Gespräche zwischen Deutschland und China: Angespannt wie lange nicht
Am Mittwoch kommen Berlin und Peking virtuell zu Regierungskonsultationen zusammen. Die lange Liste an Streitthemen erschwert das bislang gute Verhältnis.
Im Vorfeld warnte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), vor zu viel Vertrauensseligkeit im Umgang mit China. „China verfolgt in Deutschland und anderen Teilen der Welt eine strategische Softpower-Politik“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Vieles geschieht subtil“, so Röttgen. „Man kriegt einen Fuß in die Tür, nimmt Einfluss und schafft bei Bedarf Abhängigkeiten.“ In Deutschland werde das Vorgehen wenig wahrgenommen. „Ich finde das naiv. Ich empfehle dagegen Realismus.“
Parteienvertreter forderten die Bundesregierung auch auf, Menschenrechtsverletzungen in China und dessen jüngste Strafaktionen gegen Kritiker in Deutschland und Europa klar anzusprechen.
Die Liste der Streitthemen, die das traditionell gute Verhältnis beider Seiten belasten, ist lang:
Sanktionen
Zum ersten Mal seit mehr als drei Jahrzehnten hat die Europäische Union im März wieder Sanktionen gegen China wegen Verletzungen der Menschenrechte verhängt. Die Strafmaßnahmen richten sich gegen Verantwortliche für die Unterdrückung der Uiguren. Als Reaktion verhängte Peking noch weitergehende Sanktionen gegen deutsche und andere EU-Abgeordnete, Akademiker und auch das Mercator-Institut für China-Studien (Merics) in Berlin, was Empörung ausgelöst hat.
Uiguren
Nach Angaben von Menschenrechtlern sind in Xinjiang Hunderttausende Uiguren in Umerziehungslager gesteckt worden. Peking spricht von Fortbildungseinrichtungen. Viele Uiguren werden auch zu Haftstrafen verurteilt. China wirft Mitgliedern der muslimischen Minderheit Separatismus und Terrorismus vor. In einem Beschluss des britischen Parlaments wird der chinesische Umgang mit der muslimischen Minderheit der Uiguren als „Völkermord“ eingestuft. Auch im Bundestag wird über die völkerrechtliche Bewertung diskutiert.
Investitionsabkommen
Ende vergangenen Jahres haben sich China und die EU grundsätzlich auf ein Investitionsabkommen geeinigt, das unter deutscher Führung vorangetrieben worden war. Es soll den Zugang zum chinesischen Markt verbessern. China verspricht nur vage „nachhaltige Anstrengungen“ zur Ratifizierung von zwei Konventionen gegen Zwangsarbeit. Noch ist das Abkommen nicht fertig ausgehandelt. Es muss auch vom Europaparlament gebilligt werden, wo der Protest gegen Chinas Sanktionen wächst.
5G-Ausbau
Der Bundestag hat vergangene Woche ein neues IT-Sicherheitsgesetz verabschiedet, das dem chinesischen Telekomriesen Huawei eine Beteiligung am Ausbau des schnellen 5G-Mobilfunknetzes deutlich erschwert. Hintergrund ist die Sorge vor Spionage und Sabotage. Der Netzwerkausrüster und Chinas Regierung weisen die Vorwürfe zurück.
Hongkong
Mit einem Sicherheitsgesetz schränkt Peking die politischen Freiheiten in Hongkong ein. Es zielt auf Aktivitäten, die als umstürzlerisch, separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch eingestuft werden. Großbritannien und andere westliche Länder sehen darin einen Bruch der völkerrechtlich bindenden Gemeinsamen Erklärung für die Rückgabe Hongkongs 1997 an China, die Autonomie garantiert.
Einreiseprobleme
Die deutsche Wirtschaft beklagt mangelnde Visavergabe, kurzfristige Änderungen von Vorschriften und zum Teil unzumutbare Hotels für die zweiwöchige Zwangsquarantäne bei der Einreise. Es sei kaum möglich, Mitarbeiter für Installation, Reparatur oder Wartung nach China zu schicken. Die Hürden sind Umfragen zufolge derzeit das größte Problem der in China tätigen deutschen Unternehmen.
Journalismus
Die Bundesregierung sorgt sich um verschlechterte Arbeitsbedingungen deutscher Korrespondenten in China. Beide Länder streiten über die Zulassung neuer Journalisten. Auch können deutsche Korrespondenten in China – anders als Geschäftsleute – nicht einfach ausreisen, weil eine Wiedereinreise wegen der Pandemie in der Regel nicht erlaubt wird. Infolgedessen verringert sich die Zahl deutscher Journalisten in China.
Südchinesisches Meer
China beansprucht den größten Teil des rohstoffreichen Seegebietes, durch das wichtige Schifffahrtsstraßen gehen. Das Schiedsgericht in Den Haag hat diese Ansprüche bereits 2016 abgewiesen. Peking ignoriert das Urteil jedoch und baut dort trotzdem Militäranlagen. Die USA schicken Marineschiffe, um für die Freiheit der Schifffahrt einzutreten und ihre Interessen in der Region zu wahren. Die Bundesregierung erwägt, in diesem Jahr eine Fregatte in das Gebiet zu entsenden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Diskussion um US-Raketen
Entscheidung mit kleiner Reichweite