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Gesunden an der EurokriseAngriff auf die Krisenstaaten

Verträge machen es möglich: Banken und Hedgefonds verklagen Griechenland, Zypern und Spanien, weil die Finanzkrise ihre Gewinne schmälerte.

Demonstrant in Nikosia: Die Wut der Zyprer könnte noch größer werden Bild: ap

BERLIN taz | Einige Hedgefonds und Banken haben ein neues Geschäftsmodell entdeckt: Sie wollen die Eurokrise zu Geld machen – indem sie gegen die Krisenstaaten auf Schadenersatz klagen. Die Brüsseler Nichtregierungsorganisation „Corporate Europe Observatory“ hat in einer neuen Studie die bekannten Fälle zusammengestellt: Allein gegen Zypern liegen schon Klagen von mehr als einer Milliarde Euro vor, Spanien soll 700 Millionen Euro zahlen. Bei Griechenland ist unklar, wie viel gefordert wird.

Die Fonds und Banken können gegen die Krisenstaaten klagen, weil die Länder diverse internationale Abkommen unterzeichnet haben, die auch Investorenschutzklauseln enthalten. Meist sind diese Klauseln vage formuliert und offerieren „Schutz gegen indirekte Enteignung“. Diese Formulierung ermöglicht es Investoren, ein Schiedsgericht anzurufen, sobald sie das Gefühl haben, dass ihnen Gewinne entgehen.

Die Klagen gegen die Krisenstaaten sind aufschlussreich, weil die EU derzeit zwei Freihandelsabkommen verhandelt, die ebenfalls Investorenschutzklauseln enthalten sollen: das Ceta mit Kanada und das TTIP mit den USA.

Gegen Griechenland klagt die Slowakische Postova Bank. Sie hatte im Frühjahr 2010 griechische Staatsanleihen gekauft, obwohl diese schon von den Ratingagenturen auf Ramschniveau herabgestuft worden waren. Bei Zypern ist es ähnlich: Hier klagt die Marfin Investment Group aus Griechenland und verlangt Schadenersatz von 823 Millionen Euro, weil Zypern die Pleitebank Laiki verstaatlichen musste.

In Spanien klagen 22 Firmen und Hegdefonds

Dies war eine Vorgabe für das EU-Rettungsprogramm. Marfin war seit 2006 Mehrheitsaktionär der Laiki. Der Investor war also daran beteiligt, dass sich die zyprische Bank stark in Griechenland engagierte – was dann zur Pleite führte. Trotzdem hofft nicht nur Marfin, mit einer Klage noch Gewinne einzufahren: Weitere 22 griechische Investoren haben sich an das Schiedsverfahren angeschlossen und verlangen rund 229 Millionen Euro.

In Spanien klagen wiederum 22 Firmen und Hedgefonds, weil die Solarförderung zusammengestrichen wurde. Sie fordern mehr als 700 Millionen Euro, obwohl zwölf dieser 22 Firmen erst nach 2008 ins Solargeschäft einstiegen, als sich die Krise in Spanien bereits abzeichnete und die Ökoförderung zum Teil eingefroren wurde.

Die EU-Staaten haben etwa 1400 bilaterale Investorenschutzabkommen abgeschlossen. Corporate Europe Observatory fordert, sie möglichst schnell zu kündigen. Zudem sollten keine neuen Verträge geschlossen werden, die Klauseln zum Investorenschutz enthalten. Vor allem TTIP wäre gefährlich, weil es 75.000 Firmen gibt, die einen Sitz in Amerika und in der EU haben und jederzeit Klagen anstrengen könnten.

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21 Kommentare

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  • Das Banken und Hedge Fonds böse sind und nur an die eigene Gewinnmaximierung denken ist unbestritten. Sie nutzen den legalen Rahmen zur Klage aus.

    Die Diskussion ob generell keine Investorenschutzklauseln mehr gemacht werden können muss man allerdings genau betrachten.

    Beispiel 1 Solarförderung: Viele Investoren (Also der Häuslebauer mit Solardach) vertauen dem Staat, dass er über das EEG eine Einspeisung garantiert. Fällt diese im laufenden Vertrag weg, wäre die Energiewende innerhalb von 2 Tagen Geschichte. Wollen wir das?

    Beispiel 2: Wollen wir generell Mittel um projekte zu verwirklichen (ich denke hier gehen die Meinungen sicherlich auseinander), dann werden Investitionen gebraucht. Aus sicht des Investors macht eine langfristige Investition nur Sinn, wenn Rechtssicherheit vor Enteignung existiert. Es wäre also dann die Frage, ob wir generell Investitionen wollen.

