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Gesichtserkennungstest in BerlinNiedrige Trefferquote

In Berlin wird die Gesichtserkennung vor laufender Kamera getestet. Es ist die anspruchsvollste Nutzung des bislang wenig erfolgreichen Verfahrens.

Nix erkennbar: Ob die Überwachungskamera mehr sieht? Foto: dpa

Freiburg taz | Jedes Gesicht hat charakteristische Merkmale, etwa das Verhältnis der Augen zu anderen Gesichtsteilen. Diese Merkmale können biometrisch vermessen und in digitale Daten – ein sogenanntes Template/Muster – übersetzt werden. Bei der biometrischen Gesichtserkennung werden nicht die Fotos, sondern zwei Templates miteinander verglichen.

Die einfachste Form der Gesichtserkennung ist der 1:1-Vergleich, die sogenannte Verifikation. Im Sicherheitsbereich findet man sie zum Beispiel bei der automatisierten Passkontrolle an deutschen Flughäfen. Dabei wird nur festgestellt, ob der Fluggast seine eigenen Papiere vorzeigt und nicht den Pass einer Person, die ihm ähnlich sieht. Hierzu wird bei der Kontrolle ein aktuelles Foto des Fluggasts gefertigt, dessen Template mit dem im Pass gespeicherten Template des Passfotos verglichen wird.

Anspruchsvoller ist der Abgleich von Fotos mit Datenbanken (1:n), die sogenannte Identifikation. Hier gibt es im Sicherheitsbereich viele mögliche Anwendungsfälle: Ein Verhafteter weigert sich, seinen (richtigen) Namen zu sagen, das Opfer hat ein Selfie mit dem mutmaßlichen Täter auf seinem Smartphone gespeichert oder ein Observationsteam fotografiert eine unbekannte Person.

Um herauszufinden, um wen es sich handelt, kann das Bundeskriminalamt (BKA) Aufnahmen mit der nationalen polizeilichen Zentraldatenbank (Inpol-Z) abgleichen, die unter anderem digitalisierte Fotos aus der erkennungsdienstlichen Behandlung von rund 3,5 Millionen Personen enthält. Über das BKA können auch Bundespolizei und Landeskriminalämter diese Gesichtserkennung nutzen. In den vergangenen Jahren haben sich die Abfragen bei über 15.000 pro Jahr eingependelt. Aber: Die Zahl der Treffer ist gering, sie liegt manchmal nur bei rund zwei Prozent.

Das BKA hat nach eigenen Angaben keine Möglichkeit, einen Lichtbilddatenbank-Abgleich etwa mit den Fotos im Ausländerzentralregister, in der Antiterrordatei oder im Schengen-Informationssystem durchzuführen. Die Bundesregierung hat auch versichert, dass sie aus den bei Pass- und Ausweisbehörden gespeicherten digitalen Lichtbildern keine Bilddatenbank der deutschen Bevölkerung aufbauen will.

Die anspruchsvollste Nutzung der Gesichtserkennung wäre die von Thomas de Maizière angekündigte „intelligente Videoüberwachung“, bei der im laufenden Kamerabetrieb die Gesichter der Passanten mit Fahndungsdatenbanken abgeglichen würden.

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1 Kommentar

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  • Wenn eine Gesichtserkennungssoftware eine Trefferwahrscheinlichkeit von 99,99% hat, so ist das beim 1:1 Vergleich ausreichend. Sollen aber beliebige Menschen erkannt werden, so bedeutet eine Trefferwahrscheinlichkeit von 99,99% auf eine Menge von 100 Millionen in Deutschland sich zumindest zeitweise aufhaltende Menschen im Schnitt, dass neben der richtigen Person 9.999 andere Personen falsch zugeordnet werden.

    Das ist aber kein grundsätzliches Problem. Zum einen wird die Gesichtserkennung immer besser. Zum anderen können einfach andere Daten kombiniert werden. Bewegungsdaten von anderen Kameras, Funkzellendaten, Einreisedaten, gescannte Kfz-Schilder, Fluggastdaten etc. Mit der Kombination der verschiedenen Daten reicht die Trefferwahrscheinlichkeit der Systeme auch jetzt schon aus. Der totale Überwachungsstaat ist technisch machbar. Wenn wir die totale Überwachung schon nicht verhindern können oder wollen, sollten wir wenigstens die Überwacher besser kontrollieren. Leider passiert auch das nicht. Die Geheimdienste bekommen immer mehr Kompetenzen. Die Kontrolle der Geheimdienste ist sehr oberflächlich. Strafverfolgung der Geheimdienste findet nicht statt. Stattdessen gibt es Immunitäten für kriminelle V-Leute. Wir bewegen uns auf einen totalitären Staat zu und kaum jemand versucht dies zu bremsen.