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Gesetzesvorhaben gegen hohe MietenIst der Deckel verfassungswidrig?

Das Land Berlin will Wohnungsmieten auf fünf Jahre einfrieren. Experten des Bundesinnenministeriums meinen jetzt: Der Plan verstößt gegen das Grundgesetz.

Wie teuer darf Wohnen sein? Häuserblock im Berliner Kosmosviertel Foto: Britta Pedersen/dpa

Berlin dpa/bb | Der geplante Berliner Mietendeckel verstößt nach einer Einschätzung des Bundesinnenministeriums gegen das Grundgesetz. Das Land Berlin sei „kompetenzrechtlich gehindert“, Gesetze zur Mietenbegrenzung zu erlassen, schreibt das Innenministerium in einer Mail an den Berliner CDU-Bundestagsabgeordneten Kai Wegner, die die Berliner CDU am Samstag veröffentlichte. Der Grund: Die Mietpreisbegrenzung sei bereits durch den Bund „umfassend und abschließend geregelt“ worden.

Weiter heißt es demnach aus Horst Seehofers (CSU) Ministerium: Solche Entscheidungen des zuständigen Bundesgesetzgebers dürften nicht durch Einzelentscheidungen eines Landes „verfälscht werden“. Die „Gesetzgebungskompetenz der Länder“ sei daher „gesperrt“. Die Berliner Morgenpost hatte zuerst darüber berichtet.

Die rot-rot-grüne Berliner Koalition will bis Anfang kommenden Jahres ein bundesweit bisher einmaliges Mietendeckel-Gesetz beschließen. Geplant ist, die Mieten für fünf Jahre einzufrieren und für Neuvermietungen Obergrenzen festzulegen. Diese Obergrenzen sollen sich an Lage, Ausstattung und Alter der jeweiligen Wohnungen orientieren. In bestimmten Fällen sollen auch Mietsenkungen möglich sein.

Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen teilte mit Blick auf die Einschätzung des Bundesinnenministeriums mit: „Allen Beteiligten war von Anfang an bewusst, dass sie juristisches Neuland betreten. Am Ende wird ein Gericht entscheiden, ob der Mietendeckel Bestand hat.“

Der wissenschaftliche Dienst Berlin hatte gewarnt

Das Vorhaben belastet die Gespräche des Senats mit der Wohnungswirtschaft. Der Immobilienverband BFW Berlin-Brandenburg sagte ein für diesen Montag geplantes Treffen mit Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) ab, wie Geschäftsführerin Susanne Klabe am Sonntag sagte. Der Tagesspiegel hatte darüber berichtet.

„Wenn nunmehr die Auswirkungen des Mietendeckels auf die Lage der Bauwirtschaft diskutiert werden sollen, halten wir dies für den falschen Zeitpunkt“, schrieb Klabe nach eigenen Angaben an die Verwaltung. „In einem ernsthaften Dialog auf Augenhöhe wäre dies der erste Schritt bei Überlegungen für ein neues Gesetzesvorhaben gewesen.“

Lompschers Sprecherin Katrin Dietl sagte, die Verbände hätten ihre Einwände und Ergänzungen in der Verbändeanhörung einbringen können. Der Gesprächstermin am Montag habe mit dem Gesetzgebungsverfahren nichts zu tun. Das Treffen sei aus Termingründen abgesagt worden und werde nachgeholt, sagte Dietl.

Die Juristen im Bundesinnenministerium halten einzelne Punkte des geplanten Berliner Mietendeckel-Gesetzes für problematisch. Der Gesetzentwurf greife in die Eigentumsfreiheit der Wohnungseigentümer ein, heißt es in der Mail, die bereits am 31. Oktober verschickt wurde. Vom geplanten Mietenstopp würden zudem alle Vermieter ohne Unterschied erfasst. Auch würden steigende Preise der Instandhaltung nicht berücksichtigt.

Schon der Wissenschaftliche Dienst des Berliner Abgeordnetenhauses war zu dem Schluss gekommen, dass das rückwirkende Einfrieren der Mieten auf dem Niveau vom 18. Juni 2019 aus rechtsstaatlichen Gründen bedenklich sei. Wegner kritisierte jetzt: „Rot-Rot-Grün produziert ein verfassungswidriges Gesetz mit Ansage.“

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16 Kommentare

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  • Warum kann man so eine wichtige Frage wie die Verfassungskonformität eigentlich nicht vorab klären?

    In der Berliner Landesregierung gibt es doch sicher genug Juristen.

    • @Poseidon:

      Dort sitzen linke Ideologen und keine vernünftigen Juristen.

