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Gesetzespaket zur EnergiewendeZweifel am raschen Windkraftausbau

Das Kabinett beschließt Gesetze, die den Windradbau beschleunigen sollen. Die Branche begrüßt das Ziel, sieht aber in der Umsetzung noch Probleme.

Höher als der Kirchturm: Windräder in der Nähe der Ortschaft Biedesheim in Rheinland-Pfalz Foto: Hannes P. Albert/imago

Es ist ein zentrales Gesetzespaket, das das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedet hat: Um zu erreichen, „dass der Ausbau der Windkraft in Deutschland in einem großen Umfang wieder vorankommt“, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) es formulierte, macht der Bund den Ländern künftig verbindlich Vorgaben, wie viel Fläche sie mindestens für Windparks zur Verfügung stellen müssen. Zugleich solle ein Vereinheitlichung und Vereinfachung von Naturschutzvorgaben dazu führen, dass Windräder schneller und leichter genehmigt werden können, erklärte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (ebenfalls Grüne).

Das ist auch nötig, denn um die Klimaziele zu erreichen, muss der jährliche Ausbau der Windkraft gewaltig steigen: Gingen im Jahr 2021 Anlagen mit einer Leistung von weniger als 2 Gigawatt ans Netz (was knapp 500 modernen Windrädern entspricht), sollen es schon in wenigen Jahren 10 Gigawatt pro Jahr sein; das Tempo muss sich also in kurzer Zeit mehr als verfünffachen. Doch dass das mit dem aktuellen Gesetzespaket gelingt, daran gibt es in der Branche erhebliche Zweifel.

Das betrifft zum einen Gebiete für Windparks: Die Bundesländern müssen künftig dafür im Schnitt 2 Prozent ihrer Fläche zur Verfügung stellen. Der genaue Wert ist abhängig von der Besiedelungsdichte, dem Anteil von Naturschutzgebieten und der Windmenge; für die Flächenstaaten liegt er zwischen 1,8 und 2,2 Prozent, in den Stadtstaaten sind es 0,5 Prozent.

Wenn die Länder diese Vorgabe nicht erfüllen, verlieren sie das Recht, eigene Vorgaben für den Bau von Windrädern zu machen, etwa über Mindestabstände zu Wohnhäusern. Windräder könnten dann unter Berücksichtigung genereller Vorgaben überall außerhalb von Ortschaften gebaut werden.

Doch bis diese Sanktion greift, ist es ein weiter Weg. Das Gesamtziel müssen die Länder erst bis 2032 erreichen, ein Zwischenziel von im Schnitt 1,4 Prozent ausgewiesene Windfläche bis 2026. Erst wenn dies verfehlt wird, können die Windbeschränkungen fallen; bis dann tatsächlich die geforderte Zahl von Windrädern genehmigt und gebaut ist, vergehen noch einmal mindestens vier Jahre.

Bis dahin bleibe es vielerorts bei der „massiven Bremswirkung der viel zu geringen, bestehenden Flächenausweisungen in sehr vielen Planungsregionen“, kritisiert der Bundesverband Windenergie – und fordert, die Reihenfolge umzukehren: Beschränkungen für Windräder sollten sofort entfallen, bis die Länder die Flächenvorgabe von 2 Prozent erreicht haben.

Kritik gibt es auch an der geplanten Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. Diese solle „durch Standardisierung und Signifikanzprüfung eine Beschleunigung von Planungsverfahren und Prüfungen ermöglichen“, sagte Lemke. Doch auch hier bezweifeln die Energieverbände, dass das gelingt. In einem gemeinsamen Appell, den unter anderem der Bundesverband Erneuerbare Energien und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) unterzeichnet haben, heißt es, dass sogar eine Verschlechterung der Lage drohe, wenn es nicht entscheidende Nachbesserungen am Gesetzentwurf gebe: „Erfolgen diese nicht, könnten bisher genehmigungsfähige Projekte abgelehnt, Genehmigungsverfahren verzögert und unsachgemäße Auflagen erteilt werden.“

Furcht vor vermehrten Klagen

Unter anderem kritisieren die Verbände, dass die Betreiber von Windkraftanlagen künftig nachweisen müssen, dass keine bedeutende Bedrohung bestimmter Vogelarten vorliegt, die in einem jeweils festgelegten Bereich um ein Windrad brüten. Zudem fürchten die Branchenverbände, dass viele neue unbestimmte Rechtsbegriffe zu vermehrten Klagen führen könnten. Sie appellieren darum an die Bundestagsabgeordneten, noch Änderungen am Gesetz vorzunehmen, „damit Windenergie und Artenschutz gemeinsam gewinnen können“.

