piwik no script img

Gewerkschaften und Gelbwesten in ParisHeraus zum schwarz-rot-gelben 1. Mai

In Frankreich warnt die Regierung zum Tag der Arbeit: vor einem Schulterschluss von schwarzem Block, linken Gewerkschaften und den Gelbwesten.

Gegen die Gilets jaunes wurden bereits ausgiebig Wasserwerfer und Hartgummigeschosse eingesetzt Foto: ap/dpa

PARIS taz | Die Pariser Polizei rät den Banken, Restaurants und Geschäften zwischen Montparnasse und Place d'Italie dringend, sich am Mittwoch entlang der Demonstrationsstrecke zum Tag der Arbeit zu verbarrikadieren und so ihre Schaufenster gegen Attacken von „Casseurs“ und Plünderern zu schützen.

Denn die Behörden befürchten für diesen 1. Mai weit schlimmere Ausschreitungen als vor einem Jahr. Damals wurden am Rande der gewerkschaftlichen Demonstration ein Fastfood-Restaurant verwüstet sowie mehrere Autos in Brand gesteckt.

Der Staatsführung macht besonders die Anwesenheit gewaltsamer Gilets jaunes und antikapitalistischer Autonomer in der Gewerkschaftskundgebung Angst. Aufgrund der belauschten Diskussionen in den Netzwerken erklärte Innenminister Christophe Castaner, er sei vorgewarnt: „Wir wissen sehr wohl, dass extrem gewalttätige Ultralinke und Ultra-Gelbwesten nach Paris, aber nicht nur dorthin, kommen, um zu randalieren.“

Das Motto der Mobilisierung in diesen Kreisen laute „Letzter Akt“ (nach einem mehrfach wiederholten Ultimatum der Gelbwesten) oder sogar „Tag der Apokalypse“.

Polizeigewalt hat die Gelbwesten radikalisiert

Die Polizeigewalt gegen Teilnehmer an den Kundgebungen an allen Samstagen seit Mitte November hat zu einer Radikalisierung in den Reihen der Gelbwesten beigetragen. Auf einer ihrer Facebook-Seiten heißt es: „Nehmen wir uns die Straße, um unserer Wut und Hoffnung gegen Macron und seine Welt zu vereinen. Rüsten und organisieren wir uns, um ihn stürzen und ihm einen höllischen Tag zu bereiten. Der Krieg ist erklärt.“

Die Behörden rechnen aufgrund solcher Drohungen mit einem „Aufstandsversuch“ der radikalsten Demonstranten. Entsprechend rüsten sie sich und bereiten mit ihrer höchst dramatisch klingenden Kommunikation auch die öffentliche Meinung auf eine solche Konfrontation vor.

Mit Hilfe der neuen Anti-Krawallgesetze sollen weiträumig schon vor dem Beginn der Kundgebung bei Kontrollen von Demonstranten vorsorglich zweckdienliche Waffen“ und auch Schutzmasken konfisziert werden. Dabei soll die Polizei jetzt offensiver agieren, selbst auf das Risiko hin, so selbst zur Eskalation beizutragen.

Regierung kündigt härteren Polizeieinsatz an

„Wir haben klar angekündigt, dass unsere Einsatzdoktrin härter sein wird. Wenn sich schwarze Blöcke formieren, intervenieren wir sofort“, versicherte der Staatssekretär für öffentliche Ordnung, Laurent Nuñez.

Neben den in den letzten Monaten gegen die Gilet jaunes bereits ausgiebig eingesetzten Wasserwerfer, diverse Granaten und Hartgummigeschosse, die zu einer große Zahl schwerer Verletzungen führten, sollen jetzt auch vermehrt sehr mobile Polizistenduos auf Motorrädern intervenieren.

Die CGT und andere Gewerkschaften rufen zusammen mit Organisationen der Studierenden und MittelschülerInnen für diesen Mittwoch zu einer gemeinsamen Mobilisierung und zur „Ausweitung der Kämpfe“ auf. Der Appell richtet sich direkt an die Gelbwesten, deren „Forderungen bezüglich Kaufkraft und öffentliche Dienste ihren Platz haben am 1. Mai“, bestätigte beispielsweise CGT-Sekretär Fabrice Angéï.

Die beschworene Konvergenz

Sein Dachverband hatte anfänglich die Proteste der Gilets jaunes mit Skepsis beobachtet. Jetzt befürwortet die CGT zunehmend die von der antikapitalistischen Linken seit Langem gewünschte oder beschworene „Konvergenz“ -- Schwarz für den schwarzen Block, Gelb für Gilets jaunes und Rot für die Linke -- gegen die Regierungspolitik und das „System“ auf der Straße.

Andere Gewerkschaften wie die CFDT und die UNSA dagegen wollen sich von einem solchen Konfliktkurs fernhalten. Sie treffen sich am Vormittag in deutlicher Distanz auf dem anderen Seine-Ufer auf dem dafür prädestinierten Place de l'Europe unter dem Motto „Für ein Europa der Umwelt und der Sozialpolitik“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Von einem solchen solidarischen Zusammenschluß kann man in der BRD nur träumen.

    Bemerkenswert dabei ist, dass es sich wohl offenbar herausstellt, dass es sich bei den Gelbwesten doch eher um eine linke Bewegung handelt trotz aller Versuche, sie in eine rechte Ecke zu stellen.

  • Egal ob links oder rechts, jedes Extrem ist falsch, gerade wenn es gewaltbereit ist.

    Mir tun die Polizisten leid, die ihre Gesundheit wegen ein paar randalierenden Idioten aufs Spiel setzen.

  • "Die Polizeigewalt gegen Teilnehmer an den Kundgebungen an allen Samstagen seit Mitte November hat zu einer Radikalisierung in den Reihen der Gelbwesten beigetragen."

    Wer die Polizeigewalt am 22.4. z.B. in Toulouse gesehen hat, wird nachvollziehen können, dass da ganz normale Menschen radikalisiert werden. Es wurde mit Gasgranaten und Gummigeschossen massenhaft auf alles geschossen, was sich bewegte. Selbst Rollstuhlfahrer blieben nicht verschont. Überall Blut. Sanitäter mussten mit Gasmasken die Verletzten versorgen. Wie im Krieg. Nur dass im Krieg Kampfgase verboten sind. Gegen die eigene Bevölkerung ist das legal.



    Gäbe es solche Polizeigewalt in Russland, möchte ich nicht lesen und hören, wie die hiesigen Medien eine Empörungswelle lostreten, weil das Böse ja nur außerhalb der "Wertegemeinschaft" regiert.