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Gesetzentwurf zur OrganspendeWerben für den Widerspruch

Eine Abgeordnetengruppe um Jens Spahn und Karl Lauterbach hat einen Entwurf für die sogenannte Widerspruchslösung vorgelegt. Der Plan stößt auf Kritik.

Ihre Regelung sei „die einzige Möglichkeit“, die Zahl der Transplantationen zu erhöhen, so die Politiker Foto: dpa

Berlin epd | In der Debatte um eine mögliche Reform der Organspende in Deutschland liegt ein erster konkreter Entwurf auf dem Tisch. Die Abgeordnetengruppe um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach stellte am Montag in Berlin ihre Pläne für die sogenannte Widerspruchsregelung vor. Danach soll künftig prinzipiell jeder Organspender sein, der zu Lebzeiten nicht einen gegenteiligen Wunsch dokumentiert oder seinen Angehörigen mitgeteilt hat.

Die Gruppe setzt darauf, dass diese Regelung die Zahl der Organspender erhöhen wird. Umfragen zufolge haben in Deutschland längst nicht so viele Menschen einen Spendeausweis wie erklären, nach ihrem Tod Organe spenden zu wollen. Lauterbach zufolge stehen derzeit mehr als 9.000 Menschen auf der Warteliste für ein Organ. Die Widerspruchsregelung sei „die einzige Möglichkeit“, die Zahl der Transplantationen zu erhöhen, sagte Lauterbach.

Sie sei unbürokratisch, ethisch unbedenklich, effizient und sicher. Spahn, der innerhalb der fraktionsübergreifenden Initiative als Bundestagsabgeordneter und nicht als Minister agiert, sagte, die bisherigen Bemühungen um mehr Organspender reichten nicht aus.

Der Entwurf sieht die Einführung eines Registers vor, in dem jeder Bürger eintragen lassen kann, ob er der Organentnahme widerspricht oder spenden will. Spahn zufolge wird dies voraussichtlich beim Arzt möglich sein, in der Zukunft aber möglicherweise auch per Selbsteintrag in der elektronischen Patientenakte. Liegt kein Eintrag vor, werden die Angehörigen gefragt, ob ihnen ein der Organspende entgegenstehender Wille des Verstorbenen bekannt ist.

„Schweigen bedeutet nicht Zustimmung“

Ist das nicht der Fall, können Organe entnommen werden. Durch die Befassung der Angehörigen nennen Spahn und Lauterbach ihren Plan „doppelte Widerspruchslösung“. Ein Veto-Recht haben die Angehörigen aber nicht. Entscheidend sei der Wille des möglichen Organ- und Gewebespenders, heißt es in dem Entwurf. Dem nächsten Angehörigen „steht folglich kein eigenes Entscheidungsrecht zu“, wird darin erklärt.

Damit stößt der Entwurf auf Kritik. Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, bezeichnete den Ausschluss eines Widerspruchsrechts der Angehörigen am Montag im Deutschlandfunk als „Übergriffigkeit“. Dabrock lehnte die Widerspruchsregelung ab. „Damit wird der Körper nach dem Tod zu einem Objekt der Sozialpflichtigkeit“, sagte er. Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte es als falsch, die Angehörigen bei der ethischen Entscheidung auszuschließen. „Schweigen bedeutet nicht Zustimmung“, sagte er.

Flankiert werden soll die Neuregelung im Fall einer Mehrheit im Bundestag mit einer breiten Informationskampagne. Den Entwurf haben bislang zehn Abgeordnete von Union, SPD und Linken unterzeichnet, darunter auch Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) und Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD).

Im Bundestag wird seit Monaten parteiübergreifend über eine Reform der Organspende diskutiert. Die von der Gruppe um Spahn und Lauterbach angestrebte Widerspruchsregelung stößt bei anderen dabei auch auf Widerstand. Eine Gruppe um die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock und dem CSU-Abgeordneten Stephan Pilsinger hat einen Konkurrenzentwurf angekündigt, nach dem künftig alle Bürger bei der Ausstellung ihres Personalausweises zu ihrer Spendebereitschaft befragt werden sollen.

Eine Entscheidung bliebe dabei wie jetzt freiwillig. Derzeit gilt in Deutschland die sogenannte Entscheidungsregelung, bei der die Spendebereitschaft vor allem über den Organspendeausweis dokumentiert oder bei den Hinterbliebenen erfragt wird.

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11 Kommentare

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  • Mir wird schlecht wenn ich sehe wie dieser Bankkaufmann mit Organspenden umgeht. Der weiss doch gar nicht wovon er redet. Und reden tut es nur weil er in die Medien und dort Aufmerksamkeit will.

    Bei diesem Thema von Solidarität zu sprechen, halte ich für Zeitverschwendung. Es geht ums Geld und das ist das perfide an unserem Gesundheitssisystem.

    Im Radio hörte ich heute, dass die spahnsche Regelung deswegen so ist, weil die Leute zu faul seien um sich über Organspenden Gedanken zu machen. Da weiss man doch endlich mal, was unsere Führer von uns denken.



    Im Radio wurde auch gesagt, man solle spanhsche Regelung nicht moralisch beantworten. Man soll es nicht. Ich bin ein freier Mensch und tue was will. Freie Menschen sind für Ärzte und Wissenschaftler nicht angenehm.



    Die Ärzte können einem aber auch echt leid tun, weil sie wieder nicht freie Bahn kriegen. Vielleicht hilft ihnen das ja um sich Gedanken über die Sinnhaftigkeit von Organspenden zu machen.

  • Ich halte das für richtig. Und ich wäre auch dafür, den Widerspruch gegen die eigenen Organentnahme bei der Zuteilung von Spendeorganen zu berücksichtigen.

  • Einfache Lösung:



    Nur wer Organspender sein will, ausgewiesen durch Organspendeausweis,



    kann auch Empfänger einer Organspende werden.



    Solidarität ist eben KEINE Einbahnstraße.



    Ich persönlich trage meinen Spenderausweis immer zusammen mit meinen Ausweispapieren bei mir.

    • @sb123:

      Sehr origineller Vorschlag, den hat man noch nie gelesen. Hm, was schlagen Sie vor: Auch keine Organe für Motorradfahrer, die mit ihrem Hochrisikohobby selbst Schuld sein könnten? Keine Organe für Steuerhinterzieher, die sich mit ihrem Verhalten aus der "Solidargemeinschaft" ausklinken? Ich wäre ja persönlich für "keine Organe von Kassenpatienten für Privatversicherte", denn ich habe keine Lust für Leute zu spenden, die sich zu Lebzeiten der Solidarität mit Kranken entzogen haben. Merken Sie, wohin das führt? In einer entsolidarisierten Gesellschaft für Solidarität zu werben, ist schon lustig. Welche Altersgrenze gestehen Sie den potentiellen Spendern zu, sich zu entscheiden?

  • Täuscht Jens Spahn, CDU, unterstützt von Karl Lauterbach, SPD Groko Widerspruchslösung bei Organspenden beim Alltagstest Wahlmöglichkeit im Einzelfall vor, die es in ungezählten Einzelfällen gar nicht gibt? Was ist mit jenen Personen, die in öffentlichen Unterkünften, Haftanstalten, Psychiatrie, Kliniken, Sammelunterkünften für Geflüchtete, Abschiebehaft, Einrichtungen der Kinder- , Jugend- , Altenhilfe, Hilfeabhängigen, körperlich-geistig Gehandikapten, Demenzerkrankten, gegenwärtig 80 000 Personen unter gesetzlicher Betreuung in Deutschland, denen das Wahlrecht zu Bundes- . Landtags- . Kommunalwahlen entzogen ist, wenn von diesen jemand stirbt, die mutmaßlich überwiegend aus ganz unterschiedlichen Gründen, z. B. Überforderung der Betreuer*nnen, ohne Angehörige, keinen schriftlichen Widerspruch hinterlegen konnten, auch, wenn sie es gewollt hätten?

    Was ist mit Organspenden aus anderen Ländern, werden die mit Beginn neuen Verfahrens wg fehlender Nachweispflicht von Spenderausweisen für medizinisch-administrativem Komplex durch Widerspruchslösung erleichtert?

    Widerspruchslösung bei Organspenden in vorliegender Form scheint gut gewollte Patendlösung, die sie aber, allein angesichts gesteigertem Misstrauen gegenüber Register Ausforschungs Daten Krake, nicht erfüllen kann.

    Was ist, wenn Image medizinisch-administrativen Komplexes durch Korruptionsfälle, Medizinskandale, Missmanagement dermaßen sinkt, dass immer mehr Personen in vorauseilender Sorge Organspender Widerspruch im Register hinterlegen, weil sie sich nicht Jahrzehnte vor Ableben öffentlich in einer Angelegenheit festlegen wollen, was bisher durch Organspendeausweis als freiwilliger Akt bis zum Tag X geheimbleiben konnte? Was ist, wenn Hacker im Auftrag von Unbekannt Register Datenkrake knacken, illegal mit personenbezogenen Daten handeln, diese weltweit verkaufen, Organspende Widersprecher personenbezogen gezielt attackieren, beeinflussen, manipulieren, Widerspruch zurückzunehmen oder umgekehrt?

    • @Joachim Petrick:

      Dann, ja aber nur dann wenn ich die Tentakeln der Datenkrake sehe, wie sie mit den organen von toten Hackern winkt.. ziehe ich die Vorhänge meines Aluzeltes zu und warte auf Armageddon.

  • Organspende ist für mich nicht Teilhabe sondern rnicht auf seine Gesundheit achtet, sich auf die Pharmaindustrie verlässt muss auch deren Folgen tragen.



    Sein Leben auf Kosten anderer zu verlängern ist schlichtweg Schmarotzertum. Ich kann mir solch ein Leben auch nicht als glücklich vorstellen, man hat dem Tod ja schon ins Auge gesehen. Was will man sich da noch vormachen. Es ist ein Geschäft mit dem Tod, das es ermöglicht viel Gewinn zu machen auf Kosten von Menschen deren Leben am Ziel angekommen ist. Dem Ziel zu gehen, rechtzeitig zu gehen. Verlängerung ist da nur Aufschub. Wem nutzt das?

    • @Sofia Dütsch:

      Echt? Wer schon mal ernsthaft krank war, soll auch wirklich sterben? Weil man ja dem Tod ins Auge gesehen hat?

      Und auf Kosten anderer? Der andere ist tot, die Organe wären auch im Sarg in wenigen Tagen verfault. Der hat nichts mehr davon.

      Und der Rewe macht genauso Geschäfte mit dem Tod (verhindert Verhungern) wie der Hersteller von Motorradhelmen, der Airbaghersteller oder der Hygieneinspektor des Gesundheitsamtes.

    • @Sofia Dütsch:

      Oje sie scheinen ihr Herz bereits gespendet zu haben. Mein Beileid.

    • @Sofia Dütsch:

      ... und mit diesen gesammelten Weisheiten gehen sie am besten einmal in die Kinderstation eines großen Transplantationszentrums und diskutieren sie mit den Angehörigen einer sechsjährigen, die wegen eines angeborenen Herzfehlers in ein paar Monaten stirbt, wenn kein Spenderherz für sie gefunden wird.

      • @jhwh:

        Warum sollte Sofia Dütsch das tun? Weil Sie abweichende Meinungen nicht ertragen können?