Gesetzesvorhaben der Ampel-Koalition: An der Länderkammer vorbei
Die Unions-Mehrheit im Bundesrat zwingt die Ampel zu Tricks. Die Gaspreisbremse hat sie so formuliert, dass die Länder nicht zustimmen müssen.
Die Ampel hat eine solche Regelung eigentlich vorgesehen, um die Preisbremse sozial gerecht zu machen – Reiche mit großen Häusern und hohem Energieverbrauch sollen nicht übermäßig profitieren. Die Koalition ist von diesem Vorhaben auch noch nicht abgerückt. Einen Bundestagsbeschluss zur Besteuerung will sie aber erst 2023 treffen; das Wie und Wann ist noch offen.
Der Grund für das Outsourcing: Hätte der Bundestag die Besteuerung im Paket mit der eigentlich Preisbremse beschlossen, hätte das gesamte Projekt hinterher auch im Bundesrat eine Mehrheit benötigt – ein Risiko, das SPD, Grüne und FDP lieber nicht eingehen wollten.
Spätestens seit dem Ärger mit dem Bürgergeld ist die Ampel nämlich nervös bei Projekten, denen der Bundesrat zustimmen muss. Im November hatte die Union die Sozialreform in der Länderkammer zunächst blockiert. Im Vermittlungsausschuss erwirkte sie dann Abschwächungen.
Merz macht der Ampel das Leben schwer
Solche Blockaden könnten sich bei anderen Gesetzesvorhaben wiederholen. Was die Sache besonders knifflig macht: In der Koalition glauben viele, dass es CDU-Chef Friedrich Merz in vielen Konflikten nicht so sehr um die Sache gehe, sondern darum, der Ampel das Leben schwer zu machen. Folgt man dieser Sichtweise, ist unberechenbar, welche Gesetze die Union noch alles aufhalten könnte.
Dazu kommt: Aus Länderkreisen gibt es die Beschwerde, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz wenig Mühe gebe, unter den Ministerpräsident*innen frühzeitig um Unterstützung für Ampel-Projekte zu werben. Angela Merkel habe darauf viel mehr Zeit verwendet. Auch daher gebe es mittlerweile im Bundesrat mehr Konfliktsituationen als früher.
Die Gegenstrategie der Ampel: Sie achtet jetzt verstärkt darauf, ihre Gesetzesentwürfe so zu gestalten, dass sie die Zustimmung der Länder gar nicht braucht.
Zwar muss jeder Gesetzesentwurf auch im Bundesrat beraten werden. Eine ausdrückliche Zustimmung der Länderkammer ist aber nur erforderlich, wenn das Grundgesetz dies ausdrücklich vorschreibt. Die drei wichtigsten Fälle: wenn sich etwas an den Steuereinnahmen der Länder ändert, wenn sie den Bürger*innen etwas bezahlen sollen oder wenn der Bundestag ihnen Verwaltungsverfahren vorschreibt.
Ein Gaspreisbremsengesetz mit Absatz zur Einkommenssteuer hätte auf diesem Weg also noch scheitern können. Ohne ihn durfte der Bundestag alleine entscheiden. Um die Bundesratsmehrheit für den noch fehlenden Steuerbeschluss kann sich die Ampel jetzt gesondert Gedanken machen.
Ganz trivial wird allerdings auch das nicht, wie sich diese Woche an ähnlicher Stelle zeigt: Vor Inkrafttreten der eigentlichen Gaspreisbremse wird der Bund schon in diesem Dezember die Abschlagszahlungen von Gaskund*innen übernehmen. Ein Gesetz dazu ging im November durch den Bundestag und auch dabei hat die Ampel die Besteuerung ausgegliedert. Dass Gutverdiener*innen diese Hilfe versteuern müssen, hat sie stattdessen ins sogenannte Jahressteuergesetz geschrieben, das mehrere steuerrechtliche Änderungen vereint.
Dieses Gesetz ist zwar zustimmungspflichtig. Die Ampel hoffte aber, dass der Bundesrat keine Probleme machen wird: Abgestimmt wird nur über das Gesetz als ganzes und darin befinden sich auch Punkte, die im Sinne der Union sind, darunter einige Steuererleichterungen.
Aber ob das Gesetz in der letzten Bundesratssitzung des Jahres am Freitag wirklich eine Mehrheit bekommt, war bis zuletzt doch noch fraglich. Das wiederum liegt auch an einer neuen Regelung fürs Erben: Entsprechend einer Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts soll für die Berechnung der Erbschaftssteuer der Wert von Immobilien künftig höher angesetzt werden.
