Gesetz für bessere Krankheitserkennung: Viel zu viele kranke Herzen
Jeder dritte Sterbefall wird durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht. Die sind oft vermeidbar. Kann das „Gesundes-Herz-Gesetz“ Abhilfe schaffen?
Die drei häufigsten Todesursachen in Deutschland sind: Atemwegserkrankungen (jeder 14. Sterbefall), Krebs (jeder 5.) und mit Abstand ganz vorn Herz-Kreislauf-Erkrankungen (jeder 3.). Angeborene Stoffwechselstörungen, Rauchen, ungesunde Ernährung und zu wenig Bewegung treiben das Risiko für einen Herztod nach oben.
Wie stark sie gefährdet sind, erfahren Betroffene häufig erst in einem bereits dramatischen Stadium der Herzerkrankung. Diagnose, Behandlung und Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gelten allesamt in Deutschland als verbesserungswürdig. Erkrankungen des Kreislaufsystems kosten das Gesundheitssystem laut Gesundheitsministerium jährlich rund 57 Milliarden Euro.
Dass es weniger dramatische Herzerkrankungen in Deutschland geben könnte, zeigt ein Beispiel: Mindestens 1 von 500 Kindern wird mit einer Fettstoffwechselstörung geboren, die häufig schon im jungen Erwachsenenalter zu schweren Herzproblemen führt. Früh erkannt, ist diese Störung gut behandelbar. Aber: Nur ein Bruchteil der Fälle wird im Kindesalter festgestellt, die Erkrankung gilt in Deutschland seit Jahren als unterdiagnostiziert und unterbehandelt.
Sportverbände fürchten um Geld für Prävention
Die standardmäßigen Kinderuntersuchungen will das Gesundes-Herz-Gesetz nun entsprechend erweitern, was medizinische Fachverbände und Patient*innenorganisationen begrüßen. Um Risikofaktoren wie Übergewicht frühzeitig zu diagnostizieren, sollen die Krankenkassen zudem noch einmal extra zu der oft vernachlässigten, weil nicht meldepflichtigen Jugenduntersuchung J1 im Alter von 12 bis 14 Jahren einladen.
Gesetzlich Versicherte sollen von ihren Krankenkassen außerdem Einladungen für einen zusätzlichen Herz-Kreislauf-Checkup im Alter von 25, 40 und 50 Jahren bekommen und die Apotheken in die Früherkennung eingebunden werden.
Umstritten sind die Pläne des Gesundheitsministeriums in Sachen Therapie und Vorbeugung. So ist ein gesetzlicher Anspruch auf die Behandlung mit Lipidsenkern, sogenannten Statinen, vorgesehen. Statine sollen den Cholesterinspiegel senken und so etwa Herzinfarkten vorbeugen. Im Moment sind sie bei Risikopatient*innen vor allem dann vorgesehen, wenn nichtmedikamentöse Maßnahmen wie Diäten oder mehr Bewegung nicht greifen. Außerdem soll auch die Behandlung mit Medikamenten zur Tabakentwöhnung ausgeweitet werden.
Von der Patientenvertretung Deutsche Herzstiftung und den herzmedizinischen Fachgesellschaften werden auch diese Maßnahmen unterstützt. Mit der Erleichterung der Verordnung von Statinen würde eine Unterversorgung adressiert, heißt es in einer Stellungnahme der Herzstiftung. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Therapie sei bei Hoch-Risiko-Patient*innen sehr effektiv. Nichtmedikamentöse Präventionsangebote seien aber beizubehalten.
Gerade die sind aber laut Krankenkassen und Sportverbänden in Gefahr. „Tatsächlich handelt es sich beim Gesundes-Herz-Gesetz um ein Präventionskürzungsgesetz, in dem die Mittel für die Primärprävention zugunsten einer weiteren Medikalisierung zusammengestrichen werden“, heißt es etwa von Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung. Dass dadurch die angestrebte Verringerung der Krankheitslast erreicht werden könne, sei mehr als fraglich.
Auf taz-Anfrage heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium, dass die Krankenkassen ihre Leistungen zugunsten der gezielten Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen umschichten sollten und es an anderer Stelle zusätzliche Präventionsmaßnahmen gebe. Am Mittwochnachmittag wird der Gesetzentwurf im Bundestag beraten. Vor einem endgültigen Beschluss dürfte es noch Diskussionen geben.
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