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Gestank im NordenNicht ganz sauber, der Diesel

Der Diesel-Gipfel wird die Luft im Norden kaum sauberer machen. Option auf Fahrverbote bleibt bestehen. Doch auch Schiffe sind Dreckschleudern ersten Ranges

Totgesagte leben länger: Greenpeace trägt den Diesel zu Grabe Foto: Matthias Balk/dpa

HAMBURG taz | Der Diesel ist nicht tot, er soll nur ein bisschen hübscher werden. Das ist das Ergebnis des Diesel-Gipfels am Mittwoch in Berlin zwischen Autoindustrie und Politik, an dem auch die Regierungschefs von Hamburg und Niedersachsen, Olaf Scholz und Stephan Weil (beide SPD) teilnahmen. Die Konzerne sagten zu, rund fünf Millionen Dieselautos mit den Abgasgrenzwerten Euro 5 und Euro 6 freiwillig und auf eigene Kosten nachzurüsten. Darin enthalten sind die rund 2,5 Millionen Diesel-PKW des Volkswagen-Konzerns, die nach Bekanntwerden des Dieselskandals bereits ein Software-Update erhalten haben.

Die Stickoxid-Belastung dieser Fahrzeuge soll damit um 25 bis 30 Prozent reduziert werden. Damit könne die Schadstoffbelastung „mindestens genauso stark reduziert werden wie durch Fahrverbote“, erklärte der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA). Bei weiteren rund zehn Millionen älteren Dieselautos mit Abgasnormen bis Euro 4 bleibt hingegen alles beim Alten: Sie dürfen weiter die Luft verpesten, sofern Städte keine Umweltzonen einrichten oder Fahrverbote verhängen.

Die in Hamburg sitzende Umweltorganisation Greenpeace hält davon nichts. „Software-Schminke alleine kann den schmutzigen Diesel nicht aufhübschen“, sagt ihr Verkehrsexperte Benjamin Stephan. Die Hersteller müssten auch an die Hardware ran. „Um die Menschen dauerhaft vor schädlichen Stickoxiden zu schützen und den Klimaschutz voran zu bringen, müssen die deutschen Autobauer und die Politik ihre Wagenburg um den Verbrenner aufbrechen.“

Laut Umweltbundesamt (UBA) ist der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Atemluft 2016 an fast 60 Prozent der Messstationen überschritten worden. Dies bedeute, dass in mehr als 80 Städten der Grenzwert gerissen worden sei. Im Norden sind Hamburg, Hannover, Kiel, Osnabrück und Göttingen besonders betroffen. Nach Modellrechnungen sind Stickoxide jährlich für etwa 1.200 Todesfälle in Hamburg ursächlich, in den anderen Großstädten ist die Lage ähnlich dramatisch.

Reine Luft in der Stadt

In Hamburg hat der Senat im Juni einen neuen Luftreinhalteplan beschlossen. Er sieht für PKWs und LKWs, die nicht der Euro-6-Norm entsprechen, ab 1. Januar 2018 „Durchfahrtsbeschränkungen“ vor.

Umweltzonen oder City-Maut wird es auch weiterhin nicht geben. „Wir ergreifen alle Maßnahmen unterhalb von Fahrverboten“, kündigte der grüne Umweltsenator Jens Kerstan an.

In Hannover gibt es seit 2008 eine Umweltzone, dennoch ist die Luft mit zu vielen Stickoxiden belastet. Weil ein neuer Luftreinhalteplan mehrfach verschoben wurde, bereitet die Initiative „Hannovair Connection“ eine Klage gegen die Stadt vor.

Ende Juli verhängte das Verwaltungsgericht Stuttgart Dieselfahrverbote in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Auch München erwägt nun, Fahrverbote für Dieselautos zu verhängen.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) warf der Autoindustrie „massive Fehler“ vor. Vordringlich sei es, die alten Stinker der Euro-Normen 1 bis 4 „möglichst schnell von der Straße“ zu bekommen, sagte Weil, der dem VW-Aufsichtsrat angehört. Fahrverbote müssten aber vermieden werden, findet er. Es gelte, schneller zu werden bei der Modernisierung der Fahrzeugflotte – „insbesondere in Richtung Elektroautos“.

Der Deutsche Städtetag hält indes weiter an der Möglichkeit von Fahrverboten fest, wie die Präsidentin des Verbandes, Eva Lohse, sagte. Wenn sich die Stickoxid-Grenzwerte nicht einhalten ließen und Gerichte für einzelne Städte Fahrverbote anordneten, dann brauchten die Städte die Blaue Plakette, „um saubere Autos von anderen unterscheiden zu können“.

Auf die Luftverschmutzung durch Schiffe wies der Naturschutzbund (Nabu) Hamburg hin. In allen großen norddeutschen Häfen sei die Belastung durch Dieselemissionen deutlich höher als durch den Autoverkehr. In hafennahen Quartieren Hamburgs seien die Schiffe für 80 Prozent der Stickoxidemissionen verantwortlich.

„Denn für sie gibt es bezüglich der Stickoxide überhaupt keine Regulierung und entsprechend kaum Abgasnachbehandlung“, sagt Malte Siegert, Schiffsexperte des Nabu-Hamburg. „Allein ein Kreuzfahrtschiff emittiert mehrere hunderttausendmal so viele gesundheitsschädliche Stickoxide wie ein PKW.“ Deshalb müssten die Menschen in Hamburg, Bremerhaven oder Kiel doppelt unter gesundheitsgefährenden Belastungen in der Atemluft leiden.

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3 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Zitat Bundesärzteblatt;

     

    "Völlig unverständlicherweise werden Jahresdurchschnittsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40µg/m³ im Straßenverkehr als Grenzwert festgelegt, obwohl die Grenzwerte von Schadstoffen in Innenräumen weitaus großzügiger betrachtet werden und der Mensch sich zu 70-80 Prozent des Tages in Räumen aufhält. Höchst offiziell sind am deutschen Arbeitsplatz für Beschäftigte laut Bundesgesundheitsblatt 950 Mikrogramm pro Kubikmeter Innenraumluft als „Maximale Arbeitsplatz-Konzentration“ (MAK) erlaubt. Also gut 20 Mal so hoch wie für Stickstoffdioxid auf Straßen – und zwar acht Stunden täglich und 40 in der Woche. "

  • 1200 Tote jährlich ist längst nicht alles. Daneben gibt eine um ein Vielfaches höhere Anzahl an Erkrankungen, und es gibt einen keineswegs unerheblichen Anteil an den Beiträgen für die Krankenversicherung, die auf solche u. ä. Luft- und Umweltverschmutzungen zurückzuführen sind.

     

    So wenig, wie "wir" seinerzeit der Papst waren, sind "wir" gegenwärtig die Bosse der Autoindustrie.

     

    Doch "wir", das sind alle diejenigen, die demnächst erneut die Entscheidung darüber treffen, ob es weiterhin so sein soll, daß die Schafe nach den Regeln der Wölfe leben.

     

    Die Bundestagswahlergebnisse werden es zeigen.

  • Die Autoindustrie sollte die nächtn 20 jahre die Hälfte ihrer Gewinne nach Steuern an die GKV abführen müssen, um die Kosten, die der Allgemeinheit durch ihr Handeln entstehen, auszugleichen.