Leicht hat es auch die Union im Bundesrat nicht
Die Union forderte nun, im Gegenzug auch die Freibeträge für Erb*innen zu erhöhen und drohte andernfalls mit der Blockade des ganzen Gesetzes. Einen vermeintlichen Kompromiss schlugen die Ampel-Fraktionen im Bundestag am Mittwoch vor: Der Bundesrat solle das Jahressteuergesetz erst mal verabschieden. Sollte sich die Länderkammer anschließend auf eine eigene Gesetzesinitiative zu den höheren Freibeträgen einigen, würde die Ampel der wiederum im Bundestag zustimmen.
Ob die Länder das aber schaffen? Im Moment verfügen die acht Länder, in denen die Union mitregiert, im Bundesrat über 39 Stimmen. Außer in Bayern koaliert sie aber überall mit Ampel-Parteien, die an das Agreemenet der Bundestagsfraktionen nicht gebunden sind. Und im Bundesrat gilt in der Regel: Ist sich eine Landesregierung nicht einig, enthält sie sich.
Enthaltungen zählen wiederum wie Nein-Stimmen. Das macht es der Union auf der einen Seite so einfach, Gesetze aus dem Bundestag zu blockieren. Das macht es ihr auf der einen Seite aber auch schwer, in der Länderkammer eine Mehrheit für eigene Initiativen zu erreichen.
All diese Feinheiten des Staatsrechts werden die Ampel auch bei ihren Vorhaben im neuen Jahr begleiten. Komplett umgehen kann die Koalition den Bundesrat wahrscheinlich bei der geplanten Erleichterung von Einbürgerungen. Die Union würde auch dieses Projekt gerne verhindern. Aber sollte die Ampel darauf verzichten, den Ländern genaue Vorschriften zur Durchführung der Einbürgerungsverfahren zu machen, hat der Bundesrat hier wohl nichts zu sagen. Das Innenministerium prüft den Punkt derzeit besonders gründlich.
Wackelt die Unions-Mehrheit?
Schwieriger ist es beim nächsten sozialpolitischen Großprojekt der Ampel: Die Einführung der Kindergrundsicherung, deren Eckpunkte die Bundesregierung Anfang 2023 vorstellen möchte, wird ohne Zustimmung des Bundesrats kaum gelingen. Theoretisch könnte die Union hier blockieren.
Doch selbst wenn sich CDU-Chef Friedrich Merz zu einem ähnlichen Kurs wie beim Bürgergeld entschließen, ist fraglich, ob er auch praktisch erneut Erfolg hat. CDU-Landesverbände mit Regierungsverantwortung haben oft einen eigenen Kopf und ein großes Selbstbewusstsein. Dem Vernehmen nach zeigten schon in den Verhandlungen über das Bürgergeld einige CDU-Ministerpräsidenten ein weit größeres Interesse an einer Einigung als der Parteichef.
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Bei der Kindergrundsicherung könnte dieses Interesse noch stärker ausgeprägt sein. Vergangene Woche sprach sich Karl Laumann, CDU-Sozialminister in Nordrhein-Westfalen, für das Projekt aus. In Schleswig-Holstein haben sich CDU und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, Initiativen des Bundes gegen Kinderarmut „im Grundsatz wohlwollend“ zu begleiten.
Und schließlich ist noch nicht mal gesagt, dass CDU und CSU ihre Blockademehrheit rein zahlenmäßig noch lange behalten. 2023 stehen vier Landtagswahlen an. Dass die CSU in Bayern aus der Regierung fliegt, kann man wohl ausschließen. Dass die CDU in Berlin oder Bremen neu in die Regierung kommt, ist zumindest nicht sehr wahrscheinlich. Spannend könnte daher die Wahl in Hessen im Herbst werden. Flöge die CDU dort aus der Regierung, verlöre sie im Bundesrat fünf Stimmen – und damit die Mehrheit.
Schon nach der letzten Landtagswahl 2018 hätte es in Hessen rechnerisch eine Ampel-Mehrheit gegeben. Die Grünen wären dabei aber die stärkste Kraft gewesen und die FDP wollte nicht unter einem grünen Ministerpräsidenten in die Regierung eintreten. Würde heute neu gewählt, wäre die Konstellation Umfragen zufolge ähnlich. Mit Blick auf den Bundesrat gäbe es für die FDP diesmal ein Argument mehr, sich nicht zu verweigern.
Einerseits. Andererseits: Inhaltlich liegen die Liberalen mit der Union oft auf einer Linie. Manchmal kommen ihr die Muskelspiele von CDU und CSU in der Länderkammer also insgeheim auch gelegen. Von allen drei Ampel-Parteien profitiert sie zumindest am stärksten von den aktuellen Mehrheiten im Bundesrat.
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