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Genese einer universellen GesteFlipping the Mittelfinger

Peer Steinbrück zeigt uns seinen Mittelfinger. Warum gerade den? Was bedeutet das? Eine kurze Kulturgeschichte des Fingerzeigens.

Popkultur sei Dank: Dieses Zeichen ist heute weltbekannt Bild: dpa

Ein aufgerichteter Mittelfinger, ein Stinkefinger (in Deutschland nach Stefan Effenberg auch Effefinger genannt), ist heute eine allgemein verständliche Geste. So beleidigend, dass sie - im Straßenverkehr gezeigt - mit Bußgeld geahndet wird. Die Bedeutung liegt je nach Kontext irgendwo zwischen Gewaltandrohung und Anzüglichkeit, persönlicher Abgrenzung („Ich hab gerade keinen Bock“) und schwerer Beleidigung („Auf Dich Bock zu haben ist mir hassbedingt niemals möglich“).

Eine Geste wie das Zeigen des Mittelfingers basiert im Gegensatz zur menschlichen Mimik auf Gelerntem. Gesten sind überwiegend kulturell bedingte Konventionen, über deren körperliche Darstellung man sich gesellschaftlich soweit verständigt hat, dass sie innerhalb dieses Personenkreises eindeutig übersetzt werden können. Einen angeekelten Gesichtsausdruck hingegen sehen und verstehen Menschen weltweit.

Über die historische Genese des gereckten Mittelfingers als Beleidigung und Drohgebärde gibt es verschiedene Annahmen. Strittig aber populär ist die „Bogenschützen-Theorie“: Die englische Variante des Fingerzeigens funktioniert zweifingrig, mit Mittel- und Zeigefinger: Sie soll auf den Hundertjährigen Krieg verweisen, als die gefährlichen Langbogenschützen des englischen Königs Edward III. an den Händen verstümmelt wurden, sofern sie in französische Gefangenschaft gerieten.

Ob es tatsächlich Verstümmelungen dieser Art gab oder nicht, muss von Historikern ausgefochten werden. Zur Herausbildung der Geste hätte es auch gereicht, dass kleine Jungen die Bogenschützen imitierten und deshalb ihre Finger streckten, als sei da eine Waffe. Das Zeigen der Finger sollte dem Gegenüber in jedem Fall signalisieren, man sei gefährlich, habe gar mörderisches Potential.

Um Potential ging es auch im antiken Rom, wo der Mittelfinger, genannt unverschämter Finger (digitus impudicus), stellvertretend für den Phallus in die Höhe gestreckt wurde. Es mag also gut sein, dass es sich bei „flippig the bird“ um antikes Kulturgut handelt, dass seit Jahrtausenden Gespräche abbricht und Kneipenschlägereien anzettelt.

Schließlich verbreitete die globale Popkultur die Geste, schwächte sie aber auch ab. Steinbrücks Finger ist nicht in der Weise empörend, wie es Stefan Efenbergs Finger vor 19 Jahren war. Das liegt auch daran, dass es sich nicht um eine im Affekt vollzogene Drohgebärde handelt. Eher um die römische Variante: Ich habe Potential.

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10 Kommentare

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  • "Flipping the Mittelfinger" ist der beste Kommentar, den ich bisher gelesen habe, und zwar in der Diktion ebenso wie im Inhalt.

    Gesellschaftswissenschaftler und Germanisten (Süddeutsche und Zeit und Spiegel) - bitte lesen! Ich danke der TAZ

  • W
    widerborst

    Alles Quatsch

     

    Provinzial - heißt nicht nur die Versicherung

  • J
    jva

    Schön, aber für eine Veröffentlichung mit zu vielen Fehlern:

    "Es mag also gut sein, dass es sich bei „flippig the bird“ um antikes Kulturgut handelt, dass seit Jahrtausenden Gespräche abbricht" => flipping; das zweite "dass" ist echt die Höhe...

    "wie es Stefan Efenbergs Finger" =>Effenberg

    ...gibt noch mehr...

  • J
    joHnny

    und was ist mit dem tolerierten

    merkel-dekollté??...

  • AF
    Alter Falter

    Steinbrück ist der diametrale Gegenentwurf zu Effe. Bei dem war der Stinkefinger ganz und gar dumpf-persönlich gemeint und verwies auf die narzisstische Gekränktheit des Egomanen, dessen Selbstkonzept gerade den Bach runter gegangen war. Steinbrück teilt uns aber das umgekehrte mit: ich lasse mir die anarchistische Lust daran, auch unter widrigen Umständen ich selbst zu sein, keinesfalls nehmen. Für mich hat sich da einer, Wahlkampf hin oder her, gerettet. Und er hat vielleicht für viele einiges mitgerettet. Wäre Deutschland nicht so ein ängstliches Land, wäre der Stinkefinger des Kandidaten einzuordnen als eine jener kleinen grossen Gesten, die unvergessen bleiben, und auch nach Jahren noch gut sind für einen wohltuenden Lacher.

    Aber wir haben ja Daniel Bahr und die Mutti und nen Haufen weiterer Zurechtweiser. Sei es drum: mir hat es sehr gefallen!

  • D
    D.J.

    Manche sprechen in dem Zusammenhang von einer Bushidisierung von Teilen der Politik. Ich würde eher von einer Infantilisierung sprechen. Ganz neu ist das nicht (siehe etwa Guidomobil). Doch frage ich mich in dem Zusammenhang, warum Herr Steinbrück die Herren Berlusconi und Grillo nicht mag.

  • K
    Kombinator

    Ich kombiniere: Steinbrück hätte vermutlich seinen erigierten Penis vor die Kamera halten sollen, um richtig zu provozieren.

  • R
    reblek

    "Um Potential ging es auch im antiken Rom... Eher um die römische Variante: Ich habe Potential." - Zweimal falsch: Potenzial.

     

    Sie haben ausnahmsweise nicht Recht. http://www.duden.de/rechtschreibung/Potenzial



    Liebe Grüße, die Redaktion.

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    Diese Geste paßt TOTAL zur Gestalt des wie ich empfinde FIESEN MÖPP. Mein Mittelfinger ist ihm und seinen Spießgesellen des parlamentarischen Theaters deshalb auch GANZ SICHER - in den Arsch und NICHT WÄHLEN!!!

  • G
    gast

    Wenn ich nicht wüsste, wie die Langbogenschützen-Herleitung zu verstehen ist, würde sie aus dem Text nicht klar werden.