Geschlechtergerechte Wahlunterlagen: Männer und andere Wähler
Weil Frauen auf den Briefwahlunterlagen zur Bundestagswahl bisher nicht vorkommen, zieht eine Bremerin nun vor das Bundesverfassungsgericht.
Frau Damm ist so eine Frau. Die Bremerin hat bei der letzten Bundestagswahl ihren Wahlschein geschlechtergerecht korrigiert und sich auch gleich noch ein amtliches Siegel dafür geholt, dass ihre Stimme trotzdem als gültig gezählt wird. Denn selbstverständlich ist das nicht: Es gibt auch JuristInnen, die sagen, dass jede handschriftliche Änderung auf einem amtlichen Dokument selbiges per se ungültig macht.
Nun kämpft Damm auf höchster Ebene um die Gleichstellung auf dem Wahlzettel. Nachdem der Bundestag ihren Wahleinspruch im Sommer zurückgewiesen hat, reichte Damm nun eine Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.
Der Wahlprüfungsausschuss des Parlaments wertete ihren Einspruch lediglich als einen „Reformvorschlag für die Zukunft“. Ein Verstoß gegen die geltenden Vorschriften und damit ein Wahlfehler seien nicht zu erkennen, so der Wahlprüfungsausschuss in seiner Begründung. „Das auf dem Wahlschein verwendete generische Maskulinum umfasst Personen jedweden Geschlechts, nicht ausschließlich männliche Wähler“ heißt es in Drucksache 19/3050. Im Klartext: Frauen sind auch gemeint, wenn von Männer die Rede ist. Ob das umgekehrt auch gelten würde?
Das Frauenwahlrecht wurde am 30. November 1918 in das Reichswahlgesetz aufgenommen. Frauen konnten in Deutschland also bei der Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 erstmals auf nationaler Ebene ihr Wahlrecht nutzen.
Olympe de Gouges gilt als Vorkämpferin des Frauenwahlrechts. Sie veröffentlichte 1791 die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin. 1793 wurde sie hingerichtet.
1838 bekam die britische Kronkolonie Pitcairn, eine Insel im Südpazifik, als erstes Territorium ein Frauenwahlrecht. 1853 führte Vélez (Kolumbien) als erste Stadt der Welt das Frauenwahlrecht ein. Colorado war 1893 der erste Staat, in dem sich Männer in einer Volksabstimmung für das Frauenwahlrecht entschieden haben. 1906 gab Finnland den Frauen das Wahlrecht – allerdings war es damals noch ein russisches Großfürstentum.
Dass auch 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts auf dem Wahlschein nur von Männern die Rede ist, „mag diskriminierend wirken“, so der Ausschuss – allerdings sei das unerheblich, juristisch jedenfalls: Das hat „keine rechtliche Konsequenz“, stellte der Wahlprüfungsausschuss klar. Insbesondere sei mit diesem Wahlschein keine Ungleichbehandlung dergestalt verbunden, dass Frauen von der Briefwahl ausgeschlossen wären und nur Männer auf Wahlzetteln wirksame eidesstattliche Versicherungen abgeben könnten.
Frau Damm reicht das nicht. Ihr sei es „unmöglich“, so etwas persönlich zu unterschreiben, auch werde sie „abgeschreckt“, überhaupt briefwählen zu gehen, wenn ihr das als Urkundenfälschung ausgelegt werden könnte. Sie fühlt sich in ihrem Recht auf ungehinderte Wahlteilnahme verletzt – und deshalb sollen die Karlsruher RichterInnen nun eine Rechtsverletzung feststellen.
Derweil wurden die Grünen in der Bremischen Bürgerschaft schon aktiv: Sie haben sich mit einer Anfrage an den Senat gewandt. In ihrer Antwort versichert die rot-grüne Landesregierung, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass der Wahlzettel künftig gegendert wird. Im übrigen gehe man davon aus, dass es sich hier um einen Einzelfall handele, zumindest im Land Bremen. Eine Überprüfung aller Wahlscheine sei aber „nicht möglich“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag