Gesetz gegen Feindeslisten und Doxing: Gefährliche Daten
Justizministerin Lambrecht will verbieten, Feindeslisten zu führen. Doch ihr Entwurf geht nun deutlich über den eigentlichen Zweck hinaus.
Seit zwei Jahren wird über die Strafbarkeit von sogenannten Feindeslisten diskutiert. Anlass waren Listen, die vor allem in rechtsextremen Kreisen zirkulieren, etwa eine Liste unter dem Titel #WirKriegenEuchAlle, die rund 200 Namen umfasste. Ende letzten Jahres erregte eine „Feindesliste“ mit gut 170 Politikern und Journalisten, die in Chatgruppen der sogenannten Querdenken-Bewegung kursierte, für Aufsehen.
Das Bundeskriminalamt (BKA) forderte als Erstes die Schaffung eines neuen Straftatbestands. Dieser müsse dann auch das „Outing“ politischer Gegner umfassen, wie es Antifa-Gruppen teilweise regelmäßig praktizieren, so das BKA. Diese Praxis wird auch als „Doxing“ bezeichnet. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) unterstützte die BKA-Forderung.
Im Gesetzentwurf gegen Hasskriminalität und Rechtsextremismus fehlte dann jedoch ein entsprechendes neues Delikt. Die CDU/CSU protestierte und forderte Nachbesserungen. Koalitionspartner SPD zeigte sich offen, bestand jedoch wegen der möglichen Gefahr für die Meinungsfreiheit auf einer gründlichen Prüfung.
Die Rechtspolitiker der Koalition einigten sich dann, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im Herbst 2020 einen Entwurf vorlegen solle. Mit einigen Monaten Verspätung wurde der BMJV-Entwurf nun endlich fertig.
Vorgeschlagen wird ein neuer Paragraf 126 a Strafgesetzbuch (StGB). Danach ist die Verbreitung „personenbezogener Daten“ strafbar, wenn sie „geeignet ist“, die betroffenen Personen der Gefahr schwerer Straftaten auszusetzen. Es drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren.
Wie vom BKA gewünscht geht es nicht nur um „Listen“. Es genügt, wenn die personenbezogenen Daten einer einzigen Person verbreitet werden. „Heinz Müller ist ein Nazi“ etwa wäre eine Parole, die unter den neuen Tatbestand fallen könnte.
Das „Verbreiten“ kann im Internet erfolgen, aber auch ganz altmodisch per Flugblatt oder Plakat. Der Gesetzentwurf erfasst allerdings keine Feindeslisten, die Extremisten nur für interne Zwecke anfertigen, ohne sie zu verbreiten.
Anders als frühere Vorschläge von BKA sowie CDU und CSU enthält der Vorschlag von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) keine Eingrenzung über ein subjektives Merkmal. Es kommt also nicht darauf an, dass die Täter die Daten veröffentlicht haben, um damit andere zu Straftaten aufzustacheln. Es soll vielmehr genügen, dass das Verbreiten der Daten „geeignet ist“, die erwähnten Personen einer Gefahr auszusetzen.
Ausweitung statt Eingrenzung?
Das ist erstaunlich. Denn eigentlich hatten sich die Beteiligten, insbesondere in der SPD, vom Justizministerium ja eine eher enge, verhältnismäßige Formulierung erhofft und keine Ausweitung der bisherigen Vorschläge.
Als Eingrenzung ist wohl das Merkmal der „Art und Weise“ der Verbreitung gedacht. Hierzu finden sich in der Begründung einige Beispiele. Wenn die Aufzählung von Namen etwa mit „militanten Bezügen“ oder Drohungen verbunden ist, erhöhe dies die Gefährdungseignung. Oder wenn Namen auf einer extremistischen Webseite aufgelistet werden, dann soll dies eher zu Straftaten führen können, als eine „sachlich-informative“ Berichterstattung.
Immerhin hat das BMJV an einer anderen Stelle die Zügel angezogen. Während es bei den Vorentwürfen der Unionsparteien noch genügte, dass Leser der „gefährdenden Daten“ zu Beleidigungen und anderen minder schweren Straftaten neigen könnten, muss in Lambrechts Entwurf schon ein Verbrechen oder eine Straftat gegen ein hochrangiges Rechtsgut drohen. Das dürfte auch eine gewisse Filterfunktion haben.
Das Ministerium hat seinen Entwurf unter der Überschrift „Formulierungshilfe“ veröffentlicht. Dies ist üblich, wenn den Koalitionsfraktionen ein ministerialer Text zur eigenen Einbringung überlassen wird.
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