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Gericht gibt Deutscher Fußball Liga RechtBremen bleibt auf Fußball-Kosten sitzen

Bremen kann Kosten von Polizeieinsätzen für Risikospiele nicht dem Deutschen Deutschen Fußball Liga (DFL) in Rechnung stellen. Das entschied das Verwaltungsgericht.

Wer soll zahlen? Polizeiaufgebot in Bremen um Krawalle in den Griff zu bekommen Foto: Carmen Jaspersen/dpa

Alle haben gewonnen, und keinem ging es ums Geld: Den Eindruck konnte gewinnen, wer nach dem Urteil vor dem Bremer Verwaltungsgericht die Statements der Prozessbeteiligten hörte. Das waren auf der einen Seite das Land Bremen mit Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und auf der anderen die Deutsche Fußball Liga (DFL) mit ihrem Präsidenten Reinhard Rauball.

Das Gericht hatte nach einem langen Verhandlungstag mit mehreren Unterbrechungen schließlich geurteilt, dass der Gebührenbescheid für den Polizeieinsatz im Rahmen des Nordderbys zwischen Werder und dem Hamburger SV im April 2015 rechtswidrig war.

425.718 Euro und elf Cent wollte Mäurer von der DFL für die Mehrkosten haben. Denn wenn der HSV nach Bremen kommt, ist dort Alarmstufe rot: Die Bundesligaspiele zwischen dem SV Werder und dem HSV gelten als Hochrisikospiele. Die anreisenden Fangruppen müssen von den heimischen Werder-Fans separiert, in Sonderbussen zum Stadion kutschiert und hinterher wieder zurück zum Bahnhof gebracht werden.

Dafür und auch für die Sicherung des Bahnhofes braucht es viele Polizisten, weshalb zu solchen Risikospielen – auch Begegnungen zwischen Werder und Hannover 96 zählen dazu – regelmäßig auch aus anderen Bundesländern Hundertschaften angefordert werden und dann alle miteinander einen Berg an Überstunden vor sich herschieben.

Das alles verursacht hohe Kosten, weshalb Innensenator Mäurer vor drei Jahren angekündigt hatte, der Deutschen Fußball Liga (DFL) als Veranstalter der Bundesliga die Mehrkosten für solche Einsätze in Rechnung zu stellen und ein entsprechendes Gesetz beschließen ließ. Mit diesem Vorstoß stand und steht Mäurer in Deutschland ziemlich alleine da; sein Amtskollege Boris Pistorius (SPD) aus Niedersachsen etwa vertritt wie die Mehrheit der Innenminister den Standpunkt, für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei allein der Staat verantwortlich.

Aber Mäurer machte ernst und am 18. August 2015 flatterte der DFL der erste Gebührenbescheid aus Bremen ins Haus. Im Einzelnen stellte Bremen in Rechnung: Überstunden, Zuschläge für Wochenendarbeit, Transport und Hotelübernachtungskosten für auswärtige Beamte. Während bei normalen Fußballspielen zwischen 300 und 400 Beamte ausreichen, waren bei dem fraglichen Spiel gegen den HSV mehr als 900 PolizistInnen im Einsatz.

Die DFL legte gegen den Bescheid Widerspruch ein und klagte gegen die Hansestadt Bremen. Dass der Gebührenbescheid nun als rechtswidrig zurückgewiesen wurde, begründete die Vorsitzende Richterin Silke Benjes damit, dass der zugrundeliegende Paragraph aus der Bremischen Gebührenordnung „keine wirksame Rechtsgrundlage für die Berechnung der Gebühren“ sei. Denn laut höchstrichterlicher Entscheidung müssen Schuldner die Gebührenhöhe ungefähr abschätzen können.

