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Geplantes Verbrenner-Aus ab 2035Alles andere als ehrgeizig

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Die EU täuscht mit dem angekündigten Verbot von Verbrennern eine echte Klimapolitik nur vor. Kun­d:in­nen und die Industrie sind längst viel weiter.

Einmal volltanken, bitte: Elektroauto lädt an einer Ladestation Foto: Julian Stratenschule/dpa

E s ist ein besonderer Ausdruck von Weltabgewandtheit: Die Autolobby schreit nach der Entscheidung des Europäischen Parlaments, im Jahr 2035 die Zulassung neuer Pkw mit Benzin- oder Dieselantrieb zu verbieten, Zeter und Mordio. Auto-Cheflobbyistin Hildegard Müller und sieht in dem Abstimmungsergebnis allen Ernstes ein Votum gegen die Bür­ge­r:in­nen und gegen den Markt, gegen Innovation und gegen moderne Technologien. Das ist einfach falsch. Dass auch FDP-Bundesverkehrsminister Volker Wissing mit ähnlichen Argumenten gegen das Verbrenner-Aus für 2035 ist, macht es nicht besser.

Viel mehr Menschen wollen ein E-Auto kaufen, als Fahrzeuge verfügbar sind; die Autobranche geht die Umstellung auf E-Mobilität längst an. Die Autobauer haben sich weltweit für E-Mobilität entschieden, der Wasserstoffantrieb ist für sie im Pkw-Bereich keine Alternative. Synthetische oder Agrarkraftstoffe sind aus vielen Gründen ein Irrweg, unter anderem weil sie viel zu teuer sind.

Mit der Ladeinfrastruktur wird es ausgehen wie mit den Corona-Impfstoffen: Es wird nicht lange dauern, dann ist das Angebot größer als die Nachfrage. An Autobahnen in Ballungsgebieten entstehen große Schnellladeparks, Supermärkte und Unternehmen locken mit Angeboten zum Stromtanken. Mehr Bür­ge­r:in­nen wollen bei sich zu Hause eine Ladestation einrichten, als Technik und Hand­wer­ke­r:in­nen verfügbar sind.

Aber auch die Vorstellung einiger Grüner, dass durch die Entscheidung des EU-Parlaments eine E-Auto-Revolution in Gang kommt, ist falsch. Diese Revolution hat längst begonnen, aber weder die EU noch die deutsche Ampelregierung stellen sich an ihre Spitze.

Unambitionierte Ziele

Der Zulassungstopp für fabrikneue Autos mit Benzin- oder Dieselmotor im Jahr 2035 ist alles andere als ehrgeizig. Der größte europäische Autobauer Volkswagen hat sich schon längst entschieden, zu diesem Zeitpunkt für den EU-Markt keine Verbrenner-Pkw mehr herzustellen, andere steigen viel früher aus. Das Europäische Parlament hat mit der Festlegung auf das Ausstiegsjahr 2035 darauf verzichtet, diesen längst begonnenen Prozess zu beschleunigen.

Autos haben eine durchschnittliche Lebensdauer von 15 Jahren, manche fahren noch viel länger. Das Zulassungsverbot von neuen Verbrennern bedeutet also nicht das Ende von Diesel- und Benzin-Pkw. Würde die EU früher als 2035 das Verbot erlassen, würde sie mehr Wucht in den Transformationsprozess bringen. So aber dackelt sie der Entwicklung nur hinterher.

Und mit ihr die Ampelregierung in Deutschland. Sie hat mit Hinweis auf die Entscheidungen in der Europäischen Union kein Datum für das Aus von Verbrennerautos in Deutschland festgelegt. Ihr Ziel, dass bis 2030 15 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen fahren sollen, ist ambitionslos – dass es so kommt, regelt der Markt von allein.

Die EU und die deutsche Regierung täuschen eine klimagerechte Autopolitik nur vor. Ihre Verzögerungstaktik ist fatal. Angesichts der Klimakrise müssen sie mehr Tempo machen und nicht Druck aus dem Kessel nehmen.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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3 Kommentare

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  • Das Interesse für fabrikneue E-Autos ist eher marginal. Hybridmodelle werden schon eher nachgefragt und machen über 80% der Zulassungen im E-Bereich aus. Gebrauchte E-Autos verkaufen sich gar nicht.

    Dagegen setzt der Run auf Verbrenner ein. Gebrauchtwagenpreise von Dieseln und Benzinern steigen und steigen. Neuwagen und Vorführer werden über Listenpreis angeboten und gekauft. Neubestellungen werden frühesten Mitte 2023 geliefert.

    Da einen Hype für E-Autos zu erkennen, muss an dem Wunschdenken der Lobbyisten liegen.



    Ohne Verbrennerverbot, würde sich das ganze E-Auto-Geschäft nicht lohnen. Deswegen schwenkt die Industrie um, "ganz oder gar nicht" lautet die Devise. Verbrenner müssen als Konkurrenz ausfallen, damit das E-Auto sich durchsetzt.

  • So ist es und hier noch ein wichtiger Hinweis: sogar in der nun erkannten existentiellen Krise der Menschheit (wird sie überleben oder nicht?) überlassen Regierungen die Entwicklung der Mobilität die entscheidend für eine Klimaneutrale Zukunft sein wird wem? Der Automobilindustrie! Die kennt nur ein Abendgebet zur Rettung (ihrer Gewinne): jedem Menschen Ü 18 sein eigenes Auto! Öffis und Carsharing sind der natürliche Feind der Automobilkonzerne, selbst wenn jedes Kaff im 15 Minutentakt seinen (Mini-)Bus bekommt brauchts halt so viel weniger Karosserien, Motoren, Bauteile etc. als mit dem heiligen Mantra dass jeder Mensch ein eigenes Auto braucht um Mensch zu sein.

    • @Nina Janovich:

      "selbst wenn jedes Kaff im 15 Minutentakt seinen (Mini-)Bus bekommt"

      Wir haben über 100.000 Ortschaften in Deutschland, wie wollen sie da eine 24/7 Versorgung sicherstellen? Und selbst wenn, bei einem Notfall meines Kindes (wie ein Treppensturz neulich) würde ich mich nicht auf einen Minibus sondern auf mein Auto verlassen, das bringt mich sogar direkt vor die Notaufnahme. Ich nehme mal an sie leben nicht auf dem Dorf oder im Wald.