Geschwindigkeitsbegrenzung in Berlin: Senat erst mal doch nicht auf Speed
Mehr Tempo 30 als gedacht könnte bleiben: Das hält sich die SPD zugute – laut CDU-Senatorin Bonde liegt es an einer neuen Regel.

Dass es dazu kommen könnte, schreibt sich die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus allein zu: Man habe einen „Schnellschuss verhindert“ und eine Prüfung durchgesetzt. Senatorin Bonde sieht das anders – sie macht für die Prüfung schlicht eine neue Regel in der Straßenverkehrsordnung (StVO) verantwortlich.
Die 41 Straßenabschnitte mit Tempo 30 benennt der aktuelle Luftreinhalteplan, den die damals rot-rot-grüne Landesregierung für 2019 bis 2024 beschloss. Dort wurde die Luft als so schlecht eingeordnet, dass geringeres Tempo mit weniger Schadstoffausstoß als nötig galt. Für die Neuauflage bis 2029, so war schon vor der Senatssitzung vom Dienstag zu hören, wurden die Grenzwerte für Stickstoffoxid inzwischen aber an 34 dieser Straßen unterschritten und rechtfertigten nur noch an 7 Stellen weiter Tempo 30.
Dort wäre also künftig „50“ angesagt – wären da nicht noch die Aspekte Sicherheit und „hochfrequentierte Schulwege“. Letztere stehen laut Bonde erst seit Ende 2024 in der StVO, die Ausführungsvorschriften zu diesem Bundesgesetz seien erst im Frühjahr gefolgt.
Auch die 25 übrigen Abschnitte könnten Bestand haben
Und so rechnet die Senatorin weiter vor, dass von den 34, in denen aus Luftreinhaltegründen nicht mehr Tempo 30 gelten müsste, 9 aus Sicherheitsbedenken weiter temporeduziert blieben – weil es dort eine Schule, eine Kita, eine Klinik oder ein Altenheim gibt. Die abgezogen, würden 25 Abschnitte bleiben, in denen Tempo 30 wegfiele.
Durch die neue Regel von den „hochfrequentierten Schulwegen“ könnten aber auch sie noch Bestand haben. Laut Bonde wird sich das nicht am Schreibtisch nach Aktenlage entscheiden, sondern in Gesprächen mit Schulen in der Nähe jener Straßen. Ortsbegehungen soll es geben, „möglichst nicht nur einmal, sondern zweimal“.
„Wir gehen nach gesetzlichen Regeln vor“
Angesprochen auf die während der Pressekonferenz verbreitete Mitteilung der SPD-Fraktion, wonach es die Sozialdemokraten waren, das so durchsetzten, widerspricht Bonde: „Es stand zu keiner Zeit infrage, dass es die Überprüfung gibt.“ Sie will andererseits auch keinen Druck aus der CDU-Fraktion gespürt haben, Tempo 30 aufzuheben – „wir gehen nach gesetzlichen Regeln vor“, sagt sie. Von der SPD-Fraktion hatte sie sich bereits jüngst im Abgeordnetenhaus viel Kritik hören müssen.
Am 5. August, wenn sich auch der Rat der Bürgermeister mit dem Beschluss vom Dienstag befasst haben wird, will der Senat laut Bonde den Luftreinhalteplan ein zweites Mal besprechen und beschließen. Falls die Prüfung der 25 Straßen dann noch nicht zu Ende ist, dann werden, so ist sie zu verstehen, deren Ergebnisse zu einem späteren Zeitpunkt berücksichtigt.
Für den Fall, dass die 25 zu prüfenden Straßen am Ende nicht als hochfrequentierte Schulwege gelten und am Ende Tempo 30 wegfällt, hat die Deutsche Umwelthilfe schon Protest angekündigt. Die Organisation hatte mit ihren Klagen in früheren Jahren zur Temporeduzierung beigetragen. Via Pressemitteilung kündigt ihr Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch an: „Wir werden rechtliche Schritte prüfen.“ Eine große Unwägbarkeit bei der Prüfung der Schulwege: Die StVO definiert laut Bonde den Begriff „hochfrequentiert“ nicht – „es gibt da noch keine Erfahrungswerte“.
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