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Gericht lehnt strengeres Waffenrecht ab„Triumph krimineller Unvernunft“

Das Waffenrecht wird nicht verschärft. Karlsruhe weist die Klagen von Hinterbliebenen der Winnenden-Opfer zurück. Aber der Gesetzgeber hat einen weiten Spielraum.

Äußerst unsympathisch: Bock-Doppelflinte. Bild: dpa

KARLSRUHE dpa | Das Bundesverfassungsgericht hat Klagen von Hinterbliebenen des Amoklaufs von Winnenden auf eine Verschärfung des Waffenrechts abgewiesen. Das geltende Waffenrecht verletze die Beschwerdeführer nicht in ihrem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, so das Gericht in den am Freitag veröffentlichten Beschlüssen.

Zwei der Kläger sind Eltern von Kindern, die beim Amoklauf in einer Schule in Winnenden 2009 erschossen wurden; außerdem hatte der Sprecher einer Initiative gegen Sportwaffen geklagt. Sie hatten kritisiert, dass der Gesetzgeber den Gebrauch von tödlichen Waffen im Schießsport nicht ausreichend einschränke.

Das Gericht wies die Verfassungsbeschwerden zurück. Zwar habe der Staat grundsätzlich die Pflicht, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen. Dies umfasse auch „Missbrauchsgefahren, die vom Umgang mit Schusswaffen ausgehen“.

Die Entscheidung, welche Maßnahmen geboten sind, könne jedoch nur begrenzt nachgeprüft werden. Eine Verletzung der Schutzpflicht lasse sich nur feststellen, „wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die ergriffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind“.

Nach diesem Maßstab billigten die Richter die Vorschriften des Waffengesetzes. Demnach benötigen Waffenbesitzer eine Erlaubnis, die nur unter bestimmten Voraussetzungen erteilt wird – unter anderem Sachkunde und persönliche Zuverlässigkeit. Der Gesetzgeber habe einen weiten Einschätzungsspielraum bei der Erfüllung seiner Schutzpflichten, erläuterte das Gericht. Angesichts dessen „steht den Beschwerdeführern ein grundrechtlicher Anspruch auf weitergehende oder auf bestimmte Maßnahmen wie das Verbot von Sportwaffen nicht zu“.

Spaß mit tödlichen Schusswaffen

Der Sprecher der Initiative „Keine Mordwaffen als Sportwaffen!“, Roman Grafe, kritisierte die Entscheidung als „Triumph krimineller Unvernunft“: „Das Freiheitsrecht auf Spaß mit tödlichen Schusswaffen darf weiterhin das Recht auf Leben überwiegen. Die Verfassungsrichter hatten nicht den Mut, den Irrsinn tödlicher Sportwaffen zu beenden“, heißt es in einer Presseerklärung.

Nach den Amokläufen in Schulen in Erfurt (2002) und Winnenden (2009) hatte der Gesetzgeber das Waffenrecht verschärft. Im vergangenen Jahr beschloss der Bundestag die Einführung eines deutschlandweiten Waffenregisters.

Der Vater des Amok-Schützen von Winnenden wurde Anfang Februar zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung verurteilt. Der Sportschütze hatte seine legal erworbene Pistole in einem unverschlossenen Schrank aufbewahrt. Sein damals 17-jähriger Sohn nahm die Waffe und erschoss damit 15 Menschen und anschließend sich selbst.

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15 Kommentare

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  • M
    Mordschütze

    Das häufigste Motiv für diese Amoktaten ist Sportschützentum im Endstadium. Das ist eine unheilbare Krankheit, die nur durch Sicherungsverwahrung der Sportschützen kontrollierbar ist.

