Generalstreik auf griechischen Inseln: Protest gegen überfüllte Lager
Behörden und Geschäfte auf Lesbos, Chios und Samos haben am Mittwoch die Arbeit niedergelegt, um sich gegen überfüllte Flüchtlingslager zu wehren.
Tausende Menschen auf Lesbos, Samos und Chios gingen zu Kundgebungen auf die Straße. „Wir wollen unsere Inseln zurück, wir wollen unser Leben zurück“, lautete der Slogan des Protests. Der Protest richtete sich auch gegen die Art und Weise, wie die Europäische Union mit dem Problem umgeht – viele Menschen auf den Inseln sehen sich alleingelassen.
In und um die Registrierlager auf den Inseln der Ostägäis harren knapp 42.000 Menschen aus. Täglich setzen neue Flüchtlinge aus der Türkei über. Noch im April 2019 lebten auf den Inseln nur 14.000 Migranten. Wegen Personalmangels konnte bislang die Rückführung von Migranten ohne Schutzrecht in die Türkei nicht richtig funktionieren. Die EU hatte 2016 vereinbart, dass die Türkei alle Migranten zurücknimmt, die auf diesen Inseln ankommen und kein Asyl in Griechenland bekommen.
Restlos überfrachtet
Die Lager sind hoffnungslos überfüllt: Das größte Lager Moria auf Lesbos etwa hat eine Kapazität für 2.840 Menschen – untergebracht sind dort aber derzeit mehr als 19.000 Menschen. Mittlerweile kommt es immer wieder zu Ausschreitungen in und um die restlos überfrachteten Lager, in denen auch unbegleitete Kinder und Jugendliche unter unmenschlichen Bedingungen leben. In diesem Jahr starben bereits zwei Menschen auf Lesbos einen gewaltsamen Tod – zuletzt ein 20-Jähriger aus dem Jemen, der vor wenigen Tagen nach einer tödlichen Messerattacke gestorben war.
Eine Stellungnahme der EU zum aktuellen Generalstreik auf den Inseln war bis Redaktionsschluss nicht bekannt. Die griechische Regierung hatte im November 2019 als Reaktion auf die Lage bereits Pläne zum Bau größerer, geschlossener Flüchtlingslager auf Lesbos, Chios, Samos, Kos und Leros angekündigt. Örtliche Behördenvertreter kritisierten die Pläne scharf. Sie sprachen sich für kleinere Einrichtungen aus, nachdem zuletzt bereits Tausende Asylbewerber aufgenommen worden waren. Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen appellieren seit Langem an die EU, sich um die verheerende Situation zu kümmern.
Die dramatische Lage auf den Inseln dürfte am Freitag zwar am Rande auch Thema beim Treffen der EU-Innenminister in Zagreb sein. Da die Mitgliedsländer in der Flüchtlingsfrage aber seit Jahren keinen gemeinsamen Nenner finden, wird es so schnell wohl keine grundlegenden Konsequenzen geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin