Geschäfte mit Schweizer Bank UBS: Leipzigs Giftpapiere
Die Manager der Leipziger Wasserwerke haben sich im internationalen Finanzdschungel verzockt, die Risiken betragen 290 Millionen. Mit im Geschäft ist auch die Schweizer Bank UBS.
Es dürfte der höchste Preis sein, den eine deutsche Kommune für die gescheiterten Jonglierversuche zweier städtischer Angestellter in der internationalen Finanzarena zu zahlen hat. Auf 290 Millionen Euro belaufen sich die Risiken der Leipziger Wasserwerke KWL, die die Stadt als Bürge höchstwahrscheinlich in den nächsten Jahren einlösen muss. Jetzt hat die KWL die in die Transaktionen involvierte Schweizer Großbank UBS, die Landesbank Baden-Württemberg und die Depfa-Bank in Dublin verklagt, weil sie sich hintergangen fühlt. Die eingegangenen Finanzwetten sollen für unwirksam erklärt werden.
Eine E-Mail überraschte am 10. Dezember des Vorjahres die Leipziger Stadtspitze. Darin war seitens der KWL von der Fälligkeit eines ersten Risikoausgleichs in Höhe von 20 Millionen Euro die Rede. Fieberhafte Nachforschungen begannen. Zu Jahresbeginn 2010 erstattete Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) gegen die bereits beurlaubten KWL-Geschäftsführer Klaus Heininger und Andreas Schirmer Anzeige und entließ beide kurz darauf.
Seither versuchen 120 Ermittler einer Taskforce und die Antikorruptionseinheit INES der sächsischen Staatsanwaltschaft die hochspekulativen Geschäfte der Manager zu entwirren. Heininger wurde Ende Februar nach einer Hausdurchsuchung verhaftet.
Auch wenn Jung betont, die "kriminellen Vorgänge" stünden nicht direkt im Zusammenhang mit Cross Border Leasing, sind sie doch seit 2003 durch dieses kommunale Geldbeschaffungsverfahren ausgelöst worden. Dabei erwarben amerikanische Investoren unter Vermittlung von Banken formal kommunale Infrastruktur in Europa, die von den Kommunen sofort wieder zurückgeleast wurde. Von den steuerlichen Abschreibungsvorteilen dieses mittlerweile in den USA untersagten Verfahrens profitierten auch deutsche Städte. Leipzig ist neben Düsseldorf die Stadt mit den meisten dieser Verträge.
Für die Absicherung eines Cross-Border-Leasing-Depots schlossen Heininger und Schirmer 2006 eine Kreditausfallversicherung mit der Schweizer UBS ab. Um die dafür erforderliche Prämie von zehn Millionen Euro zu finanzieren, trat die KWL selbst als Kreditversicherer für die UBS auf. Dafür kassierten die Wasserwerke eine Prämie von 40 Millionen Euro, deren Verbleib größtenteils unklar ist. Dabei handelt es sich um sogenannte CDS- und CDO-Geschäften.
Die versicherten Risiken standen in keinem Verhältnis zu den eigenen Einlagen. "Gekauft haben sie eine Kreditversicherung für ein Eigenheim, gegeben haben sie Kreditversicherungen für einen Wolkenkratzer, der auch noch im Erdbebengebiet steht", stellt OB Jung die Vorgänge dar. Die Risiken aus diesen Kreditausfällen muss die KWL nun zahlen. Nach Recherchen der Sächsischen Zeitung schützte sich die UBS vor einer Zahlungsunfähigkeit der KWL, indem sie die Risiken der Depfa und der Landesbank in Stuttgart übertrug.
Mittlerweile ist der Verdacht aufgetaucht, die UBS habe in die Pakete besonders wertlose "toxische" Papiere gepackt, wohl wissend, dass der deutsche Steuerzahler letztlich dafür bürge. In diese Richtung argumentiert jetzt Leipzig, wenn es klagt. "Wir werden nicht zuschauen, wie Banken und andere versuchen, sich an unserer Stadt zu bedienen", schimpft Jung.
Derartige Verträge hätten wohl einer Zustimmung der Aufsichtsgremien bedurft. Denn die Transaktionen, die einer Wette zwischen Versicherer und Versichertem gleichkommen, erfolgten außerhalb der Bücher und offenbar vorbei am Aufsichtsrat. Besiegelt wurden sie in London. Bei einem Eigenkapital von 220 Millionen Euro hätte der Leipziger Wasserversorger gar nicht für Risiken in Höhe von 290 Millionen Euro haften können.
Jung will jetzt "um jeden Cent kämpfen", wohl wissend, dass es dabei um die Handlungsfähigkeit der Stadt geht. Experten rechnen jedoch damit, dass die Bürgschaft für die bis 2017 laufenden Papiere weitestgehend fällig wird und die hoch verschuldete Stadt weiter belastet. Ende Februar beschloss der Stadtrat fast einstimmig, die Risiken aus dem Finanzskandal zu übernehmen. Mit ersten Forderungen in Höhe von 61 Millionen Euro wird schon in den nächsten beiden Wochen gerechnet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen