piwik no script img

Gewaltmonopol„Bild“ statt Bußgeld

Ein Zeitungszusteller gerät ins Visier zweier Polizisten: Sie lassen ihn tazzen in die Pfütze schmeißen, reißen rassistische Witze und wollen die „Bild“ von ihm.

Zielperson Zeitungszusteller: Zugriffe übt die Polizei auch im Trockenen. Bild: dpa

BREMEN taz | Zeitungszusteller sind die „Augen unserer Stadt“. So zumindest heißt eine Kampagne der Polizei Bremen, die Ende November gestartet ist. Umgarnt werden jene, die berufsbedingt in der dunklen Jahreszeit nachts auf den Straßen unterwegs sind. Sie sollen besonders wachsam sein. Auch Ramon N. hat als Zeitungszusteller schon verdächtige Beobachtungen gemeldet. Doch, dass er der Polizei in Zukunft noch hilft, ist unwahrscheinlich: Bei einer Kontrolle fühlt N. sich schikaniert. Zwei Polizisten nehmen ihm sein Arbeitsmesser ab, ein Teil seiner Zeitungen wird unzustellbar und er muss sich rassistische Sprüche über seinen Kollegen anhören – eine Streifenkontrolle, die nun durch interne Ermittlungen überprüft wird.

Als Ramon N. am letzten Samstag im November seine Schicht beginnt, ist es noch dunkel, es ist nass und unter sechs Grad. Um kurz nach sieben Uhr wird N. in der Bismarckstraße Ecke Horner Straße von einer Streife angehalten – sein Vorderlicht brennt nicht. Das ist in Bremen keine Seltenheit, fast jede FahrradfahrerIn kam deshalb schon mal mit einer mündlichen Verwarnung davon. Die Kontrolle, von der Ramon N. der taz berichtet, lässt sich nur mit Ironie als „großzügig“ bezeichnen.

Seinen Ausweis soll er zeigen. Die beiden jungen Polizisten überprüfen ihn, lassen sich Zeit. Ramon N. ist bei der Polizei kein unbeschriebenes Blatt und als „gewalttätig“ eingetragen. Die Polizisten legen nach. Nun wollen sie prüfen, ob sein Fahrrad vielleicht gestohlen ist. Das Rad ist N.s Arbeitsgerät und hinten voll beladen: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Bild-Zeitung, N. trägt verschiedene Titel aus. Dann sehen die Polizisten die taz. „So ein Schmierblatt“, sagen sie. N. soll sie auf den Boden schmeißen. Dort werden sie nass, können nicht mehr verteilt werde. „Völlig egal“ sei den Polizisten das gewesen, berichtet N.

Sie drehen das Fahrrad um, kontrollieren die Rahmennummer. N. läuft die Zeit davon, er wird pro Zustellung bezahlt und manch ein Abonnent wartet schon. Der eine Polizist macht ihm ein Angebot: N. könne ihm auch vier Bild-Zeitungen umsonst geben, dann würde er nichts mehr von ihm hören. N. lässt sich darauf nicht ein.

Was er noch in seinen Taschen habe, wollen die Polizisten nun wissen. Sie finden ein Messer, das Ramon N. braucht, um die Zeitungsballen aufzutrennen, die mit einem festen Plastik-Band verschnürt sind. Sein Vorgesetzter bestätigt das: N. sei damit nicht der einzige.

Das Messer nähmen sie mit, sagen die Polizisten, dafür würde es dann kein Bußgeld geben. N. beschwert sich, er braucht das Messer. Die Polizisten drohen, dass sie auch das Fahrrad beschlagnahmen könnten. Und, dass er das auch seinem „Neger-Kollegen“ sagen solle: „Wenn wir den noch einmal ohne Licht erwischen, ist er dran.“

Ramon N. selbst ist weiß, aber viele der Zeitungsausträger habe eine schwarze Hautfarbe, fahren auch durchs Viertel. Immer wieder haben sie dort Probleme, werden kontrolliert.

Den Satz, den der kleinere Polizist dann wohl als Witz meint, hat Ramon N. sich gemerkt: „Er sagte: ’Einen Vorteil hat das ja, wenn du einen Neger im Dunkeln überrollst, siehst du nur noch Augen‘.“

Nachdem die taz bei der Polizei Bremen um Stellungnahme bat, hat die eine Überprüfung durch die Abteilung für interne Ermittlungen eingeleitet. Vor einem Ergebnis werde man zu dem Vorfall keine Stellung beziehen. Allgemeiner erklärte die Polizei, zum Umgang mit eigenen Vorurteilen und Stereotypen würden seit mehr als sechs Jahren an der Hochschule für Öffentliche Verwaltung Seminare und Fortbildungen durchgeführt. „Interkulturelle Kompetenz“ sei ein Bestandteil der Ausbildung. Ein großer Workshop zum Thema sei für Anfang 2014 geplant.

Ramon N. verspätete sich auf seiner Tour letztlich um eine halbe Stunde. Sechs, sieben taz-Ausgabe wurden durch Nässe zerstört. Nur, weil er ein paar zu viel hatte, sei die Zustellung gerade so aufgegangen. Erst fünf Tage später bekommt er einen Beleg über die Sicherstellung seines Messers.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • G
    gast

    Darf jetzt jeder frei erfundene Räuberpistole in einem überregionalem Medium publizieren?

     

    Habt ihr beim Schreiben wenigsten gelacht?

  • K
    Klara

    Herr Baeck schreibt jetzt für die Rubrik: Humor&skurrile Geschichten...finde ich klasse!

  • B
    Bremer

    Zugegeben: der Artikel mutet schon ein wenig nach "Räuberpistole" an. Nur offensichtlich haben die bisherigen Kommentatoren noch nicht genug Kontakt mit verschiedenen Polizeibeamten (also nicht nur dem Kontaktpolizisten der jeden Tag durch das nette Viertel radelt) gehabt, um sowas für nicht fernab der Realität zu halten.

  • L
    Licht

    Danke taz ich habe lange nicht mehr so lachen können hier. Am besten ist die Sache mit dem Vorderlicht am Rad...das ist in Bremen keine Seltenheit. Jetzt weiß ich endlich warum mein Licht ständig kaputt ist...ich wohne in Bremen.

    • G
      gast
      @Licht:

      Ramon ist sicher das Lachen vergangen, wenn die Geschichte tatsächlich so war, nehme ich jetzt mal so an.

      WEr über solche Behandlungsweise lachen kann, kann man sich vorstellen wie Sie drauf sind.

       

      Das Resultat wird sein, die Polizisten haben natürlich rein gar nichts gesagt oder Ramon gar schickaniert. Wie sonst sollte es sein. Bis auf 2 od. 3 Fälle ist doch noch kein Polizist verurteilt worden und wenn war es mit Bewährung.

  • G
    Genau!

    Ich habe gehört, daß sich die beiden Polizisten dann noch einen Joint wünschten, danach ihre Ku-Klux-Klan-Masken aufsetzen, um ein brennendes Kreuz tanzten und wild in die Luft schossen. Das solltet ihr auch bringen.

    • G
      gast
      @Genau!:

      na klar, sich auch noch darüber lustig machen wie es die beschriebenen Polististen getan haben, die ihre "Macht" schäbig ausgenutzt haben. Das ist das das tolle an dem Beruf, oder ?????

  • G
    gats

    ganz schön ausgewogender bericht...

     

    zum guten journalismus hätte sicher gehört, mal beim thema gewalttätig nachzuhaken, nur mal so als hinweis vom journalistischen laien. stichwort glaubwürdigkeit. hätte ja auch sein können, dass sich das ganz anders zugetragen hat - passt dann aber nicht so schön ins weltbild

     

    und dass keiner mit einem taz artikel gewürdigt wird, der der polzei vorwirft "da wollten die von mir doch glatt, dass ich die springerzeitungen in den dreck schmeisse" ist auch klar

     

    manchmal kann ich mich nur wundern, was hier mittlerweile so veröffentlicht wird

    • GG
      @ GATS
      @gats:

      genau,und weil ein mensch mal gewalttätig war denkt er sich das aus. es könnte auch sein, dass es einfach rassistische polizisten gibt, die sich falsch verhalten und ihre machtstellung ausnutzen - passt dann aber nicht so schön in's weltbild ;)

      • R
        Rudi
        @@ GATS:

        entlarvend, dass gerade Sie von Weltbild reden. Null Punkte!