Die Umweltministerin wies die Kritik zurück. Sie vertraue auf die Einschätzung der Rechtsabteilung ihres Ressorts, erklärte Lemke: „Wir haben gute Lösungen gefunden, die rechtssicher sind.“ Zudem biete das parlamentarische Verfahren, das bis zur Sommerpause abgeschlossen werden soll, den Verbänden noch Gelegenheit, ihre Position einzubringen. Das ist aus deren Sicht auch nötig: Vor dem Kabinettsbeschluss hatten sie nach Erhalt der Gesetzesentwürfe gerade einmal zweieinhalb Tage Zeit, ihre Stellungnahmen abzugeben – und zwar von Freitagnachmittag bis Montagmorgen.

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5 Kommentare

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  • Die Umweltministerin irrt, wenn sie meint „Wir haben gute Lösungen gefunden, die rechtssicher sind.

    So hat sich in ein bemerkenswerte Interview in Phoenix am 15.6.2022 (MP4-Anhang) bestätigt, daß es relevantere Probleme mit der angestrebten neuen Rechtslage gibt, als die schon immer mögliche Einbeziehung von Landschaftsschutzgebieten als WKA Standort. Dennoch wird das, v.a. vom ZDF, aber auch ministeriell, als Novum propagiert.



    Im Interview beschreibt ein NABU-Funktionär europarechtlich wesentliche Hemmnisse für Habecks Ansinnen. Das Bemerkenswerte an dem Interview ist die kaum zu überbietende Naivität der Interviewerin mit ihrer sinngemäßen Bemerkung, daß man Konflikte mit dem europäischen Recht doch wohl lösen könne. Sie rechnete wohl auch nicht damit, daß ihr in dem Interview trockene Juristerei begegnen würde anstatt der üblichen blumig emotionellen Totschlagargumente gegen Windenergienutzung.

    Dabei hatte der NABU-Vertreter seine Ausführungen noch gar nicht konkret auf das EuGH-Urteil v. 04.3.2021 (GschZ C-473/19 und C-474/19) abgestellt, in der EuGH nicht nur den Schutz aller Arten, also auch der "Allerweltsarten", sondern auch den Individuenbezug bei den artenschutzrechtlichen Verboten für europäische Vogelarten betont.



    Das ist nichts Neues, sondern steht auch im BNatSchG (§39 ff.), ist von der Rechtsprechung anerkannt. dto. von der Umweltministerkonferenz.



    Nach der Vogelschutzrichtlinie ist es im Grunde logisch, dass vom EuGH die Geltung dieses Individuenbezuges für alle europäischen Vogelarten unterstrichen wurde. Der in Deutschland in der Praxis eingeführte Populationsbezug, aufgrund dessen die Entscheidungsbehörden von den Fachaufsichtsbehörden (je nach Bundesland Ministerien, Regierungspräsidien,....) regelrecht zu fachfremden Entschedungen genötigt wurden. Das ist eine unsägliche Situation. Denn demnach müssten entgegen der EuGH-Entscheid häufige Arten bzw. Populationen nicht beachtet werden, wenn sich der Erhaltungszustand nicht ändere etc. etc.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Das Kabinett beschließt Gesetze, ..." Ehrlich? Und was macht der Bundestag? Ferien? Hat der Robert Habeck schon zum Ökodiktator ausgerufen?

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Das ist ein weit verbreitetes Übel, als Regierung zu "antizipieren!", daß der Souverän "Deutscher Bundestag" es doch nicht wagen wird, gegen die Regierung aufmüpfig zu werden.

      Ich habe noch in der letzten Legislaturperiode per Petition angeregt, per Änderung des §35 Abs.1 Nr.8 BauGB die Möglichkeit zu schaffen, PV-Anlagen im Aussenbereich nicht nur auf Gebäude (Dächer, Wände,..) zu beschränken. Die Stellungnahme des zuständigen Ministeriums ging dahin, daß es nicht beabsichtigt sei, dass BauGB zu ändern, als ob derlei Feststellungen nicht Sache des Parlamentes wären. Staatspolitisch war das eine Frechheit.

      Angesichts der PV-Ambitionen der Bundesregierung könnte es allerdings nun sein, daß die "Rache" naht und das Ministerium eine 900°- Pirouette wird hinlegen müssen.

      Aber alles im allem haben wir hier 2 Fälle, in denen der Schwanz mit dem Hund wedelt.



      Ich verstehe nicht, warum derlei politisch "durchgeht".



      In meinem politisch mitgeprägten Eltenhaus (Großvater war Bürgermeister in Potsdam) und in der Schule habe ich von der Trennung von Legislative und Exekutive gelernt und es bis heute (wie wohl auch MONDSCHAF) nicht vergessen.

  • Mindestens genauso wichtig ist der Ausbau von Geothermieanlagen.



    Die sauberste Energie, die man sich vorstellen kann.

    www.geothermie.de/...s/nachrichten.html

    Das darf nicht von den Politikern verpennt werden. Vor allem in der Regionalpolitik sollte man massiv darauf drängen, dass die Stadträte aus den Puschen kommen.