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Gespräche zwischen Russland und UkraineWorüber jetzt noch reden?

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Verhandlungen über einen Waffenstillstand in der Ukraine sind geboten – bei Friedensverhandlungen mit Russland ist aber Misstrauen angesagt.

Ukrainische und russische Flagge bei dritter Verhandlungsrunde am 7. März in Belarus Foto: Maksim Gucheck/SNA/imago

K ann man mit Vertretern eines Regimes sprechen, das mutwillig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen hat, das Grenzen verschieben will und das Völkerrecht in eklatanter Weise verletzt? Lässt sich mit einem Machthaber verhandeln, der andere Staats- und Regierungschefs über seine Pläne belogen hat, nicht müde wird, weitere Unwahrheiten in die Welt zu setzen, und gar mit dem Einsatz von Atomwaffen droht? Darf man mit Männern verhandeln, die den Tod von Frauen, Männern und Kindern auf dem Gewissen haben?

Man kann nicht. Man muss. Selbstverständlich wäre es die beste Lösung, wenn Wladimir Putin aus seinem Amt entfernt würde und sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten müsste. Aber das ist derzeit nur eine vage Hoffnung, von der niemand weiß, ob sie jemals eintritt. Was aber tun, wenn das russische Regime trotz aller Sanktionen an der Macht bleibt?

Es ist richtig, dass die Staaten, die allgemein als „der Westen“ bezeichnet werden, härteste Sanktionen gegen Russland erlassen und sich auf die Seite der angegriffenen Ukraine gestellt haben. Aber es wäre falsch, dem Aggressor keinen Ausweg aus dem Desaster anzubieten, in das er sich selbst hineingeritten hat.

Wobei Verhandeln nicht gleich Verhandeln ist. Zum jetzigen Zeitpunkt geht es maximal um das Erreichen eines Waffenstillstands. Beide Seiten haben erkennen lassen, dass sie zu gewissen Kompromissen bereit sein könnten. Russland, so ist zu hören, beharrt nicht länger auf einem Regime-Change in Kiew, die Ukraine ließ die Möglichkeit eines neutralen Status außerhalb der Nato erkennen.

Es ist immer noch höchst unwahrscheinlich, dass es deswegen in Antalya bei den Gesprächen der beiden Außenminister der Ukraine und Russlands zu einer entsprechenden Übereinkunft kommen wird. Aber selbstverständlich muss man es versuchen und dabei unterstützend einwirken. Dieser Krieg gehört beendet, und zwar so schnell wie irgend möglich.

Anders verhält es sich mit Friedensverhandlungen. Russland hat jedes Vertrauen in seine diplomatischen Zusicherungen zerstört, Verträge und die europäische Friedensordnung gebrochen. Neue Verträge bedingen, dass die daran beteiligten Partner vertrauenswürdig sind, so wie es selbst im Kalten Krieg der Fall war. Das ist nicht länger der Fall. Und Russland darf für seine Kriegshandlungen nicht auch noch belohnt werden.

Deshalb werden die finsteren Zeiten in Europa nicht so schnell beendet sein. Ein Frieden zwischen Russland und der Ukraine ist nicht in Sicht, so wenig wie gute Beziehungen zum Westen. Aber wenigstens den heißen Krieg zu beenden, dafür lohnt jeder Einsatz. Und zwar jetzt.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024