Geringere Gehälter von Sportlerinnen: Jetzt streiken die Fußballerinnen
Die spanischen Erstligaspielerinnen haben den ersten Frauenstreik der europäischen Fußballgeschichte begonnen. Sie ringen um einen Rahmentarifvertrag.
Das heißt, teilweise waren sie schon da, wie Espanyols Kapitänsfrau Paloma Fernández. Allerdings nur, um in Straßenkleidung den Reportern zu erklären, dass sie sich nicht umziehen werden. Dass sie es wirklich tun: Mit dem verhinderten Duell in Barcelona begann der erste Frauenstreik der internationalen Fußballgeschichte. Auch das zweite Samstagsspiel zwischen Levante und Huelva entfiel, am Sonntag folgten weitere Partien wie das sevillanische Derby zwischen Betis und FC oder die Matches der Spitzenklubs FC Barcelona und Atlético Madrid. „Traurig, dass es so weit kommen musste“, sagte Fernández in malvenfarbenem Strickpulli am Rande des Spielfelds, auf dem sie sonst ihrem Beruf nachgeht: „Aber die Gründe kennt ihr ja alle.“
Über 13 Monate und 21 Verhandlungsrunden hatten die Spielerinnen mit der Klubvereinigung um einen Rahmentarifvertrag gerungen, der seinerseits in Europa der erste seiner Art für den Frauenfußball wäre. Zuletzt hatten sich auch Arbeitsministerium und Sportausschuss eingeschaltet. Doch mit Einigungen ist das momentan in Spanien so eine Sache. In der Politik brauchte es nach monatelanger Blockade die vierten Parlamentswahlen in ebenso vielen Jahren, damit vielleicht mal wieder eine Regierung zustande kommt. Im Fußball brachte bisher alles nichts.
Dabei klingt der Streitwert im Vergleich zu den üblichen Summen im Kickerbusiness geradezu lächerlich. Es geht um Gehälter, die kaum über dem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Spanien von 12.600 Euro jährlich liegen. Bezüglich der Vollzeitverträge hätten sich Erstligaklubs und Spielerinnen bei einem Mindestlohn von 16.000 Euro sogar einigen können. Doch bei den Teilzeitverträgen blieben die Fronten hart. Die Gewerkschaften forderten ein Pflichtgehalt von 12.000 Euro, die Arbeitgeber (Acff) boten nur 8.000.
„Wir können nicht Geld ohne Ende rein stecken“
Insgesamt und inklusive Nebenkosten beläuft sich der Unterschied zwischen den Vorstellungen beider Seiten auf rund 1,5 Millionen Euro. „Wir können nicht unterzeichnen, was manche Vereine nicht stemmen können“, hieß es von der Acff. Gemeint sind dabei eher nicht die Barças oder Atléticos, aber etwa Granadilla Teneriffa, das nur wenige hunderttausend Euro zur Verfügung hat. Oder Valencia, wo der Mutterverein nach Angaben des Abteilungsleiters Salvador Belda bis zu 40 Prozent des Etats zuschießt: „Wir zahlen seit Jahren die Fiesta. Aber wir können nicht Geld ohne Ende reinstecken, das machen die Leute nicht mit.“
13 von 16 Vereinen sind in der Acff organisiert. Von ihren 250 Spielerinnen verdienen nach Informationen der Zeitung El País bisher nicht mal die Hälfte die angestrebten 16.000 Euro – obwohl die Gehälter in den letzten drei Jahren um durchschnittlich 30 Prozent pro Saison angestiegen sind. Der Frauenfußball boomt in Spanien, aber er boomt noch nicht genug. „Gemäß der Prognosen für diese Saison bleibt der Wettbewerb defizitär“, heißt es von der Acff.
Klubvereinigung ACFF
Den bis zum Wochenende letzten Arbeitskampf im spanischen Fußball hatten im Sommer 2011 die Männer wegen ausstehender Gehaltszahlungen geführt. Chefgewerkschafter war damals der heutige Fußballverbandpräsident Luis Rubiales. Im aktuellen Konflikt spielt er eine undurchsichtige Rolle. Als Teil eines infantilen Dauerstreits mit der spanischen Liga hatte er im Sommer die Kompetenzen über den Frauenfußball zum Verband zurückgeholt. Statt des von der Acff ausgehandelten Fernsehvertrags mit Einnahmen von knapp 200.000 Euro pro Klub versprach er anfänglich mehr als das Doppelte. Bisher ist allerdings kein Geld geflossen.
Und so bestreiken die Frauen nun also ihre Liga, auf unbestimmte Zeit. Am Wochenende gab es dafür solidarische Worte auch von männlichen Kickern. „Den Kolleginnen, die für ihre Rechte kämpfen, schicke ich meine volle Unterstützung“, erklärte etwa Antoine Griezmann. Würden er und ein paar andere jetzt noch einen Bruchteil ihrer Gehälter abgeben – das Problem ließe sich ziemlich schnell lösen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen