piwik no script img

Gesetze zu Racial Profiling der PolizeiDiskriminierung nicht ausgeschlossen

Die Rechtslage beim Racial Profiling ist weder einfach noch eindeutig. Eine Untersuchung ihrer praktischen Auswirkungen ist dringend erforderlich.

Suchen nicht nach Schwarfahrer*innen: Polizist*innen dürfen am Bahnhof ohne Anlass kontrollieren Foto: brennweiteffm/imago

Berlin taz | Innenminister Horst Seehofer (CSU) will Rassismus bei der Polizei nicht untersuchen, weil es hierfür keinen Bedarf gebe. Racial Profiling sei ohnehin nicht erlaubt, erklärte sein Ministerium am Wochenende. Die Rechtslage ist allerdings deutlich komplexer, als der Minister denkt. Eine Untersuchung der Praxis könnte daher auch für Horst Seehofer interessant sein.

Von Racial Profiling spricht man, wenn die Hautfarbe und andere ethnisch bestimmte Merkmale ausschlaggebend als Anlass für Polizeikontrollen benutzt werden. Das ist eindeutig verboten. Umstritten ist aber, was gilt, wenn die Hautfarbe des Betroffenen nur Teil eines Motivbündels der kontrollierenden Polizisten war.

Möglich sind problematische Kontrollen vor allem dort, wo die Polizei anlasslos kontrollieren darf. Bei der Bundespolizei sind das insbesondere Kontrollen zur Verhinderung der unerlaubten Einreise. Seit dem grundsätzlichen Wegfall der Grenzkontrollen innerhalb der EU darf die Bundespolizei in Zügen, Bahnhöfen und in Flughäfen anlasslos kontrollieren (§ 22 Abs. 1a BPolG). Im Jahr 2018 gab es 253.546 derartige Kontrollen. Außerdem darf die Bundespolizei im „Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern“ anlasslos kontrollieren (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG). Hiervon machte die Bundespolizei 2018 laut Bundesregierung 2.264.400 Mal Gebrauch.

Auch in den Polizeigesetzen der Länder gibt es Rechtsgrundlagen für anlasslose Kontrollen, insbesondere an Kriminalitätsschwerpunkten oder so genannten gefährlichen Orten. Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin plant gerade die Regelung für „kriminalitätsbelastete“ Orte (§ 21 Abs. 2 ASOG) etwas zu entschärfen. Es soll nicht mehr genügen, dass sich an einem derartigen Ort „Personen treffen, die gegen aufenthaltsrechtliche Strafvorschriften verstoßen“.

Kontrollmerkmal: nicht mittel-europäisch aussehend

In der Praxis spielte das aber kaum eine Rolle. Anlasslose Kontrollen waren und sind weiter dort möglich, wo Personen „Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben“. Betroffen ist etwa weiterhin der Görlitzer Park in Kreuzberg und die dort agierenden Drogendealer.

Tatsächlich beruft sich die Polizei bei umstrittenen Kontrollen fast nie auf die Hautfarbe des Betroffenen, sondern auf „Lagebilder“ und „polizeiliches Erfahrungswissen“. Danach liegen bestimmte Kriminalitätsfelder, zum Beispiel der Drogenhandel in bestimmten Parks und Straßen, „klar erkennbar in den Händen bestimmter Ethnien“, so der Bremer Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Lüder Fasche. Bei Kontrollen wegen „unerlaubter Einreise“ liegt es ohnehin nahe, dass gezielt Menschen kontrolliert werden, die nicht mittel-europäisch aussehen.

Menschen mit dunkler Hautfarbe müssen daher in entsprechenden Parks und Straßen, in Zügen und Bahnhöfen ständig mit Kontrollen rechnen. Sie fühlen sich stigmatisiert und ausgegrenzt. Die Kontrollen, die mutmaßlich etwas mit ihrem Aussehen zu tun haben, geben ihnen ein Gefühl, dass sie nicht richtig dazu gehören, auch wenn die Überprüfung jeweils ergebnislos verläuft.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte fordert deshalb die Abschaffung anlassloser Kontrollen im Bundespolizeigesetz, da sie eine grund- und menschenrechtswidrige Praxis quasi nahelegen. Gegen die entsprechenden Regelungen in Landespolizeigesetzen wendet sich die Kampagne „Ban Racial Profiling – Gefährliche Orte abschaffen“.

Neben den politischen Forderungen sind auch gerichtliche Überprüfungen möglich. Wer glaubt, dass er wegen seiner Hautfarbe kontrolliert wurde, kann beim zuständigen Verwaltungsgericht gegen die Maßnahme klagen.

Sehr geringe Erfolgsquote bei anlasslosen Zugkontrollen

Gut möglich, dass die Polizei nun behauptet, die Hautfarbe habe bei der Kontrolle gar keine Rolle gespielt. Wenn das Gericht der Polizei glaubt, ist die Prüfung zu Ende, dann kann keine unzulässige Diskriminierung festgestellt werden. Oft sind die Begründungen der Polizei aber nicht überzeugend, dann stellt das Gericht eine Ungleichbehandlung wegen der Hautfarbe fest, es liegt also ein Eingriff in Artikel 3 des Grundgesetzes vor, der nach dem derzeitigen Wortlaut auch die Diskriminierung eines Menschen „wegen seiner Rasse“ grundsätzlich verbietet.

In einem zweiten Schritt wird dann von den Gerichten aber noch geprüft, ob die Ungleichbehandlung zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr gerechtfertigt war. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster verlangte 2018 von der Polizei, „auf die Örtlichkeit oder Situation bezogene Lagebilder“, die eine erhöhte Delinquenz einer „äußerlich erkennbaren Tätergruppe“ darlegen – was der Polizei bei einer Kontrolle im Bahnhof Bochum nicht gelang.

Das OVG Koblenz stellte 2016 bei der Prüfung einer Zug-Kontrolle darauf ab, dass anlasslose Kontrollen in Zügen fast nie unerlaubte Einreisen zu Tage bringen. Die Erfolgsquote liege im Promille-Bereich. Anlasslose Zug-Kontrollen seien deshalb rechtswidrig, wenn dabei auch die Hautfarbe eine Rolle spiele. Klagen gegen Racial Profiling können also durchaus erfolgreich sein.

In Berlin gilt für Klagen gegen diskriminierende Polizeikontrollen seit Mitte Juni auch das Landes-Antidiskriminierungsgesetz. Danach kann nicht nur die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme festgestellt werden, vielmehr sieht das Gesetz eine zusätzliche „angemessene Entschädigung in Geld“ vor. Neu ist auch eine „Vermutungsregelung“ als ausdrückliche Beweiserleichterung. Wenn „Tatsachen glaubhaft gemacht werden“, die das Vorliegen einer Diskriminierung „überwiegend wahrscheinlich“ machen, muss die Behörde den Vorwurf widerlegen. Urteile zum neuen Gesetz gibt es aber noch keine.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Wie fast immer bräuchte man nur zu differenzieren. Das betrifft sowohl die Polizei als auch die Aktivistinnen und Aktivisten. Von Freunden, die "afrikanisch" oder "südländisch" aussehen, habe ich oft gehört, dass sie wiederholt ohne erkennbaren Anlaß kontrolliert wurden. Das ist meiner Einschätzung nach reiner Rassismus. Andererseits gibt es manchmal bei konkreten Straftaten ein Täterprofil, und dann muss jedes Merkmal für die Fahndung genutzt werden können. Wenn ein älterer weißer Mann im Park eine Frau belästigt hat, dann fahndet die Polizei nach einem älteren weißen Mann. Wenn afrikanische Migranten von Drogenhändlern als Verkäufer instrumentalisiert werden (was auch eine Art struktureller Gewalt ist), dann geraten afrikanisch aussehende Männer an den üblichen Verkaufsorten ins Kontrollnetz der Polizei.