  • Es war doch klar, dass am Ende die Gerichte entscheiden werden.



    Jetzt gibt es ein Gutachten mehr gegen den Mietendeckel, demnächst folgen ein paar für den Deckel usw...

  • Spanien ist in Sachen Mietendeckel viel weiter: Landesweit dürfen Mieten in laufenden Mietverträgen nur entsprechend der Kaufkraftentwicklung angehoben werden. Das hat die spanische Bewegung erreicht, und ist dabei, ihre Forderungen weiterzuentwickeln, zum Beispiel die Kaufkraftentwicklung konkret der Mieter*innen zu berücksichtigen.

    Von einem Eingriff ins Eigentum kann überhaupt keine Rede sein, sondern nur davon, dass das Eigentum nicht zur Ausbeutung anderer eingesetzt wird.



    Ebenso wie das Eigentum an einem Messer nicht das Recht einschließt, andere damit zu attackieren.

    • 0G
      08088 (Profil gelöscht)
      @ClaraN:

      Bitte um einen Beleg.

      Nach meinem Kenntnisstand kennt das spanische Mietrecht:



      - befristete Mietverhältnisse als Regel



      - Der Mietzins wird üblicherweise während dieser Befristung anhand des spanischen Verbraucherpreisindex (IPC) angepasst. Anderes kann aber auch vereinbart werden



      - Mietminderung ist nicht möglich; es gibt nur einen Schadenersatzanspruch; diese muss durch den Mieter eingeklagt werden



      - und das beste: Kauf bricht Miete als Regelfall

      Wo ist Spanien denn jetzt in Sachen Mietendeckel weiter?

      • @08088 (Profil gelöscht):

        stimmt, die Anpassung erfolgt nach dem IPC. Ersetze oben im zweiten Satz Kaufkraftentwicklung durch IPC (Verbraucherpreisindex). Dieser liegt jedoch, in Deutschland wie in Spanien, wesentlich wesentlich niedriger als die Erhöhungsmöglichkeiten nach BGB / Mietspiegel, die in Deutschland gelten. Insofern sind die Mieten in laufenden Mietverhältnissen schon sehr wirksam gedeckelt, ähnlich dem geplanten Berliner Mietendeckel, nur eben landesweit. Daher kann die spanische Regelung als Vorbild dienen, wobei es natürlich noch besser wäre, die reale Kaufkraftentwicklung von Mieter*innen zu berücksichtigen.



        www.ine.cl/estad%C...sticas/precios/ipc

        Kauf bricht Miete nach neuem spanischem Recht nicht mehr. Siehe Quellen unten.

        Die Befristung der Mietverhältnisse wurde mit dem neuen Gesetz zwar auf 5 bzw. 7 Jahre verlängert, ist aber sicher die mieter*innenfeindlichste Regelung im spanischen Mietrecht. Insofern werden die spanischen Genoss*innen in diesem Punkt sicher nach Deutschland schauen.

        www.idealista.com/...hen-mietrecht-2019

        www.inquilinato.or...como-nos-afectara/

        elderecho.com/nuev...ustantivo-procesal

        • 0G
          08088 (Profil gelöscht)
          @ClaraN:

          Danke. IPC bleibt dispositives recht. Eine höhere oder niedrigere Anpassung kann vereinbart werden.

          Für die Dauer von 5 bzw. 7 Jahren bricht jetzt Kauf nicht die Miete.

          Dies sorgt dafür, dass Eigentum erworben wird und nicht rumgemietet wird. Langfristig ein Vorteil für die Bevölkerung

          • @08088 (Profil gelöscht):

            jede kann sich, z.B anhand der oben angegebenen, aber auch weiterer Quellen informieren. Für die Mieter*innenbewegung macht es Sinn, sich in Europa und darüber hinaus zu vernetzen, die Entwicklungen mitzuverfolgen und sich auszutauschen. Die Deckelung der Mieten in anderen Ländern ist dabei ein Thema von mehreren.

    • @ClaraN:

      Verschiedenes: Ausbeutung ist noch kein Straftatbestand, insofern ist der Messervergleich unzutreffend.

      Die Einkommenssituation zu berücksichtigen ist soannend. Was definiert diese? Der jährliche Steuerbescheid? Dann muss der Mieter sich regelmäßig nackig machen. Und ich könnte mir auch vorstellen, dass das Vermögen betrachtet werden muss.

      Indexierte Steigerungrn mit drr Inflationsrate ist ebenfalls kritisch zu sehen. Zum einen erhöhen viele Vermieter ihre Mieten über Jahre nicht. In Holand haben sie indexierte Steigerungen, die vom Staat festgelegt werden. Die betragen im Schnitt 5-6%.

