Getränkeindustrie schlägt Alarm: Gaspreis verknappt Kohlensäure
Manche Getränkehersteller produzieren weniger, da Säure fehlt. Sie fällt bei der Düngerherstellung an, die wegen der Gaskosten eingeschränkt wurde.
Ein Großteil des CO2 auf dem Markt entsteht wie das ebenfalls knapper werdende Abgasreinigungsmittel AdBlue (taz vom 6. 9. 22) als Nebenprodukt der Kunstdüngerherstellung aus Erdgas. Doch über 70 Prozent der europäischen Kunstdüngerproduktion steht dem Branchenverband Fertilizers Europe zufolge seit August still. Denn Erdgas habe in der EU vor wenigen Wochen 15-mal mehr gekostet als vor der aktuellen Krise und 10-mal mehr als etwa in den USA. Die Landwirte kaufen deshalb vermehrt billigere Konkurrenzprodukte, etwa aus Nordafrika, den Golfstaaten oder den Vereinigten Staaten.
Die Getränke-Industrie dagegen kann nicht so leicht die heimische Produktion durch Einfuhren von anderen Kontinenten ersetzen. „An einzelnen Stellen wurde die Produktion schon zurückgefahren“, sagte Tobias Bielenstein, Sprecher der Genossenschaft Deutscher Brunnen, der zentralen Einkaufsgemeinschaft der deutschen Mineralbrunnenbranche. Die Aktienbrauerei Kaufbeuren etwa stellt keine Limonade mehr her. „Weil Limonade sehr viel Kohlensäure braucht und wir nur noch geringe Mengen hatten, ging es nicht anders“, sagt Geschäftsführer Gottfried Csauth.
Kohlensäure wird nicht nur Getränken zugesetzt, sondern wird beispielsweise auch verwendet, damit Bier bei der Abfüllung nicht in Kontakt mit Luft kommt.
Großer Düngerhersteller fährt Anlage wieder an
Der Kohlensäuremangel trifft aber nicht alle gleich: Die Radeberger-Gruppe mit Biermarken wie Jever, Clausthaler oder Schöfferhofer sieht noch keine Probleme: „Da wir vornehmlich Gärungskohlensäure aus unserer eigenen Produktion in unseren Brauereien einsetzen, sehen wir kurzfristig kein Ausfallpotenzial.“
Auch bei den Mineralwasserherstellern müssen sich manche keine Sorgen machen: „Bei der Abfüllung des Gerolsteiner Mineralwassers setzen wir ausschließlich natürliche Quellkohlensäure ein“, sagt Ulrich Rust aus der Geschäftsführung der Gerolsteiner Brunnen. Das Unternehmen sei nicht von Lieferengpässen betroffen.
Brauerlobbyist Eichele befürchtet aber, dass vor allem bei der Herstellung von Erfrischungsgetränken und Wasser durch den zunehmenden Mangel an Kohlensäure die Produktion und Abfüllung immer häufiger unterbrochen werden müsse. Die Bundesregierung müsse dringend Maßnahmen ergreifen, damit die kritische Infrastruktur der Ernährungsindustrie mit bezahlbarem Kohlendioxid sichergestellt werden. „Und wir brauchen wirksame Schritte, um die eigentliche Ursache des CO2-Engpasses zu beseitigen – die explodierenden Energiepreise.“
Einer der größten deutschen Düngemittelhersteller, die SKW Stickstoffwerke Piesteritz in Lutherstadt Wittenberg, ist zuversichtlich, dass die Bundesregierung bald hilft. Deshalb fahre das Unternehmen gerade eine seiner zwei Ammoniakanlagen wieder an, sagte Firmensprecher Christopher Profitlich am Sonntag der taz. Dieser Prozess dauere 10 Tage. (mit dpa)
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