesschau auf rechtsstaatliche Grundsätze: "Das Interesse an den Daten kann nicht allein maßgeblich sein".
Die Grünen finden das verdächtig: "In der CSU entdeckt man meist dann den Datenschutz, wenn es um den Schutz von Steuerhinterziehern geht", erklärte gestern Jerzy Montag, der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, der taz. Er plädiert für den Ankauf. "Eine effektive Verfolgung der Steuersünder dient uns allen." Es gelte die Verhältnismäßigkeit der Mittel. "Wenn der Anbieter sich die Daten durch eine relativ geringfügige Straftat beschafft hat, darf der Staat die Daten kaufen - aber natürlich nicht, wenn er sie durch einen Mord erlangt hätte."
Wolfgang Neskovic, rechtspolitischer Sprecher der Linken, vertritt die Gegenposition. "Im Rechtsstaat heiligt der Zweck nicht die Mittel." Strafbares Verhalten darf nicht belohnt werden, sagte der Jurist am Wochenende zur taz. "Es ist doch widersinnig, wenn der Staat den Datenklau unter Strafe stellt, dann aber selbst einen Markt für Datendiebe schafft, indem er solche Daten ankauft." Der Staat solle mehr Betriebsprüfer und Steuerfahnder einstellen, und die Gerichte sollten härtere Strafen verhängen. Neskovic war früher Richter am Bundesgerichtshof.
Auch jenseits der Parteien zeigten sich die Stimmen gespalten. Dieter Ondracek, Chef der Steuergewerkschaft, warb für einen Ankauf. "Niemand würde es verstehen, dass die mit den dicken Konten in der Schweiz davonkommen". Angesichts der erwarteten Steuernachzahlungen sei ein "Informationshonorar" von 2,5 Millionen Euro angemessen. Dagegen warnt der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar vor einem "Datenschutz nach Kassenlage". Er habe "große Zweifel an der Rechtmäßigkeit".
Vor über zwei Jahren hatte der Bundesnachrichtendienst fast fünf Millionen Euro gezahlt, um Daten von rund 1400 deutschen Steuersündern in Liechtenstein anzukaufen, unter ihnen war auch der damalige Postchef Klaus Zumwinkel. Er musste Steuern in Höhe von rund eine Million Euro nachzahlen und wurde vom Landgericht Bochum zu einer Geldbuße in gleicher Höhe und einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.
Ob der Datenkauf rechtmäßig war, wurde nie höchstrichterlich geklärt. Die Angeklagten waren mit der Behandlung durch die Justiz offenbar so zufrieden, dass sie keine Rechtsmittel einlegten.
Ulrich Sieber, Direktor des Freiburger Max-Planck-Instituts für Strafrecht, hält den Ankauf für unzulässig. Der Staat dürfe keine Beihilfe zur unbefugten Verwertung von Geschäftsgeheimnissen leisten. Allerdings müssten die Gerichte in jedem Einzelfall entscheiden, ob die so beschafften Daten im Strafverfahren verwendet werden dürfen.
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