Getanzter Protest in Ägypten: Muslimbrüder scheitern am Shake
In Ägypten protestieren Oppositionelle mit dem „Harlem Shake“ gegen die regierenden Muslimbrüder. Die versuchten Feuer mit Feuer zu bekämpfen.
BERLIN taz | Die Pyramiden liegen friedlich in der diesigen Hitze, davor steht ein Mann in gestreiftem T-Shirt, der sich einen Pappeimer über den Kopf gestülpt hat. Er bewegt sein Becken zum elektronischen Rhythmus unanständig vor und zurück. Ein anderer Mann in schwarzem Gewand läuft betont desinteressiert an ihm vorbei. Dann verändert sich die Musik und die Pyramiden sind kaum noch zu sehen: In schrillen Kostümen wackelt eine ganze Menschenmenge in der Wüste, inklusive Kamel. Das Video ist eines der ersten „Harlem Shakes“ aus Ägypten, aber aus einer Zeit, als der Tanz noch unpolitisch war.
Der „Harlem Shake“ ist mittlerweile ein etabliertes Internet-Phänomen: Die Videos dauern nur 30 Sekunden. Zu Beginn tanzt nur eine Person, während alle anderen meist alltäglichen Beschäftigungen nachgehen. Dann verändert sich die Musik und alle tanzen mit, in möglichst skurrilen Kostümen. Je skurriler desto besser. Die Zahl der Nachahmer-Videos ist gar nicht mehr zu beziffern.
Auch in nordafrikanischen Ländern hat der Tanz seine Anhänger gefunden, aber auch Gegner. In Tunesien wurden Harlem-Shaker mehrmals angegriffen – meist von Salafisten, denen der Tanz zu unzüchtig erschien. Später bekamen sie auch noch Schützenhilfe aus der Regierung. Der Tanz wurde politisch: Wer ihn tanzt, wehrt sich auch gegen die muslimischen Fundamentalisten.
Als Protest wurde er dann auch am Donnerstagabend in Kairo eingesetzt, wo sich dutzende Aktivisten vor die Zentrale der Muslimbrüder stellten und den „Harlem Shake“ angeführt von einer pinkfarbenen Mickey-Maus-Figur aufführten. „Proteste und Kundgebungen verändern nichts mehr“, sagte einer der Organisatoren. „Wir wollten etwas Neues organisieren, bei dem die Menschen auch mitmachen können.“
Empfohlener externer Inhalt
Kurz darauf erschien – offenbar als Reaktion – ein Video von einem Aktivisten der Muslimbrüder: Mehrere Männer tanzen darauf den „Harlem Shake“ und tragen dabei Masken von bekannten Oppositionspolitikern. Ein übergewichtiger, halbnackter Mann wabbelt dabei den Einstieg, bis sich die Musik verändert und alle mitwackeln. Im Vergleich zu den vielen anderen „Harlem Shake“-Varianten ist es eine der schlichteren und die platte politische Botschaft wohl eher das Gegenteil von kreativ.
Ob sich die Muslimbrüder daran gestört haben? Oder einfach daran, dass nun aus ihren eigenen Reihen Aktivisten den Tanz aufführen, den radikale Islamisten im Norden Afrikas immer wieder als „unmoralisch“ bezeichnen? Jedenfalls versuchten sie noch am Wochenende, das Video zu entfernen. Doch am Löschen von Daten aus dem Internet sind schon ganz andere Leute gescheitert. Das Video ist immer noch da.
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