Gewalt gegen Migranten in Südafrika: Angst vor „Operation Dudula“
Eine Gewaltkampagne gegen afrikanische Migranten in Südafrikas Townships breitet sich rasant aus. Derweil verschärft sich die Wirtschaftskrise.
Vor wenigen Wochen wurden die Arbeitslosenzahlen für das vierte Quartal 2021 bekannt: 7,9 Millionen – 278.000 mehr als im Vorquartal – und in dem Land mit knapp 60 Millionen Einwohnern eine Arbeitslosenquote von 35,3 Prozent, ein Rekord. Das liegt nicht nur an der schweren Wirtschaftskrise infolge der Covid-19-Pandemie, sagt Analyst Daniel Silke. „Es ist Zeit, das Scheitern der aktuellen Wirtschaftspolitik anzuerkennen und diejenigen zu entfernen, die im Weg stehen“, sagte er.
Auf der Straße klingt das krasser. „Wenn wir den ANC [den regierenden Afrikanische Nationalkongress] und die illegalen Ausländer rausschmeißen, gibt es für unsere Leute Arbeit“, sagt ein Aktivist der neuen ausländerfeindlichen Kampagne „Operation Dudula“, die sich wie Buschfeuer aus dem Großraum Johannesburg nach Natal um Durban und sogar Westkap um Kapstadt ausgedehnt hat.
Dudula bedeutet wegschieben in der Zulusprache, es begann im Johannesburger Township Soweto als Kampagne gegen illegal eingereiste afrikanische Migranten, die dort Geschäfte machen. Die Kampagne nährt sich aus einem verbreiteten Gefühl, dass einheimische Südafrikaner durch die Benachteiligung in der Apartheid-Ära heute noch weniger Chancen hätten als afrikanische Migranten, die den Einheimischen Jobs und Sozialleistungen wegnähmen.
Gewalt gegen ausländische Kleinhändler
Nhlanhla Mohlauli, Anführer der Operation Dudula, wurde am Montag vergangener Woche von einem Gericht in Roodeport bei Johannesburg gegen eine Kaution von 1.500 Rand (94 Euro) aus der Untersuchungshaft entlassen. Die Polizei wirft ihm Einbruch, Diebstahl und Sachbeschädigung im Rahmen seiner „Operation“ vor. Er hatte Dudula-Aktivisten beim Sturm auf das Haus von Victor Ramerafe angeführt – einem Unterstützer der linksoppositionellen EFF (Economic Freedom Fighters) in Soweto, dem er vorwarf, in seinem Haus Drogenhandel zu betreiben.
Nun beharken sich Dudula-Führer Mohlauli und EFF-Chef Julius Malema, die zwei lautstarksten Politiker Südafrikas, wenn es um Jugend- und Migrationsthemen geht. Der 35-jährige Mohlauli ist ein ausgebildeter Pilot, der gerne in Militärkleidung auftritt, Einwanderern den Krieg erklärt und sagt, er sei bereit, für seine Überzeugungen zu sterben. Der 41-jährige Malema läuft Sturm gegen Korruption beim ANC und fordert zugleich ein geeintes Afrika ohne Grenzen.
In der Provinz Gauteng rund um Johannesburg, Epizentrum von Dudula, sind Aktivisten längst dabei, ausländische Kleinhändler gewaltsam von ihren Verkaufsständen zu verjagen. Sie haben auch Ausländer aus einem angeblich besetzten Haus werfen wollen. Die Innenstadt von Johannesburg und angrenzende Viertel wie Hillbrow haben den höchsten Ausländeranteil in ganz Südafrika.
Vor einer Woche breiteten sich die Spannungen in die Stadt Bredasdorp in Westkap aus – zwei Wochen nachdem Einwanderer aus Simbabwe und Lesotho, die in Westkap um Saisonarbeit konkurrieren, bereits aneinandergeraten waren. Eine Demonstration für bessere öffentliche Dienstleistungen degenerierte in ausländerfeindliche Gewalt: Militante brachen in Häuser ein, demolierten Kioske und stahlen Waren.
Wiederholen sich bald die Unruhen von 2021?
In der Provinz KwaZulu-Natal hat die Polizei vorerst Aktivitäten der Operation Dudula verhindert – die Provinz war im Juli 2021 Epizentrum der massiven Plünderungen und Gewalt, die sich ausbreiteten, als Kriminelle Protestaufrufe von Anhängern des Ex-Präsidenten Jacob Zuma gegen dessen Verhaftung ausnutzten und am Ende über 300 Menschen starben.
Erneute Unruhen hier sind ein Angstszenario. „Wenn ich im Fernsehen Dudula in anderen Provinzen sehe, kann ich kein Risiko mehr eingehen. Ich schließe mein Geschäft, bis ich eine Zusicherung erhalte, dass Dudula endet“, sagt der Sambier Tennyson Jere, der in der Millionenstadt Durban ein Handyreparaturgeschäft betreibt.
Die rechtsoppositionelle DA (Democratic Alliance) warnt, eine Fortsetzung der Dudula-Übergriffe würde Südafrika in eine ähnliche Gewaltspirale treiben wie im Juli. „Wir verstehen den Frust unter marginalisierten Gemeinschaften, aber wir glauben nicht, dass Xenophobie und Gewalt dagegen das geeignete Mittel sind“, sagte DA-Schatteninnenministerin Angel Khanyile. Sie warnte vor Kleinparteien wie Action SA und Patriotic Alliance, die die sogenannte Afrophobie anfeuern.
Südafrikas nächste Wahlen 2024 werfen bereits ihre Schatten voraus, und dieses Jahr bereits hält der regierende ANC seinen Wahlparteitag ab, der über die Kandidaturen entscheidet. Kritiker werfen Staatspräsident Cyril Ramaphosa vor, sich vorrangig dem Zusammenhalt des ANC zu widmen statt dem Zusammenhalt Südafrikas.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen