Gewaltsame Demo-Räumung in Sonneberg: Polizist soll Mehrfachtäter sein
Einer der Polizisten der in Sonneberg eine Sitzblockade gewaltsam auflöste, soll öfter Demonstranten attackiert haben. Die Linke fordert Konsequenzen.
Der Fotojournalist Lionel C. Bendtner hatte das Vorgehen der Beamten in mehreren Bildern festgehalten. Dabei ist zu sehen, wie der Gruppenführer der Bereitschaftspolizei die Sitzblockade abläuft und den Demonstranten Pfefferspray ins Gesicht sprüht. Bendtner zufolge wurden die friedlichen Demonstranten weder zur Auflösung aufgefordert, noch vor dem Einsatz des Reizgases gewarnt. Nun laufen interne Ermittlungen gegen den sprühenden Polizisten.
Ein ähnlich gewaltsames Vorgehen soll die Thüringer Bereitschaftspolizei bereits im Juni 2015 in Mühlhausen gezeigt haben. Dort, so der Vorwurf, habe ein Polizeibeamter die Blockierer eines Thügida-Aufmarsches angeschrien, er würde „die Nazis durchlassen“, wenn sie nicht Platz machten. Auf die Nachfrage eines Eichsfelder Demonstranten, ob er denn selbst ein „Nazi“ sei, wurde dieser nach Angaben von Beobachtern von mehreren Beamten brutal zu Boden gerungen und dabei verletzt. Die Ermittlungen wurden später jedoch eingestellt. Nach Angaben der TLZ handelt es sich dabei um einen der räumenden Polizisten aus Sonneberg.
Auch in Erfurt soll der Beamte im März 2016 laut TLZ einen Demonstranten angegriffen haben. Der Thüringer Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Kai Christ sagte der taz, dass es im Land ein überschaubares Kontingent an Bereitschaftspolizisten gebe: „Bei Problemlagen rückt nicht jede Woche ein anderer aus. Da kann es vorkommen, dass ein Polizist häufiger gegen Demonstranten unfreundlich einschreitet, inbesondere wenn es ein Gruppenführer ist.“
Linke fordert schärfere Regeln
Pfefferspray-Amtshilfe
Der innenpolitische Sprecher der Thüringer Linksfraktion, Steffen Dettes, forderte auf Twitter bereits Konsequenzen aus Sonneberg. Es sei Zeit, den „inflationären Reizstoff-Einsatz rechtlich zu beschränken“. In einigen Bundesländern werden die Sprühgeräte nach jedem Einsatz gewogen. Die Thüringer Polizei erfasst lediglich die Anzahl der komplett entleerten Kartuschen, die in einem Jahr anfallen – aus Kostenabwägungen.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) will zunächst den Polizeibericht abwarten. Das sei zur Einschätzung des Vorfalls auch nötig, meint Polizeigewerkschafter Christ: „Der Einsatz von Reizgas ist im Polizeirecht klar geregelt. Als Hilfsmittel körperlicher Gewalt ist er nur in Notwehr erlaubt.“ Da die Bereitschaftspolizei immer von einem Beweissicherungsteam begleitet würde, könnten eventuell Filmaufnahmen das Vorgeschen aufklären. Sollten die Demonstranten weggetragen worden sein und sich dabei durch Tritte und Schläge gewehrt haben, wäre das Besprühen legitim gewesen.
Nach Aussage beteiligter Demonstranten und der örtlichen Polizeidienststelle gegenüber der Nachrichtenseite Thüringen24 seien Gegendemo und Sitzblockade in Sonneberg jedoch friedlich verlaufen. „In diesem Fall“, so Christ, „wäre Reizgas nicht zu rechtfertigen. Man sprüht nicht einfach Gruppen von der Straße.“ Sollten die Ermittlungen dies bestätigen, hätte der Polizeibeamte mit Disziplinarmaßnahmen zu rechnen, bei wiederholten Delikten sogar mit Entlassung.
Update 06.04.: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, der Polizist, der in Mühlhausen und Erfurt Demonstranten angriff, sei auch derjenige, der in Sonneberg Reizgas versprühte. Tatsächlich war der Mann bei der Räumung in Sonneberg anwesend, aber nicht derjenige, der das Pfefferspray versprühte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“