    • T
      think
      @Mordschütze:

      Wenn das mal keine extreme Meinung ist? Sicherheitsverwahrung für Personen, die sich überdurchschnittlich an Gesetze halten? Übrigens, die Killer der RAF hatten keine legalen Waffen und mordeten sich jahrelang durch die BRD

  • N
    Nic

    LWB haben keine Deliktrelevanz. Das sagt das BKA im Bundeslagebild 2010. Eigentlich könnte die Diskussion hiermit beendet sein. Nur, es gibt halt leider diese Antiprivatwaffenhysteriker.

    • T
      think
      @Nic:

      Totalitaristen mögen keine Waffen in Privatbesitz. Die Nationalsozialisten haben zuerst die Juden entwaffnet und auch in den Ländern, denen sie einen Besuch abstatteten, haben sie sich die Waffenregister zu Gemüte geführt. Das ist bei anderen Sozialismusvarianten nicht anders.

  • K
    Karl

    Sehr geehrter Herr Wagner,

     

    vielen Dank für die nicht bestellten "Blumen". Leider darf ich Sie enttäuschen, weder bin ich "Sportschütze" noch Lobbyist....

    Auch ist meine Symathie für die "Sportschützen" nur begrenzt vorhanden, denn dort sammeln sich immer noch zu viele arg konservative bis reaktionäre Gestalten; sicher auch zum Schaden der "Normalen".

     

    Mein Kontakt zu SW rührt u.a aus der beruflichen Bearbeitung von Fällen zum Thema: Nicht natürlicher Tod/Schuss sowie Forschung zum Thema "Gefährdung durch Schusswaffen" her.

     

    Ihre Einlassungen, sollten Sie tatsächlich mal GK geschossen haben sind, nun ja irgendwie sonderbar.

     

    Zudem sind Ihre Vokabeln sowohl von der exakten Begriffsbestimmung, auf die man durchaus noch verzichten kann, wie von dem beschreibenden Charakter suggestiv und subjektiv. Einen Anspruch auf eine allgemein gültige "Wahrheit" können Sie damit nicht erheben. Was alos wollen Sie damit bezwecken?

    Information dürfte das ausweislich der Art der Darlegung nicht sein!

     

    Ach ja, habe gerade eine Untersuchung aus dem JAN13 auf dem Tisch. Darin wird der Frage nach dem Zusammenhang von "Tödlichkeit" und Geschossdurchmesser bei Kurzwaffen nachgegangen. Einmal durch die pathologische Fachliteratur von 1935 - 2010, und dann anhand von Schussversuchen mit verschiedenen handelsüblichen Geschossen der Kaliber von 4,5 - 5,56 mm.

     

    Und auch diese Arbeit bestätigt die Befunde der Vergangenheit:

     

    Bei Kurzwaffen ist für die Trefferwirkung ausschließlich die Trefferlage (Erreichen und schädigen eines vitalen Organs)unabhägig vom Geschossdurchmesser bestimmend!

     

    Es ist daher völlig realitätsfern einem Geschossdurchmesser einen "Gefährlichkeitsgrad" zuzueignen, der nicht objektivierbar ist, und es in über 70 Jahren auch nicht war!

    Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Grundsätzlich können Geschosse aller Durchmesser aufgrund rein mechanischer Effekte tödlich wirken (Durchmesser allein bestimmt eben nicht die Wirkung, sondern die tatsächliche Lage des Schusskanals).

     

    Was Sie in den letzten Absätzen über sich darlegen, zeigt das Sie offenkundig wirklich nicht geeignet sind, mit potenziell gefährlichen Gegenständen umzugehen.

     

    Zu der Einsicht kann ich Sie nur beglückwünschen.

     

    Oft genug "muss" ich SW in den Händen halten, aber die von Ihnen beschriebenen Effekte habe ich noch nie beobachten können. Daher bin ich veranlasst solche "Gefühle" für ein pathologische Problem zu halten, dazu können aber die Fachmediziner sicher mehr beitragen als ich in der naturwissenschaftlichen Funktion leisten kann.

     

    Glück auf!

     

    Karl

     

     

     

    PS: Die Literaturliste kann ich Ihnen hier gerne zukommen lassen.

  • AW
    Anton Wagner

    @ Karl und alle anderen Waffenlobbyisten

     

    Es ist zwar pure Zeitverschwendung einem Waffenfanatiker, wie Ihnen, etwas gegen Waffen sagen zu wollen, aber ich will Ihnen mal trotzdem antworten.

     

    Sie können es nicht glauben, daß mal einer der Ihren abtrünnig wird und auf den Pfad der Vernunft zurückkehrt. Wie kann ich Ihnen beweisen, daß ich ein ehemaliger Groß-Kaliber Sportschütze bin? Indem ich Ihnen alle Kaliber und Waffen aufzähle, mit denen ich hantierte?

     

    Oder indem ich Ihnen einfach die Wahrheit über die inneren Beweggründe meiner Sportschützenaktivitäten sage? Es ist beschämend, aber ich fand es einfach großartig, ein absolut tödliches und spektakuläres Schießeisen in Händen zu halten und es vermeintlich zu kontrollieren.

     

    Wenn mir einer sagt, er ist aus reiner sportlicher Begeisterung Groß-Kaliber Sportschütze, dann kann ich ihn nur mitleidig belächeln. Sportliche Argumente sind wirklich nur vorgeschützt. Die Versuchung, eine Sportschützenwaffe gegen Feinde - vermeintlich oder nicht - einzusetzen ist immer vorhanden.

     

    Und vernünftig über diese Sache nachdenken kann man erst, wenn man die Waffe endgültig weggelegt hat. Die Waffe übt einen Bann aus. Ein Waffennarr weiß gar nicht, wie sehr ihn die Waffe kontrolliert.

  • K
    Karl

    @ Synoptiker

     

    Das Gericht ist nicht die Legislative!

     

    Die Urteilsbegründung ist fachlich sehr sensibel und qualifiziert, schade wenn Sie das mangels Fachwissen nicht erkennen können.

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • K
    Karl

    Ach Herr Wagner,

     

    mal abgesehen das ich Ihnen den "Sportschützen" nicht glaube, gilt immer noch das der Täter die Tatmittel qualifiziert.

     

    Denn wenn Sie auch nur ein bischen Einsicht in die technischen Gegebenheiten hätten würden sie so unqualifizierte Kampfbegriffe wie "Sportschützenwaffen"

     

    Die in Wn und E schon illegal waren. Einmal aber durch Versagendes Besitzers (An) und dann durch Amtsversagen (E) in flasch Hände gelangten.

     

    Da darf man ruhig bei der Wahrheit bleiben.

     

    Ansonsten gilt: Schutzzweck der Norm! prüfen, und da sind die fachlich unqualifizierten Einlasssungen von Herrn G. eben keine objektive Verbesserungsmöglichkeit.

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • S
    Synoptiker

    Einige Beiträge hier zeigen den Grad der Verrohung an, in dem sie alles relativieren. Die Angehörigen haben keine sterilen Beweggründe, sie haben liebe Angehörige durch Mord verloren, dass ist ein ziemlicher Unterschied. Und die Begründung zum Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts verurteile ich aufs schärfste, es hat eine Chance zur Befriedung der Bevölkerung vertan!

    In ein paar Jahren werden wir Amerika überholt haben. Hinter dieses Urteil kann weder die Politik noch das BVG zurück. Unsere vernetzten Eliten an den Schaltstellen dieses Systems stützen sich gegenseitig, weil der Lobbyismus wie ein Krebsgeschwür überall wuchert. Ja, ich glaube, das Gericht war und ist nicht mehr frei, in seiner Urteilsbegründung steckt ein Schwachsinn, den man diesen studierten Menschen gar nicht zu getraut hätte!

  • AW
    Anton Wagner

    Früher war ich selbst einmal Groß-Kaliber Sportschütze. Ich gebrauchte dieselben Argumente, wie alle anderen Kameraden: "Nicht die Waffe tötet, sondern der Mensch. Legale Waffen werden bei Mord kaum benutzt."

     

    Tatsache ist jedoch, daß sowohl Erfurt, als auch Winnenden mit Sportschützenwaffen verübt wurden. Zumindest diese Opfer hätten wahrscheinlich nicht sterben müssen.

     

    An die 30 Tote sind es nicht wert, Waffen in privatem Besitz zu verbieten? Das ist purer Zynismus!

  • H
    Häger

    Kleine Anmerkung zum Bild, das ist eine Bockflinte.

    "Das Doppel" ist doppelt gemobbelt.

     

    Dem höchsten deutschen Gericht "krimineller Unvernunft" zu unterstellen, disqualifiziert

    Herrn Graefe vollkommen. Da muss man nicht mehr

    zu sagen.

  • S
    stroker88

    Wieder ein Urteil im Namen von Zeitgeist und Kassenlage.

  • D
    Demokratin

    Wenigstens kennt das Bundesverfassungsgericht noch die Verhältnismäßigkeit und nicht nur medial aufgezwungene politische Korrektheit.

     

    Nur 0,2% aller Straftäter haben eine Schußwaffe eingesetzt und diese waren wiederum nur zu 4% legal erworbene erlaubnispflichtige Schußwaffen.

     

    Waffen von Sportschützen, Jägern und Sammlern sind also nur zu 0,008% an Straftaten beteiligt.

     

    Dem stehen jedoch 3,1 Mio. Sportschützen, Jäger und Sammler gegenüber, also 3,8% aller Einwohner Deutschlands.

     

    So sehr die persönlichen Beweggründe der Angehörigen von Winnenden auch nachvollziehbar sind, so wenig kann ich der faktenlosen Berichterstattung abgewinnen.

     

     

    Quelle:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Waffenmissbrauch#Illegaler_Waffenmarkt_und_Waffenbestand

     

    http://www.badische-zeitung.de/deutschland-1/45-millionen-waffen-sind-im-umlauf--12577725.html

  • F
    FaktenStattFiktion

    „Äußerst unsympathisch“ schreibt der nicht genannte Redakteur

    der taz und zeigt damit sogleich, dass es in dem Artikel nicht um eine faire Analyse geht.

     

    Dabei war der Urteilsspruch ohnehin absolut vorhersagbar. Hätte Karlsruhe anderweitig entschieden, hätte künftig ein verunfallter Fußgänger auch VW verklagen können - zusätzlich zum Fahrer.

    Zusätzlich auch eine Brauerei, wenn der Unfallfahrer im Bierrausch fuhr.

     

    Den Hersteller von Spielkarten, wenn diese in illegalen Spielhöllen eingesetzt werden.

     

    Auch Sportschützen haben Rechte, und die Statistiken zum Waffenrecht sprechen eine mehr als deutliche Sprache. Der eigentliche Skandal ist, dass es diese Klage überhaupt bis nach Karlsruhe geschafft hat.

  • K
    Karl

    Herr Graefe hat einen, von keiner Sachkenntnis getrübten, ANtrag gestellt und der wurde zu Recht abgelehnt.

     

    Den Bestrebungen von Herrn G. (wer "berät" den eigentlich, ein persönlicher Feind?) sind meilenweit vom Stand der kriminaltechnischen und kriminologischen Forschung entfernt in der Vergangenheit.

     

    Die von Herrn G. vorgebrachten "Vorschläge" sind keinesfalls zweckmäßig und geeignet den Schutzzweck der Norm WaffG auch nur ansatzweise zu verbessern!

     

    Das liegt schon in der Ignoranz der technischen Möglichkeiten begründet.

     

    So ein törichtes und unverschämtes Auftreten ist nur eine weitere Beleidigung der Geschädigten; wie und warum auch noch ein betroffener Elternteil solche kontraproduktiven Vorschläge ad nauseam macht, bleibt unerfindlich.

     

    Glück auf!

     

    Karl