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Getötetes Walross in OsloTäter-Opfer-Umkehr

In Oslo entzückte das Walross Freya, indem es sich zum Sonnenbad auf Fischerboote wälzte. Nun wurde Freya eingeschläfert, zum Schutz der Menschen.

Wo auch immer das Walross sich niederlegte, es wurde fotografiert Foto: Tor Erik Schroder/Scanpix/ap

Man stelle sich vor: An einem idyllischen Fjord, zugegeben: Walrossgebiet, triebe sich seit einigen Wochen eine sonnenverliebte Dame mittleren Alters herum. Sie legte sich dort stets auf einen freien Felsen, mit Abstand zu den dort lebenden Walrossen. Die wiederum wären natürlich irritiert, vielleicht sogar amüsiert: Eine Menschenfrau! In ihrem Gebiet! Wie dreist! Irgendwie auch witzig.

Also kommen die Walrosse immer wieder zum Gucken an den Felsen, immer näher, vielleicht auch zum Fotosmachen (zur Verdeutlichung ist in dieser Utopie alles erlaubt). Die Dame stört das nicht, sie schläft 20 Stunden am Tag. Doch mit der Zeit werden die Walrosse immer aufdringlicher. Und die Walrossbehörden werden unruhiger: Wer weiß, vielleicht könnte es der Sonnenanbeterin irgendwann zu bunt werden, vielleicht würde sie aggressiv und schösse mit einem unter dem Handtuch versteckten Jagdgewehr auf die Schaulustigen.

Also beschließen die Behörden, die Dame präventiv mit ihren Walrosszähnen aufzuspießen. Zu ihrer eigenen Sicherheit. Und der Walrosse natürlich. Klingt unlogisch? Ist aber genauso in Oslo geschehen. Na gut, die alte Dame war in Wahrheit das Walross und die Schaulustigen waren Menschen. Aber hey, vielleicht wird so noch etwas deutlicher, wie absurd der menschliche Umgang mit tierischen „Störenfrieden“ zuweil ist.

Walrossdame Freya hatte zunächst noch alle damit begeistert, wie sie ihren knapp 600 Kilo schweren Körper auf winzige Fischerboote schwang, um auf ihnen in der Sonne zu dösen. Manche gingen unter der Last unter, haha, wie witzig, eine putzige Tiergeschichte fürs Internet! Doch dann gingen die Tierliebhaber immer näher ran, manche sprangen zu Freya ins Wasser für das perfekte Foto. Die Osloer Polizei twitterte, dass Freya zunehmend „wütend“ reagiert habe und „zischte“ – kurze Übersetzungshilfe: Haut ab!

Schließlich also die Entscheidung, das Walross einzuschläfern. Der Leiter von Norwegens Fischereibehörde sagte, die Entscheidung sei „auf Grundlage einer umfassenden Bewertung der anhaltenden Bedrohung für die menschliche Sicherheit getroffen“ worden. „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir das Wohlergehen des Tieres mit keinem der verfügbaren Mittel garantieren können.“ Eine gute Begründung. In meiner Utopie hätte der Leiter der Walrossebehörde sicher etwas Ähnliches gesagt.

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7 Kommentare

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  • Bei Spiegel online stand:

    "Wir haben alle möglichen Optionen abgewogen «, sagte der Leiter der Fischereidirektion, Frank Bakke-Jensen, der Mitteilung zufolge. So sei etwa eine Verlegung des Tieres diskutiert worden. Allerdings seien die Risiken für eine solche Aktion zu groß gewesen"

    Ich kann mir nicht vorstellen das die norwegischen Sicherheitsdienste und Polizeibeamten unfähig sind einen Bereich effektiv abzusperren.



    Voraussetzung natürlich sie erhalten den Auftrag.

    Die Risiken für eine Verlegung wirken wie eine Ausrede um Geld zu sparen.

    Die ganze Aktion schreit laut: 'Töten ist günstiger als mögliche Alternativen'

  • Dazu kommt dass etliche der zahlreichen Lustboote der Wohlhabenden Ostnorweger Schaden nahmen - was dass den armen Versicherungen wieder fuer Kosten macht!!! Herr Frank Bakke-Jensen vom Fischereidirektorat war auch sehr besorgt um die zahllosen Idioten, die der Walrossdame zu nahe kamen.. "Man habe handeln muessen, bevor jemand zu Schaden kommt.." Ist halt einfacher ein Seetier abzuknallen, als das Insta-Pack zu verscheuchen, die dann ja lauthals jammern und klagen. Ob die Herkunft von Frank Bakke-Jensen aus einem Kaff im Norden, dass u.a. vom industriellem Walschlachten gelebt hat, bei der Entscheidungsfindung eine Rolle gespielt hat? Oder doch mehr seine Sozialisation im christlichen Umfeld und in der konservativen Partei?



    Wie auch immer es ist eine Schande, ein Trauerspiel und illustriert leider die Heuchelei und Ignoranz vieler Norweger!! Det få være sagt, for helvetes faen heller :-(

  • "Was da alles hätte passieren können" - gut, dass Edmund 'Goldmund' StoiBär uns damals über Schafbären und Problembären schon so einleuchtend zum Lachen brachte. Vielleicht können die aktuellen Politiker:innen auch im Loriot-Stil.



    //



    youtu.be/l0CW9Bi3LsI

  • Dieser äußert traurige und gleichzeitig empörende Vorgang macht deutlich, in welchem extremen Ausmaß der speziesistische Mensch das Leben aller anderen verachtet und jederzeit vernichtet, die mit ihm auf der Welt leben. Wundern tut dies nicht, nur ein Blick in die Supermärkte oder Kühlschränke zeigt, dass die Verachtung tierischen Lebens quasi zum Grundkonsens der Mehrheitsgesellschaft gehört.

    • @PolitDiscussion:

      Von dieser Qualität müsste es mehr Advokaten geben, u.a. 'Winkel-Advokaten' der Gegenseite gibt schon zu viele. Es braucht eine verbriefte Institution für die wirksame Vertretung der Tierrechte und auch Präzedenzfälle, damit die Öffentlichkeit registrieren kann, dass Anthropozentrismus und Speziezismus Irrwege sind. Leider geht das nur über schreckliche Bilder - wie vom Abschlachten der Wale und Delfne oder von in Netzen verfangenen Singvögeln. Bei gekeulten Tieren aus der Massentierhaltung sind wir schon weitgehend resistent, wenn die Kadaver mit dem Radlader abtransportiert werden.



      //



      www.sueddeutsche.d...-felle-1.3704258//

      • @Martin Rees:

        ZUR VERDEUTLICHUNG:



        Gemeint ist der Anwalt Dr. jur. Antoine F. Goetschel aus Zürich, ein herausragender Vertreter seiner Profession, ein wirklich leuchtendes Vorbild.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "Nun wurde Freya eingeschläfert, " Ziemlicher Euphemismus für eiskalten Mord.