Geplantes Barzahlungsverbot: Schäuble und die Cash-Gegner
Der Finanzminister will Barzahlungen über 5.000 Euro verbieten. Er ist Teil einer Verschwörung gegen Scheine und Münzen.
Es knistert, es raschelt, es klimpert, wahrscheinlich ist auch noch die oder andere Koksspur dran. Oder die Daunen aus Omas Kissen. Oder die DNA von der Fingerhaut Hunderter Vorbesitzer. Ja, Bargeld hat human touch. Doch es droht Gefahr: Die Erbsenzähler und Controller dieser Welt wollen eines unserer wichtigsten Kulturgüter ausrotten.
Die Kredit- und Girokartenlobby fährt dabei eine gewiefte Salamitaktik. Ziel: das Ende des Baren, einer zivilisatorischen Errungenschaft, die Lyder und Griechen schon vor 2.500 Jahren nutzten. Quasi logisch, dass jetzt auch Ober-Pfennigfuchser Wolfgang Schäuble bei der Anti-Cash-Koalition mitmischt.
Das Finanzministerium will Barzahlungen über 5.000 Euro verbieten. Weil sich die „Weltlage geändert“ habe, heißt es. „Verdammt, wie sollen wir dann unsere Kalaschnikows zahlen“, jammern wahrscheinlich jetzt schon die Terrorschwadrone der Welt. Die Obergrenze für Bares solle auch Geldwäsche und Steuerbetrug behindern. Wirklich? Gibt es da nicht noch Kreditkartenbetrug, Skimming oder Phishing von Kontodaten und Geheimzahlen?
Schäuble ist nicht der erste Gegner des Baren. In den Niederlanden, Finnland, Belgien und in Dänemark, Schweden sowie Ungarn müssen Händler jetzt schon keine 1- und 2-Cent-Stücke mehr annehmen – dafür wird in Fünfer- oder Zehner-Schritten auf- oder abgerundet. Dass diese Woche auch das niederrheinische Kleve einen Versuch in diese Richtung gestartet hat, klingt generös, klingt cool. Tatsächlicher Grund der Aktionen: Bares ist zu teuer. Die Prägung einer 1-Cent-Münze kostet etwa 1,65 Cent, 2-Cent-Münzen 2,07 Cent. Angeblich wurden in Eurozeiten, also seit 2002, fast 50 Milliarden Stück davon geprägt! Aber: Das sollte es uns wert sein. Einfachster Grund: Wenn die Plastikkarte kaputt ist, bleibt der Kühlschrank leer. Wer will das schon?
Haptisch eine Sensation
Kleinvieh macht auch Mist, findet auch Deutsche-Bank-Chef John Cryan: „Cash ist fürchterlich teuer und ineffizient.“ Hallo? Muss der nicht erst mal einen Euro Gewinn einfahren – und die 6.000 Verfahren gegen seine Bank überstehen?
Selbst wenn in Dänemark jetzt schon nicht mehr mit Scheinen und Münzen bezahlt werden muss, wenn der Bitcoin blüht und China längst an einer eigenen Konkurrenz-Internetwährung tüftelt: Wie sollen wir künftig Bettlern helfen? Wie Trink- und Taschengelder aufrunden? Wie ein bisschen Gelassenheit in der Supermarktschlange verbreiten, indem wir der Kassiererin einfach mal all unsere Cent-Stücke vorzählen?
Scheine sind ja auch oft hübsch, ein Urlaubsgruß für mich heute noch die blauen tschechoslowakischen 20 Kronen mit Johann-Comenius-Konterfei und die 50 französischen Francs mit dem kleinen Prinzen. Und sie riechen. Wie die Münzen. Die sind auch haptisch eine Sensation. An der Kasse, in den Jeans. Ja, es wäre nicht schlecht, wenn man Bahntickets mit einem EC-Kartenschwenk am Automaten zahlen könnte. Paypal und Visa sind bequem.
Aber: Die Bargeld-Nostalgie hat ja nicht zuletzt den knallharten Datenschutz-Grund. Jeder kann ohne Cash viel leichter nachvollziehen, wer wann wo was geshoppt hat. Das Ende des Scheins ist auch das Ende des privaten Einkaufs – und sei es nur der Plastikramsch aus dem Kaugummiautomaten. Neben der Bundesdruckerei lehnt deshalb nicht nur die FDP das Ende des Bargelds ab. Es ginge um „gelebte Freiheit, die wir nicht preisgeben sollten“.
Vielleicht sollte die ganze Debatte für eines gut sein: Wir brauchen endlich neues, geileres Geld! Diese Eurobrücken und -portale sind zwar ziemlich fälschungssicher, aber monsterlangweilig. Und die 1er und 2er, die 10er und 20er sind auch für Kneteprofis einfach schlecht auseinanderzuhalten. EZB-Präsident Draghi: Bitte handeln Sie jetzt!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel