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Gesetzesgrundlage für CoronamaßnahmenKoalition will Shutdown retten

Gerichte zweifeln an der Rechtsgrundlage für die aktuellen Coronamaßnahmen. Die Bundesregierung will nun das Infektionsschutzgesetz nachbessern.

Die Koalition will auch Schließung von Gaststätten im Infektionsschutzgesetz verankern Foto: Hauke Christian Dittrich/dpa

Berlin taz | Die Große Koalition will den aktuellen Shutdown rechtssicher machen. Deshalb sollen fünfzehn Grundrechtseingriffe, wie die Schließung von Gaststätten, jetzt ausdrücklich im Infektionsschutzgesetz verankert werden. Darüber beriet an diesem Freitag der Bundestag.

Seit März wird das öffentliche Leben zur Bekämpfung des Coronavirus in wechselndem Maß eingeschränkt. Die Maßnahmen werden jeweils in Rechtsverordnungen der Landesregierungen angeordnet. Wie weit die Länder gehen können, bestimmt das Infektionsschutzgesetz, ein Bundesgesetz.

Im Infektionsschutzgesetz sind bisher aber nur wenige Maßnahmen konkret erwähnt, etwa das Verbot von Versammlungen oder die Schließung von Schwimmbädern. In der Regel mussten die Länder ihre Verordnungen deshalb auf die Generalklausel für „notwendige Schutzmaßnahmen“ stützen.

Im Frühjahr haben die Verwaltungsgerichte die großflächige Nutzung der Generalklausel noch akzeptiert. Schließlich war die Lage neu und unübersichtlich. Jetzt, ein halbes Jahr später, ist aber bekannt, welche Maßnahmen wirken oder zumindest in Betracht kommen. Nun murren die Gerichte immer lauter. Letzten Freitag äußerte etwa der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) Zweifel, ob die Maßnahmen der Landesregierungen noch dem Parlamentsvorbehalt für Grundrechtseingriffe genügen.

Rechtliche Grundlage nachbessern – im Nachhinein

In der Koalition hat man die Signale verstanden und will nun schnell das Infektionsschutzgesetz konkretisieren. In einem neuen Paragrafen 28a sollen fünfzehn Maßnahmen als Beispiele für „notwendige Schutzmaßnahmen“ ausdrücklich erwähnt werden.

Mit dabei sind zum Beispiel das Abstandsgebot, die Maskenpflicht, Beherberbungsverbote sowie die Schließung von Kultur- und Sporteinrichtungen. Die Aufzählung gilt ausdrücklich nur zur Bekämpfung des Coronavirus und auch nur, solange der Bundestag eine „epidemische Lage nationaler Tragweite“ feststellt. Diesen Nationalepidemie-Beschluss hat der Bundestag bereits im März gefasst und seitdem nicht aufgehoben.

Im Bundestag stellte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Gesetzentwurf der Koalition vor. Nur die AfD lehnte den neuen Paragrafen rundweg ab. Grundrechtseingriffe seien unnötig, so der Abgeordnete Detlev Spangenberg, wenn man sich auf den „Schutz“ der Alten und Vorerkrankten konzentriere.

Die Grüne Manuela Rottmann hält die bloße Aufzählung möglicher Maßnahmen für unzureichend. Der Bundestag müsse für jede Maßnahme auch „Zweck, Voraussetzungen und Grenzen“ definieren. Die Linke Susanne Ferschl begrüßte, dass die Koalition jetzt den Anträgen der Linken folge.

In der Praxis kaum eine Veränderung

Die konkreten Maßnahmen würden auch nach der geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes weiter von den Landesregierungen beschlossen. Allerdings sieht der Gesetzentwurf vor, dass ab einem bundesweiten Inzidenzwert von 50 (Zahl der Neuinfektionen pro Woche und 100.000 EinwohnerInnen) bundesweit einheitliche Maßnahmen „anzustreben“ sind.

Der Bund soll aber weiter keine Möglichkeit haben, den Ländern Anweisungen zu geben. Es wird also bei den üblichen unverbindlichen Videokonferenzen der MinisterpräsidentInnen mit der Kanzlerin bleiben.

FDP-Chef Christian Lindner kritisierte, die Aufzählung möglicher Schutzmaßnahmen sei ein „Feigenblatt“, um die bereits beschlossenen Maßnahmen nachträglich rechtlich zu legitimieren. Es gebe aber keine Verbesserung bei der Parlamentsbeteiligung, wenn es um die konkrete Anordnung von Maßnahmen geht. Auch die Sozialdemokratin Bärbel Bas kündigte an, dass ihre Fraktion über eine bessere Parlamentsbeteiligung noch reden möchte.