    Alles hat zwei Seiten und sollte sorgfältig überlegt werden.

    Nichts desto trotz: Moralisch sind die Banken und Hedgefond einfach widerlich.

    • G
      Glueckchen
      @Demokrat:

      Wenn die Politik Solarstrom fördern will, soll sie das aus Steuermitteln erledigen. Es kann doch der Bürger nicht gezwungen werden, biologisch angebauten Strom zu beziehen und den höheren Preis zu bezahlen, wenn er diesen Ökoquatsch gar nicht will.

      Investitionsfördeung und -schutz ginge dann wohl nur über bilaterale Verträge, die dann auch bei Gesetzesänderung Bestand haben müssen. Vilelleicht käme man ja auf dieem Wege zu sinnvollen und langfristig haltbaren Entscheidungen.

  • Mit Wut zum Protest:

     

    Kommt zu den Blockupy-Aktionstagen - europaweit, dezentral Mitte Mai in eurer Stadt oder der nächst größeren.

     

    Das kann schon sein, dass "Spanien" und andere Länder die "Rezession verlassen" - weil die Methode der internen Abwertung übernommen wird:

    Unternehmensgewinne steigen wieder, weil die Malocher ärmer werden.

     

    Wie viele Millionen Privathaushalte sind eigentlich zahlungsunfähig, bankrott?

    Schulden streichen!

  • A
    aw

    1. Die Investorenschutzklausen sind nicht ausgeklammert. Auch schon jetzt trifft man sich in Hinterzimmern zu Schiedssprüchen. Man erinnere nur an das Kohlekraftwerk in Hamburg....

  • @Ardaga

     

    a) Die sind nicht vertrottelt, sondern gerissen. Darum sind die Verhandlung um FTAs wie CETA oder TTIP ja auch immer geheim. Der In halt soll erst gar nicht öffentlich diskutiert werden können.

     

    Die Frage muss also lauten: wie vertrottelt ist das Volk, das diese Leute wählt?

     

    b) Da das Volk nun die besten Politiker, die man für Geld kaufen kann, immer wieder wählt, muss man sich über den Rest eigentlich nicht wundern.

  • WK
    Warum klagt die EU nicht?

    1. Die Investorenschutzklauseln sind aus den TTIP-Verhandlungen bereits ausgeklammert.

     

    2. Nicht nur die Fonds, sondern auch die übrigen Staaten der EU sollten gegen Griechenland klagen. Die griechischen Politiker haben nachweislich EUROSTAT falsche Daten geliefert und damit die Gelder der EU-Steuerzahler abgefischt. Hinzu kommt eine staatliche Insolvenzverschleppung- die griechischen Politiker gehören schon lange in U-Haft!

     

    3. Wer steckt hinter den Fonds? McDuck mit einem Geldspeicher, oder werden die Gewinne der Fonds reinvestiert und befördern Konsum wie Investitionen? Alleine die Pensionskassen in den USA bewegen Millardenbeträge.

  • PH
    Peter Haller

    @ARDAGA

    Genau diese Fragen stelle ich mir auch immer wieder.

    Und all diese Finanzhaie lachen sich ins Fäustchen, dass der Pöbel so dermassen blöd ist und sich immer und immer wieder über den Tisch ziehen lässt (um es mal ganz sanft auszudrücken !).

    Aber müssen wir uns das alles gefallen lassen ? Sind wir so dämlich ? Oder müssten nicht mal langsam diese Schmarotzer richtig Angst vor uns bekommen ? Zeit wärs !

    • S
      sam
      @Peter Haller:

      Die Zeit ist gekommen sie Alle mit neuem Komunismus zu bedrohen!

      lol

  • T
    Tazleser

    "Banken und Hedgefonds verklagen Griechenland, Zypern und Spanien".

     

    Ich stelle mir gerade vor, wie so eine Bank einen Staat verklagt! Hallo ich bin Frau Bank und verklage Sie, als Frau Staat!

     

    Es geht besser!: Eine Hand voll Kapitalbesitzer verklagen mehrere Millionen europäischer Staatsbürger. Irgendwie Absurd und Komisch, wenn man sich die Realität anschaut! Gell??

     

    Vielleicht solltet ihr mal euren journalistischen Pflichten nachkommen und über die Realität berichten, anstatt mit Begriffen um euch zu werfen, von welchen ihr nichts zu verstehen scheint!!!

     

    Realitäten können sich ändern, doch Bedarf es Menschen, die die Welt zu verstehen in der Lage sind.