      Man sei daher vorsichtig, was man sich wünscht.

      • @J_CGN:

        "Ausbeutung ist noch kein Straftatbestand, insofern ist der Messervergleich unzutreffend."



        Im Gegenteil. Sogar dadurch, dass das Attackieren anderer mit einem Messer ein Straftatbestand ist, ist nicht in Frage gestellt, dass es Eigentum an Messern geben kann. Eigentum ist das eine, was man damit macht, etwas anderes. Ausbeutung ist kein Straftatbestand, nein, sondern der Wesenskern der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft. Verhält sich jemand aggressiv, dann kann ihm allerdings das Messer auch weggenommen werden. Und das macht ja auch Sinn, nicht nur bei Messern.

  • Wenn dieser völlig harmlose Mietendeckel mit lauter Schlupflöchern gegen das Grundgesetz verstößt, weil schon zu krass, dann stimmt vielleicht etwas nicht mit Grundgesetzt, statt umgekehrt.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Sandor Krasna:

      Das GG hält Berlin nicht davon ab Wohnungen zu bauen und günstig zu vermieten.

    • 0G
      08088 (Profil gelöscht)
      @Sandor Krasna:

      Wieso sollte etwas mit dem GG nicht stimmen?

      Weil Berlin nicht machen darf, was es will, sondern dies eine Materie des Bundes ist?

      Weil man Menschen nicht ihr Eigentum entschädigungslos wegnehmen darf?

  • Der Umgang mit einer etwaigen Verfassungswidrigkeit ist doch verblüffend. Jede Person, die länger als zwei Wochen Jura studiert hat, weiß, dass in Jura keineswegs alles klar oder unumstritten ist. Von einer Verfassungswidrigkeit "mit Ansage" kann wohl kaum die Rede sein. Leider kommt es dann in den Medien immer so rüber, als wolle man bewusst gegen die Verfassung verstoßen.

    Man sollte sich eher drüber aufregen, dass ein Mietendeckel auf Bundesebene noch nicht verabschiedet wurde.

    Die "Herdprämie" ist übrigens auch an der Gesetzgebungskompetenz (bzw. Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung) gescheitert. Da gingen die Juristen im Innenministerium wohl auch nicht von einer "Verfassungswidrigkeit mit Ansage" aus.

    Ganz davon abgesehen, dass zB. die Gutachten vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages in der Regel einfach schlecht sind.

  • Die Bausenatorin weiß um die ernstzunehmenden juristischen Bedenken.

    Dass rückwirkende Gesetze rechtsstaatlich problematisch sind, sollte auch einer linken Senatorin bewusst sein.

    Sie ändert jedoch nicht.

    Schon das Durchstechen des Zwischenstands in den Abstimmungsgesprächen innerhalb der Koalition wies darauf, dass das Ganze offenbar in erster Linie der Selbstprofilierung der Linken dient.

    "Politisches Neuland" ist eine nette Umschreibung für eine populistische Luftnummer.

    Die Lage der Bauwirtschaft ist mir egal.



    Aber dass Genossenschaften aus Neubauprojekten aussteigen, weil sie sagen, mit dem Mietendeckel können sie es nicht mehr finanzieren, ist ein Trauerspiel für linke Politik.

    Der Mietendeckel selbst schafft nicht eine Wohnung mehr.

  • 0G
    08088 (Profil gelöscht)

    Lompschers "Srecherin Katrin Dietl sagte, die Verbände hätten ihre Einwände und Ergänzungen in der Verbändeanhörung einbringen können."

    Dies haben die Verbände ja gemacht. Lompscher hat wohl nicht verstanden, dass dies erfolgt ist. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass eine Rote Berlin-Verfechterin nicht auf Andersdenkende hört.

    Das ganze ist besonders fein



    - die Berliner Bezirke haben keine Lust, dies umzusetzen



    - bisher alle Juristen inkl. der von der SPD Berlin bezahlten Gutachten haben eine Absenkung einer vereinbarten Miete, die gesetzlich war, als unverhältnismäßig und damit unzulässig, eingestuft. Lompscher macht es trotzdem. Das ganze wird - wie bei der SED-Linken üblich - ein Reinfall. Diesmal mit Ansage.



    - Die Eigentümer von Mehrfamilienhäusern in Berlin, die ich kenne, haben alle in den letzten Monaten Abgeschlossenheitsbescheinigungen beantragt. Die Teilungserklärungen sind wohl auch am Entstehen (oder bereits umgesetzt). Ein Bärendienst für zukünftige (Nicht)Mieter und ein Glücksfall für die Käufer.