Der neue Paragraf 28a findet sich in einem Gesetzentwurf, der auch noch zahlreiche andere Änderungen des Infektionsschutzgesetzes enthält. Der Änderungsentwurf trägt den schönen Titel „Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“. Am kommenden Donnerstag ist eine Sachverständigenanhörung im Gesundheitsausschuss geplant. Anschließend wird das Gesetz vermutlich schnell im Bundestag beschlossen.

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3 Kommentare

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  • Fortsetzung:



    •Anspruch für Veranstalter auf Berücksichtigung von deren Schutzmaßnahmen (z.B. Corona-Tests von Teilnehmern) bei der Festlegung von allgemeingültigen Einschränkungen;



    •Klarstellung, dass bei der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen nicht nur auf die Gefährdung der unmittelbar betroffenen abzustellen ist, sondern die gesamte Gefährdung durch die Infektionskette;



    •Vorrang von Verhaltensauflagen bei bestimmten Aktivitäten (z.B. Abstand, Masken, Lüftung) von generellen Verboten;



    •Verpflichtung zu Beschaffung von Impfstoffen;



    •Vorrang von Einschränkungen für Tiere und (Massen-) Tierhaltung vor Kontakteinschränkungen für Menschen; Vertriebsverbote für insoweit problematische Produkte (z.B. Nerzfelle aus Massentierhaltung);



    •Vermehrte Maßnahmen der Luftreinhaltung (z.B. Einschränkungen für Autos und Kaminöfen) zur Minderung der Empfindlichkeit und des Krankheitsverlaufs ausdrücklich als Mittel zulassen.



    •Einschränkungen für die Beherbergung bzw. Unterkunft in Mehrbettzimmern, wie v.a. bei Schlachthöfen, Landarbeitern, Bauarbeitern auf Großbaustellen, Touristen in Hostels relevant.



    •Reduzierung der Preise für PCR-Tests bei Privatpatienten und IGEL.

  • Jetzt sollte mehr als bisher auf wirksame und verhältnismäßige Maßnahmen geachtet werden, wie



    •Mindestanforderungen für Lüftung und Lüftungsanlagen;



    •Verpflichtung zum Nachweis ausreichender Lüftung;



    •Vorkehrungen zum Einsatz unabhängiger Kontrollpersonen, die z.B. bei Gaststätten die Einhaltung der Abstandsregeln überwachen (so ähnlich wie bei Schornsteinfegern oder Wirtschaftsprüfern);



    •Bildung von „Bubbles“ im Sinn von angegrenzten Personenkreisen, in denen Kontakte weniger beschränkt sind (statt das nur bei Haushalten, Ehen/Lebenspartnern und bei Sorge/Umgangsberechtigten zu ermöglichen)



    •Quarantäne nicht nur der direkten Kontaktpersonen von Infizierten, sondern bei Kategorie-1 Kontaktpersonen auch deren engste Kontaktpersonen (d.h. wenn ein Kind einen infizierten Mitschüler hat, sollte auch dessen Geschwister und bei großer Zahl der Kontakte am Arbeitsplatz auch die Eltern zu Haus bleiben, bis entweder klar ist, dass die Infektion nicht in die Familie getragen wurde, oder bis eine Infektion des ersten Kindes bekannt ist und die übrigen dann ja sowie unter Quarantäne müssen), sowie auch von mutmaßlichen Herkunftsclustern, also gewissermaßen die Geschwister, Cousins und Neffen der Virengenerationen (u.a., wenn nach dem Zeitablauf anzunehmen ist, dass die ursprüngliche Kontaktperson gar nicht mehr infektiös ist, aber andere von ihm/ihr infizierte).



    •Maßnahmen im Straßenverkehr: Die Einrichtung z.B. von pop-up-Radstreifen oder Fahrradstraßen als Maßnahme, eine Alternative zur Ansteckungsgefahr im ÖPNV zu geben, muss wenigstens als Maßnahme zur Verbesserung der Sicherheit (=Infektionsschutz) im Verkehr anerkannt werden;



    •Verpflichtung, nicht nur die aktuelle Infektionssituation bei der Bemessung von Schutzmaßnahmen zu beachten (wie z.B. im Sommer), sondern ein adäquate Vorhersage über die Pandemieentwicklung zu treffen, und damit im Zeitverlauf frühzeitig einzugreifen, um im Zweifel einschneidendere Verbote später vorzubeugen;

  • 1G
    15797 (Profil gelöscht)

    Solche Gesetze hätten spätestens im Januar 2020 schon beschlossen werden sollen.