    • K
      Knut
      @Tazleser:

      Verstehe ich das richtig, Ihrer Auffassung nach können Unternehmen keine Staaten verklagen?

       

      Wie alt sind Sie, 12?

    • G
      Gastung
      @Tazleser:

      Kann mir mal jemand erklären, was das Gerede von diesen sogenannten "Realitäten" bedeutet? Und mit welchen Begriffen wird seitens der Autoren unverstandenermaßen um sich geworfen?

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    So langsam dürfte wohl jedem klar werden, wozu das Gemeinwesen wirklich da ist: Nämlich um den Profit der Banken und Versicherungen abzusichern.

    • G
      Gastname
      @774 (Profil gelöscht):

      Richtig, und die bösen Banken verbrennen das Geld statt es zu reinvestieren. Banken verbrennen das Geld und Strom kommt aus der Steckdose.

       

      Banken und Börsen abschaffen, Unternehmer enteignen, Fabriken zu VEB machen - das hat doch jedes Mal so wunderbar geklappt.

      • 7G
        774 (Profil gelöscht)
        @Gastname:

        Oh, das hatte ich alles vergessen. Die Banken sind also das Gemeinwesen. Danke für die Belehrung! Jetzt zahle ich doch gerne wieder Steuern. Die Abzocker im Finanzwesen sind unverzichtbar für das Gemeinwohl.

        • G
          Gastname
          @774 (Profil gelöscht):

          Ich sehe, Sie haben es immer noch nicht verstanden. Dann eben einfacher:

           

          Du haben Kuh.

          Kuh geben Milch.

          Du schlachten Kuh.

          Milch weg.

          • 7G
            774 (Profil gelöscht)
            @Gastname:

            Wohl das Mitglied einer rechten Burschenschaft.

  • Als Laie in generellen wirtschaftlichen und also auch (Sonder-) Finanzhaigebarenfragen, kommen mir bei Lesen zwei Fragen:

    a) wie vertrottelt sind die, die wir wählen eiegntlich, um “solche Veträge” zu unterschreiben (auf der Allgemeinheit Spätkosten)?

    Und

    b) wie abgehoben lassen wir (die “All-Gemeinen”) organisierte Menschenfeinde und Buntpapierjunkies unter dem Neoliberal-über-alles-Banner noch weiter auf allem herumtrampeln und zerstören, was gemeinschaftlich-soziales Mindest- und Restgefüge genannt werden kann?

  • K
    KataBudapest

    Mir fällt dazu nur noch eins ein: Ekelhaft!

  • Es wird immer deutlicher: Um als Investor viel Profit zu machen, muss man sich wie ein Soziopath verhalten. Moral, Ethik, soziales Bewusstsein, Vernunft? Ach was, wer Profit machen will, der braucht nur den richtigen Riecher fürs Ausplündern ganzer Gesellschaften! Und wenn diese Gesellschaft ohnehin schon von der Krise erschüttert wird, umso besser, denn umso leichter lassen die sich erpressen und ausplündern! Das erinnert an das Verhalten von Schulhof-Schlägertypen, die sich immer die Schwächsten und Aussenseiter zum Verprügeln aussuchen. Gehts der Wirtschaft gut, gehts den gemeingefährlichen Soziopathen gut!

  • A
    amigo

    Die Freihandelsabkommen sind die zwingende Konsequenz aus der globalen kapitalistischen Doktrin:

    "Verluste werden sozialisiert, Gewinne privatisiert"

    Die weltweit operierenden Kartelle machen schlichtweg Sklaven aus uns und wir schreien auch noch Hurra!

  • Der “Markt” regle alles, so hören wir es ständig. Das gilt aber offensichtlich nur für die Einnahmen-Seite.

     

    Die Risiken- und Kostenseite ist davon scheinbar nicht betroffen. Hier benötigt man “Investorenschutzabkommen”, damit es nicht zu Ausfällen kommt, die Risiken auf die Staaten abgewälzt werden, und jene auch die Kosten für alles tragen.

     

    Die Staaten werden diesem perversen System komplett unterworfen. Nicht nur über die Profitgarantie des sogenannten “Investorenschutzes”. Sondern indem sie Zinsen zahlen müssen, wie sie der Geldverleiher mit dem russisch Inkasso nicht bekommt. Darüber wird aber nicht etwa das Risiko finanziert. Nein, denn das unterliegt ja dem “Investorenschutz”.

     

    Wer das marktradikal-neoliberale System jetzt noch nicht verstanden hat, dem ist nicht mehr zu helfen.