Die Mehrheit der Innenminister vertritt den Standpunkt, für Sicherheit und Ordnung sei der Staat verantwortlich

Wie die Richterin in der Urteilsbegründung weiter sagte, hat das Gericht auch Bedenken gegen die Ermessensgrundlage: So war ein Streitpunkt der Parteien die Frage gewesen, wer überhaupt als Schuldner in Betracht kommt: Nur die DFL oder auch der SV Werder als weiterer Veranstalter? Die Ermessensgründe, warum nur der DFL eine Rechnung bekam und Werder nicht, waren in dem Bescheid nicht aufgeführt worden. Ebenfalls nicht abschließend klärte das Gericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit. Eine Revision gegen das Urteil ist möglich.

Mäurer zeigte sich nach dem Urteil mit sich im Reinen: „Wir werden weitermachen“, sagte er, und einfach die Bescheide „entsprechend anpassen“. Abgesehen davon gehe es „ja gar nicht um das Geld, sondern dass Polizeibeamte auch mal ein freies Wochenende haben“. Auch Rauball entdeckte nach der Urteilsverkündung sein Herz für PolizistInnen: „Das Kernproblem wird durch das Hin- und Herschieben von Geld nicht gelöst.“

Künftig könnte sich ohnehin eine Einigung – vielleicht in Richtung pauschaler Zahlungen – abzeichnen: Noch vor der Urteilsverkündung gab der DFL-Präsident bekannt, dass er Mäurer ein Gesprächsangebot gemacht habe. In zwei bis drei Wochen wolle man sich zu einem „Orientierungsgespräch“ treffen, um den „Schulterschluss zwischen Vereinen, der Politik und den Fans“ zu proben. Der Innensenator habe dem Treffen zugestimmt – Gebührenbescheide verschickt er aber erstmal trotzdem weiter.

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4 Kommentare

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  • Bei dem besagten Spiel zwischen Bremen und dem HSV im April 2015 griffen ca. 150 Bremer Randalierer eine Gruppe von etwa 50 Hamburgern an, die Polizei musste dazwischen gehen, es kam zu mehreren Verletzten und erheblichen Sachschäden.

     

    Prima, denkt sich da vielleicht der Bremer Innensenator, wenn Bremer sich in Bremen nicht benehmen können, ist das noch lange kein Grund, nicht die bundesdeutsche Allgemeinheit dafür aufkommen zu lassen...

     

    Die Profiligen erwirtschaften pro Jahr ca. 3,25 Mrd. Euro Umsatz und schaffen über 100.000 Arbeitsplätze, die Vereine der ersten und zweiten Liga zahlen zusammen mehr als eine Mrd. Euro Steuern. Aber Bremen meint, man könnte sich zusätzlich noch die "erhöhten Kosten" erstreiten. Kosten, die wohlgemerkt nicht im Stadion, sondern im öffentlichen Raum anfallen. Kosten, die in überhaupt keinem Verhältnis zu den Einnahmen der öffentlichen Hand durch das Spektakel Bundesliga stehen.

     

    Dem Verein Werder Bremen entstehen jetzt schon materielle Nachteile durch die Klage des Senats. Aufgrund des schwebenden Verfahrens hält die DFL Zahlungen aus der Ligaverwertung in Höhe von etwa 4 Mio Euro zurück, da im Falle einer juristischen Niederlage alle dadurch entstehenden Kosten direkt dem betroffenen Verein angelastet und von der zu zahlenden Summe abgezogen werden. Ob die Gewissheit, ihre Randale auf fremdem Terrain beschädigt zusätzlich unmittelbar den gegnerischen Verein, die "Problemfans" unter den Auswärtsfahrern zukünftig von gewalttätigem Auftreten abhalten wird, wage ich zu bezweifeln.

     

    Die Stadt Bremen sitzt mit Mehrheit im Aufsichtsrat der Weser-Stadion GmbH. Sie könnte also einfach die weitere Austragung von Fußballspielen der ersten Herren Bundesliga untersagen. Wenn sie es denn tatsächlich ernst meinen würde. In diesem Falle müsste Werder Bremen dann wohl "freiwillig" auf seinen Platz in der kommenden Bundesligasaison verzichten und sich ins Amateurlager zurückstufen lassen. Bevor der Norddeutsche Verband dieses anordnen muss.

