Gerichtsentscheidung zu Birkenstock: Streit um die Sandale
Die Birkenstock-Gruppe wollte höchstrichterlich feststellen lassen, dass ihre korkige Sandale einzigartig ist. Jetzt entschied der Bundesgerichtshof.
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Die Birkenstock-Gruppe hatte gegen Nachahmer geklagt, weil der Designschutz für frühe Modelle nach 25 Jahren abgelaufen war. Als Kunstwerke hätten die Sandalen Urheberrechtsschutz genossen – bis 70 Jahre nach dem Ableben des Schöpfers.
Die Sandale
„Mich hatte Mode ja überhaupt nicht interessiert“, sagte der Erfinder der Sandale, Karl Birkenstock, vor 25 Jahren im Gespräch mit der taz. Sein Vater und Großvater hatten das „Blaue Fußbett“ patentieren lassen, eine orthopädische Schuheinlage zur Korrektur von Fehlstellungen.
Karl Birkenstocks Idee, die Einlage nicht länger in Schuhe zu legen, sondern mit Riemen und Sohle einen eigenen Schuh um die Korkeinlage herumzukonstruieren, kam überhaupt nicht gut an. „Idiotische ausgehöhlte Baumstämme“ kommentierten Schuhhändler die Innovation. Werbebriefe an Arztpraxen retteten das Familienunternehmen vorm Bankrott, als Berufsbekleidung ging das kontroverse Design durch. Ein Gipsverband muss ja auch nicht schön sein, sondern zweckmäßig.
Dass es heute Milliardenumsätze gibt, verdankt das Unternehmen auch Margot Fraser, einer Schneiderin aus Kalifornien, die in den 60er Jahren Deutschland besuchte. „Schuhe zu der Zeit waren spitz und hatten einen Absatz, also eine reine Tortur für die Füße!“, schreibt sie später über die Marktlücke bequemer Schuhe. Von ihrer Reise brachte sie auch eine Birkenstock-Vertriebslizenz mit, ab 1966 baute Fraser Birkenstock USA auf.
Irgendwie total müsli
Weil die Gesundheitslatschen aber auch dort zunächst Skepsis unter den Schuhhändlern auslösten, versuchte sie es 1967 beim Treffen der „Association for Health Foodstore Owners“ in San Francisco. Das Image, irgendwie total müsli zu sein, mag also durchaus daher stammen, dass Birkis zwischen Schrotmühle und Biomehl zum Verkauf angeboten wurden. Denn über dieses Vertriebsnetz von Reformhäusern fanden Schuhe und Zielgruppe dann doch noch zusammen: Hippies, Naturverbundene, Menschen, denen wie Margot Fraser schlicht die Füße weh taten.
Über 50 Jahre später befreit im Film „Barbie“ eine andere Margot, Schauspielerin Margot Robbie, ihren Fuß von der für Barbiepuppen typischen Fehlstellung und bringt ihn (und sich selbst) mithilfe von Birkis zu Bodenhaftung.
Diese perfekte Produktplatzierung illustriert, wie sich das Marketing des Unternehmens seit der Reformhauszeit entwickelt hat. Genau wie Kofferhersteller Rimowa, Kaschmirspezialist Loro Piana und Juwelier Tiffany gehört Birkenstock heute zu LVHM (Louis Vuitton Moët Hennessy), dem größten Luxusgüterkonzerns der Welt. Trotz Börsengang und Dividendendruck werden noch immer 95 Prozent aller Waren in Deutschland hergestellt.
Skandale liegen eine Weile zurück: Die taz berichtete 1996 von Schikanen nach Gründung eines Betriebsrats und über ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen bis ins Jahr 2012.
Blickt man heute auf den Schuh – eins der schlichten, klassischen Modelle wie „Madrid“, keine der aus Kollaborationen mit anderen LVHM-Modehäusern entstandenen Luxusgüter – dann ist da ein Objekt, das den Geist des Bauhaus in sich zu tragen scheint: Einfach und wahr, geformt nach den Gesetzen der Zweckmäßigkeit. Ohne jedes Dekor verschleiert hier auch nichts den Blick auf die Qualität des Materials, die Haltbarkeit und den Gebrauchswert.
Karl Birkenstock entwarf den Schuh einst, ohne Mode im Kopf zu haben. Aber hatte er Kunst im Kopf? Zumindest kündigte Birkenstock-Anwalt Konstantin Wegner schonmal weitere Verfahren an: Die Sandalen hätten ein „ikonisches Design“ und seien besonders schutzwürdige Schöpfungen.
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