    • @cursed with a brain:

      "Bei dem besagten Spiel zwischen Bremen und dem HSV im April 2015 griffen ca. 150 Bremer Randalierer eine Gruppe von etwa 50 Hamburgern an, die Polizei musste dazwischen gehen, es kam zu mehreren Verletzten und erheblichen Sachschäden."

       

      Die armen HSV Fans. Mir kommen die Tränen. Schauen Sie mal montags in das Hamburger Abendblatt. Da wird quasi jedesmal berichtet, wo sich HSV "Fans" wieder daneben benommen haben. Im April 2015 z.B. wurde ein Metronom Zug auseinandergenommen.

       

      "Die Profiligen erwirtschaften pro Jahr ca. 3,25 Mrd. Euro Umsatz und schaffen über 100.000 Arbeitsplätze, die Vereine der ersten und zweiten Liga zahlen zusammen mehr als eine Mrd. Euro Steuern."

       

      Wie setzen sich den die 100.000 Arbeitsplätze zusammen ?

      1 Mrd Steuern werden gezahlt - es ist davon auszugehen, dass die gesamten Polizeieinsätze ein Vielfaches kosten, wenn Bremen schon für ein Spiel EUR 425.718 in Rechnung stellt.

      Es ist sicher nicht davon auszugehen, dass der Fußballkrawall beendet sein wird, wenn die Vereine die Kosten bezahlen, aber es wird sie bemüßigen sich von solchen Krawallos zu distanzieren, was derzeit nur sehr zögerlich und inkonsequent geschieht.

      Es bleibt dabei, wer die Kosten verursacht, direkt oder indirekt muss dafür zahlen, ob er nun Steuern bezahlt oder nicht.

      • @Senza Parole:

        Die "bösen Hamburger". Als ob es dasselbe bei anderen Vereinen nicht geben würde.

        http://www.goal.com/de/news/827/bundesliga/2015/11/21/17556022/randale-im-zug-werder-fans-in-hannover-festgehalten

         

        Der Bremer Senat hat seine Gebührenforderung aufgrund der Vorkommnisse um das besagte Spiel gestellt, nicht wegen irgendeines Zuges. Bleib mal beim Thema! Mir kommt das Kotzen bei soviel Heuchelei.

         

        Wie sich die Arbeitsplätze zusammensetzen kannst du gerne bei der DFL oder den Gutachtern entsprechender Studien erfragen.

         

        Die gesamten Polizeieinsätze einer Bundesligasison verursachen angeblich Mehrkosten um die 70 Mio Euro (zwischen 200.000 und 250.000 Euro pro Spiel).

         

        Das sind weniger als 7% des Zugewinns durch Steuereinnahmen.

         

        Wer erwartet, dass Vereine Polizeieinsätze im öffentlichen Raum bezahlen, der erwartet dann wahrscheinlich auch, dass Gaststättenbetreiber dafür aufkommen, wenn sich Besoffene am Bahnhof prügeln. Um das umzusetzen wäre zudem eine Verfassungsänderung notwendig, die das Gewaltmonopol des Staates aufhebt.

         

        Denn wenn die Vereine zuständig für die sicherheit im öffentlichen Raum werden, dann sollten die auch darüber entscheiden dürfen, wieviele und welche "Sicherheitskräfte" dazu bereitgestellt werden.

         

        In der aktuellen Rechtslage bedeutet die Gebührenentscheidung nämlich defacto eine unzulässige Einschränkung der gewerblichen Tätigkeit der betroffenen Vereine. die sind nämlich nur am Spiel auf dem Rasen interessiert, wenn Erwachsene an öffentlichen Plätzen aufeinander einschlagen, hat kein Verein dazu aufgerufen oder dies anderweitig geplant und unterstützt. Hier gilt (noch) die Verantwortung des Einzelnen für sein Handeln. Aber vielleicht willst Du die mit dem Gewaltmonopol auch noch gleich abschaffen.

         

        Mannmannmann... wo bleibt das Nachdenken?

  • Wir machen nicht mit! Keine Kooperation! Wehret den Anfängen!

    Sche***ullen!

     

    Mit freundlichen Grüßen,

    die Fans